Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Weihnachten am Tag 2005

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25.12.2005 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Macht

  • An Weihnachten geht es um Macht. Das klingt zwar definitiv unromantisch, ist aber die Auskunft des Evangeliums vom Weihnachtstag, dem Prolog des Johannesevangeliums: "Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden."
  • Macht ist die Fähigkeit Realität zu verändern. Zumeist denken wir nur an Macht über andere Menschen. Die soziologische Definition von Max Weber lautete "Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen". Das ist schon eine eingeschränkte Perspektive. Denn wer ist danach mächtig? Der sogenannte mächtigste Mann der Welt, der US-Präsident, ist schnell weg vom Fenster, wenn es ihm und seinen Beratern nicht mehr gelingt den Ton zu treffen, den seine Anhänger wollen. Auch der Papst hat weniger Macht, als man denkt. Denn weder sind Bischöfe, Priester und Kirchenvolk so fügsam, wie sich das mancher wünscht, noch kann er beliebig schalten und walten, denn er hat eine Tradition, die ihn bindet.
  • Bedeutet Geld die wichtigste Macht? In der Tat verfügt kaum einer so viel über meine Zeit will Bill Gates, der jedesmal in meinen Terminplan eingreift, wenn Windows mal wieder abstürzt. Geld mag eine gewisse Macht verleihen. Je weiter oben aber einer steht, desto mehr ist er (und manches mal auch sie) eingebunden in Zwänge. Wahrhaft mächtig wäre nur jemand, der wirklich frei wäre, Realität zu verändern. Wer aber ist so frei?

2. Nicht nach eines Menschen Sinn

  • Die Macht, Kinder Gottes zu werden ist nicht wenig. Es ist sogar das höchste, was ein Mensch erreichen kann. An dem Projekt, wie Gott zu sein, sind Adam und Eva bereits gescheitert. Jetzt aber kommt einer, der Macht verleiht "Kinder Gottes zu werden" und zwar "allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind."
  • An Weihnachten wird der geboren, der diese Macht verleiht. Es ist das "Wort des Vaters", das "Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat", Jesus von Nazareth, der Christus. Zweifach bestimmt das Evangelium positiv, dreifach negativ, wem dieser Christus Macht verleiht, Kinder Gottes zu werden. Positiv sagt Johannes, müssen wir aus Gott geboren sein und an den Namen Jesu glauben. Negativ sagt er, dass wir nicht aus dem Willen des Fleisches nicht aus dem Blut und nicht aus dem Willen des Mannes geboren sein dürfen. Das Positive aber wie das abgrenzende Negative sind nur die beiden Kehrseiten einer Medaille.
  • Wahre Macht rührt aus der Annahme von Weihnachten. Denn dieses Fest bekennt den, der aus Gott geboren ist. Eine Jungfrau gebar ein Kind. In Windeln gewickelt wie jedes Menschenkind musste sie es in einen Viehtrog betten, weil sonst kein Platz für sie war. Dies Kind ist nicht nach dem Willen der menschlichen Strukturen geboren, nicht aus dem Blut der Kriege (im griechischen Text steht der Plural aímata, der am ehesten an Blutvergießen denken lässt) und auch nicht, weil einer der Männer dieser Welt beschlossen hätte, ein Kind zu zeugen. Es ist eine Geburt ganz und gar aus der Gnade Gottes. Daher wird in der Armseligkeit von Betlehem Gottes Herrlichkeit sichtbar.

3. Kinder Gottes zu sein

  • Der Sohn ist der einzige. Nur einer ist das "wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet", Christus. Weil aber dieses Licht erschienen ist, leuchtet es und erfüllt mit Licht. Dieses Licht verhilft dazu, Abhängigkeiten zu durchschauen, vor allem die Abhängigkeit, sein zu wollen wie die anderen. Da meint einer ganz frei zu sein und nach seinem Geschmack zu wählen, und tut nur das, was der aktuelle Trend vorschreibt oder der aktuelle Gegentrend.
  • Gott legitimiert keine Macht über andere Menschen. Die Macht der Kinder Gottes besteht nicht über andere und nicht darin, anderen den eigenen Willen aufzuzwingen. Die Macht Gottes ist es, ein Kind zu werden, mitten unter den Menschen. Die Macht Gottes ist es wehrlos zu sein, darauf angewiesen, Aufnahme zu finden. Die Macht der Kinder Gottes besteht einzig und allein darin, teilzuhaben, an dieser Ohnmacht Gottes. Alle, die dachten, ihn beherrschen und benützen zu können, ob die Herrschenden zu seiner Zeit oder in all den Jahrhunderten, alle mussten erfahren, das die Macht des Evangeliums stärker ist. Sie allein verändert tatsächlich etwas.
  • Diese Macht allein bedeutet Freiheit. Wer im Konzert der Mächtigen auf Erden mitspielen will, ist gefangen in diesem Spiel. Wer aber einmal entdeckt hat, wie viel Freiheit es bedeutet, nicht auf das Spiel von Anerkennung und Gefälligkeit angewiesen zu sein, wird ahnen, welche Macht Gott verleiht. Denn Gottes Willen zum höchsten Maßstab zu erwählen, bedeutet mehr Ich Selbst zu sein, mehr Mensch, mehr wahrhaft Kind. Deswegen beten wir das Kind in der Krippe an, denn in ihm begegnen wir Gottes Macht und Gottes Freiheit. Amen.