Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Gründonnerstag 2024

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28. März 2024 - St. Sebastianus, Sinzig-Bad Bodendorf

1. Ruanda 1994

  • Ruanda 1994 – fast auf den Tag vor dreißig Jahren – steht für eines der furchtbarsten Massaker der jüngeren Geschichte. Wohl 800.000 Menschen wurden innerhalb von 10 Tagen auf bestialische Weise ermordet. Auch wenn es von oben geschickt vorbereitet und angestachelt worden war, so führte es doch dazu, dass Nachbarn einander schlimmstes Leid angetan haben. Die Weltgemeinschaft hat tatenlos zugeschaut.
  • Wie kann man danach noch zusammenleben? Wie ist nach einem solchen Verbrechen Vergebung möglich? Selbst wenn die Mörder, nachdem erst einmal der aufgeputschte Blutrausch vorbei ist, entsetzt sehen, was sie da angerichtet haben, selbst wenn sie öffentlich ihre tiefe Schuld eingestehen, wie kann es möglich sein, dass du Überlebenden der Opfer verzeihen?
  • Und doch gibt es diese Geschichte. So sehr in den furchtbaren Gewalttaten alle christlichen Wurzeln im Land vergessen schienen, so sehr traten sie in der nun folgenden Versöhnung hervor; nicht immer und überall, aber sehr beeindruckend an vielen Orten. Es war Das größte Geschenk.

2. Die Kuh

  • Lassen Sie mich von einer Frau berichten, die ich im Interview gesehen habe neben dem Mann, der ihre Kinder bis auf eine Tochter und ihrem Mann ermordet hatte. Jetzt, Jahre später, saßen sie in großer Vertrautheit zusammen und berichteten in diesem Interview
  • Der Mörder sprach ohne Wenn und Aber von seiner Schuld die Frau berichtete, dass sie sich angesichts des furchtbaren Elends, das über ihre Familie gekommen war, gefragt hatte, was ihr Glauben in der Situation für sie bedeutet. Und es war ihr geschenkt worden: Sie hat sich dazu entschieden, zu verzeihen. Die Vergebung, die Gott uns Menschen zeigt, war dieser Frau dabei wichtig.
  • Sicher ist das eine sehr seltene Situation. Allein, dass die Schuld so klar ist und auch vom Schuldigen so klar benannt wird, ist selten genug. Oft genug scheitert Versöhnung daran, dass Menschen trotz unfassbarer Schuld nicht in der Lage sind auszusprechen, was ihnen eigentlich klar sein sollte. Ohne Bekenntnis der Schuld kann es keine Versöhnung geben,
  • Was vielleicht möglich wäre: Dass selbst in einem solchen Fall das Opfer der Gewalt für sich die Kraft finden und beschließt, sich nicht vom Hass bestimmen zu lassen, sondern von der Vergebung. Dafür ist die Vergebung, die Gott uns Menschen zeigt, besonders wichtig.

3. Das Lamm

  • Wir feiern heute Abend ein Zeichen, das Jesus gewählt hat. Es ist dies das Fest, an dem im Tempel in Jerusalem die große Versöhnung des Peschach gefeiert wird. Dazu war Jesus nach Jerusalem gekommen. Was hier im Alten Bund im Tempel geschieht, begründet er in der Gemeinschaft mit seinen Jüngern neu als den neuen und ewigen Bund.
  • Was ich über diese Frau und diesen Mann in Ruanda erfahren habe, hilft mir zu verstehen, was Jesus tut. Denn der Mann, der ihre Familie ermordet hatte, berichtet, dass diese Frau ihm eine Kuh geschenkt hat! Sie, die so viel Leid erfahren musste, hat den Mörder beschenkt. Nicht nur, was das emotional bedeutet ist kaum zu ermessen. Für diesen Mann bedeutete es auch ganz konkret, dass er nun wirtschaftlich in der Lage war, die Frau zu einem Abendessen einzuladen. Sie hat es ihm ermöglicht, dass er etwas geben konnte. Er, der davor gefangen war in der Gewalt, war jetzt frei, Schuld einzugestehen, Vergebung anzunehmen und eine Sühne anzubieten. Das ist Versöhnung.
  • Wir werden nie ans Ende kommen bei dem Versuch zu verstehen, warum Jesus Brot und Wein genommen hat und dazu sagte: "Das ist mein Leib und mein Blut". Das ist nicht nur etwas Symbolisches. Hier ist Gott am Werk, der uns einlädt, das was die Erde hervorgebracht und menschliche Arbeit bereitet hat, ihm darzubringen als heiliges Opfer. Gott möchte, dass wir Menschen aus der Passivität, in die uns die Sünde treibt, befreit werden. Wir sind es, die das Opfer darbringen dürfen. Und doch ist es das eine Opfer Jesu. Es ist das, was er uns schenkt, was damals geschehen ist, und dessen wir morgen am Karfreitag gedenken werden. Versöhnung ist möglich. Sie ist das große Geschenk. Ein Geschenk das wir empfangen, ein Geschenk das darin besteht, dass wir es weiter schenken können.