Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Weihnachten in der Nacht 2013

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24.12.2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Wo Gott in der Höhe, Menschen auf Erden sind

  • Gott in der Höhe, Menschen auf Erden. Um die Beziehung zwischen diesen beiden geht es im Letzten. Menschen auf Erden, das sind wir. Wir, mit dem was wir sind und was uns bewegt. Menschen auf Erden; das sind wir, jede und jeder auf seine Weise, ganz individuell und einmalig.
  • Gott in der Höhe ist der andre Pol. Das Heilige und Unnahbare, was sich nicht kaufen und verkaufen lässt, was ich nicht einfach machen und worüber ich nicht verfügen kann. Gott in der Höhe ist der Bereich aus dem die Engel kommen.
  • In dieser Nacht nun wird das Verhältnis von Himmel und Erde neu bestimmt. Durch die Geburt des Kindes in Betlehem ist nichts mehr so, wie es einmal war.

2. Wo Gott uns nahe scheint

  • Himmel und Erde fühlen sich nicht immer fern an. Die Menschen in den Religion und Kulturen der Geschichte kannten Bereiche, in denen es ihnen ganz selbstverständlich schien, dass Gott auf der Erde gegenwärtig ist.
  • In manchem ist das bis heute so, manches ist für uns schwer nachvollziehbar geworden.
  • So können wir kaum verstehen, warum es in vielen Religionen und Kulturen selbstverständlich war, den Herrscher zu vergöttlichen, den Pharao in Ägypten oder den Kaiser in Rom. Der Kult, der noch heute in manchen Ländern um die Nation getrieben wird, ist vielleicht ein Nachklang davon.
  • Nachvollziehbarer hingegen ist vielleicht die Verehrung Gottes in den Gestirnen und den Mächten der Natur. Eher schon befremdet viele Zeitgenossen, wie beiläufig in der Bibel manches Mal die Gestirne einfach als Lampen abgetan werden, die Gott als Orientierungshilfe für Seefahrer an das Firmament geheftet habe. Und ebenso ist die Natur, sosehr auch die Bibel ihre Schönheit besingt, immer nur Geschöpf Gottes, nie selbst Gott und vergottet. Mögen die Deutschen für das mystische Raunen des Waldes besonders empfindlich sein - die Natur ist zwar eine Stimme Gottes, sie ist schützenswürdig und kann uns mit Ehrfurcht erfüllen - aber Ehrfurcht nur gegenüber dem, der alles geschaffen hat.
  • Und dann war da noch die Fruchtbarkeit. Die frühen Religion haben die Fruchtbarkeit personifiziert, ihr kultische Opfer gebracht - manchmal sogar Menschenopfer. Sexualität schien ihnen göttlich und wurde am Tempel praktiziert. Ob das bis heute so ist, oder an die Stelle der reine Kommerz getreten ist, mag jeder selbst beurteilen.
  • Wo auch wir heute jedoch meinen, Gott besonders nahe zu erleben, ist im Bereich der Gefühle, der Liebe allen voran. Die Romantik ist an die Stelle der Fruchtbarkeitsgötter getreten.
    Ja, die Gefühle der Liebe können uns für die Wirklichkeit Gottes öffnen. Nicht umsonst gilt Weihnachten als Fest der Liebe. Viele können sich trotz heftiger Versuche gerade deswegen dem Fest nicht verschließen. Aber öffnet uns das auf Gott hin? Mit den heftigen Gefühlen, Romantik und Liebe, mag mancher dann doch nur um sich selbst kreisen und sich in sich selbst verlieren.
    Deswegen sollte man darauf hinweisen, dass von Romantik in den biblischen Weihnachtserzählungen nichts zu spüren ist. Da scheint vielmehr harte Realität durch, wenn das Kind keinen Platz in den Behausungen der Menschen findet, sondern im Futtertrog vor den Toren der Stadt seinen Platz findet.

3. Wo Gott uns nahe kommt

  • Und dennoch ist genau hier von der Nähe Gottes die Rede. Nicht in den Gefühlen, nicht in den Gestirnen und dem Rauschen des Meeres und schon gar nicht in der Faszination der Macht des Staates, sondern im Wortsinn "auf der Erde", auf dem nackten, kalten Boden der Realitäten. Wo Gott so ganz und gar nicht vermutet wird, dort zeigt er sich. In einer Weise, die jedem Gottesbild Hohn spricht, will er sich offenbaren - als wimmerndes Neugeborenes im Stall.
  • Mögen wir Menschen bemüht sein, Alltag und Sonntag, Himmel und Erde, Gott und Mensch säuberlich auseinander zu halten. Gott unterläuft das. Dort, wo die Menschen wohnen, dort wo sie Sehnsucht haben, dort wo sie hungern und dürsten, dort wo das Leben unspektakulär ist und ganz normal, dort will er ankommen "vom Himmel hoch".
  • Heute Nacht dürfen die Gefühle sein. Schließlich kann ich mir kaum vorstellen, dass von den rauen Hirten nicht doch der eine oder andere heftig mit den Tränen kämpfen muss, wenn sie "ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt". Dann singen eben die gerührten Tränen von Gottes Ehre, ihm in der Höhe, der uns in unsere Welt so nahe kommt, wie wir es nie erwarten würden. Amen.