Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt für Schülerinnen und Schüler der 8. Klassen am 30. Nov 2021 - Die Freiheit einander zu dienen

Zurück zur Übersicht von: Schülerpredigten

30. November 2021 - Aloisiuskolleg Bonn-Bad Godesberg

 1. Doppelter Druck

  • Ich möchte nicht in eurer Haut stecken. Ich denke, für eure Generation ist der Druck von allen Seiten besonders groß.
  • Auf der einen Seite gibt es Druck sich anzupassen. Ohne gemeinsame Regeln ist so etwas wie Schule z.B. gar nicht möglich. Aber auch die Gemeinschaft von Freunden funktioniert nur, wenn man etwas gemeinsam hat. Das verlangt viel Aufmerksamkeit und Arbeit an sich selbst, dass ich irgendwo dazu passe und angenommen werde. Dagegen steht die Sehnsucht, dass mich andere Menschen so nehmen, wie ich bin. Hoffentlich tun dies auch viele. Aber es bleibt die allgemeine Erfahrung, dass Gemeinschaft gemeinsames voraussetzt.
  • Es kommt aber ein zweiter Druck dazu, der scheinbar das Entgegengesetzte von euch fordert. – Immer schon war es für Menschen wichtig, einen eigenen Namen, eine eigene Persönlichkeit und einen eigenen Willen zu haben. Für junge Leute galt das auch schon immer besonders. Aber in den letzten ein oder zwei Jahrzehnten ist ein besonderer Druck gewachsen. Der Druck geht dahin, dass es fast so etwas wie eine Verpflichtung gibt, etwas Besonderes zu sein. Wenn du nicht irgendwie etwas Besonderes bist, dann stehst Du schnell im Verdacht, unbedeutend zu sein.
    s gibt viele Gründe, warum das so ist. Sicher spielt das Internet dabei eine große Rolle. Wahrgenommen wird nur, was sich von anderen abhebt, etwas Besonderes, Herausragendes ist. Etwas Besonderes sein zu wollen oder zu sein, ist keineswegs schlecht. Aber der Druck, etwas Besonderes sein zu müssen, macht das Leben anstrengend.

2. Ignatius von Loyola – dem Herrn dienen

  • Ihr werdet für diese Fragen kein Rezept in der Bibel finden. Diese Schriften sind in völlig anderen Zeiten entstanden. Aber gerade die Distanz dieser Schriften macht es möglich, dass ich darin einen neuen Blick auf mein eigenes Leben und meine eigene Zeit finde. Deswegen konnten Menschen in ganz verschiedenen Jahrhunderten bis zur Gegenwart immer wieder ihr Leben dadurch neu ausrichten, dass sie sich der Herausforderung gestellt haben, das Wort Gottes aus der Bibel herauszuhören.
  • Ignatius von Loyola, den ich auch in den letzten beiden Gottesdiensten in den Vordergrund gestellt habe, hat selbst lange nach der Entstehung der Bibel gelebt. Er hat sicher mit unserer Zeit mehr gemeinsam, als mit der Entstehungszeit der heiligen Schriften. Deswegen kann er uns ein Übersetzer sein, wie wir auch die ignatianische Pädagogik an unserer Schule an seinen Erfahrungen ausgerichtet haben.
  • Ignatius hatte sich für Jesus begeistert. Von ihm hat er eine Lebenshaltung gelernt, die die eigene Bedeutung darin findet, dass ich für ein Ziel lebe. Dieses Ziel ist für Ignatius immer, dass er für andere da sein möchte. So hat er auch "Gehorsam" verstanden und gelebt. Er hat versucht, darauf zu hören, was Menschen zum Leben hilft. Und dann hat er versucht sich so gut wie möglich dafür zu qualifizieren, anderen zu helfen.

3. Freiheit zu mehr

  • Genau das ist die Grunderfahrung der Bibel. Etwas loslassen, um es zu besitzen. Frei werden, indem ich nach Gehorsam suche. Groß sein, indem ich mir für das kleinste nicht zu schade bin. Das Mehr (wir nehmen gerne das lateinische Wort für mehr: "magis") im weniger zu suchen.
  • Entscheidend für Ignatius war, dass das für ihn keine abstrakte Theorie geblieben ist. Er konnte vielmehr eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus aufbauen. In ihm hat er Gott erlebt, der alles ablegen konnte, was wir uns unter göttlicher Größe vorstellen, um ganz für uns Menschen da zu sein. Damit ist es Ignatius gelungen, seinen eigenen Kopf frei zu bekommen von all den Fantasien, die ihr ursprünglich hatte, was es bedeutet groß zu sein.
  • Für Christen hat dieser Gott, der uns dient, einen Namen und eine Biographie – Jesus Christus. Aber auch die Nichtchristen unter uns können versuchen diesen Gedanken für sich zu überprüfen. Der Druck auf das Leben bleibt: Sich anpassen müssen, etwas Besonderes sein müssen, wo ich doch nur ich selbst sein will. Aber wo ich für mich die Grundsatzentscheidung gefällt habe, dass ich mit meinem Leben für andere da sein will – dort gewinne ich Stück für Stück Freiheit gegenüber solchen Ansprüchen. Amen.