Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Hochfest Allerheiligen 2023

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1. November 2023 - St. Georg, Sinzig-Löhndorf

1. Halloween

  • Eine Umfrage bei Zeitgenossen, die unter 30 Jahre alt sind, würde anders ausfallen als eine hier, mit Menschen mehrheitlich über 60. Hier mag bekannt sein, dass am 1. November Allerheiligen ist. Junge Menschen kennen eher das Vorabendfest, Allerheiligen Abend, beim englischen Namen All Hallows‘ Eve (Evening) oder kurz: Halloween. Denn da ziehen allerorten Kinder in lustig-gruseligen Kostümen durch die Straßen und werden Partys gefeiert.
  • Meist hört man dann, das sei ein keltisch-heidnisches Fest, das das Christentum überdauert habe, aus Irland komme, von irischen Auswanderern in den USA populär gemacht worden und von dort in den letzten zwanzig Jahren zu uns gekommen. Stimmt fast. Irland stimmt, USA stimmt. Aber keltisch-heidnisch? Das wurde zwar oft behauptet, gestern noch in einer größeren Frankfurter Tageszeitung. Aber es stimmt ziemlich sicher nicht. Es werden immer nur unbewiesene Behauptungen wiederholt, das allerdings seit langem.
  • Ja, es ist richtig, dass es bei irischen Katholiken (und nicht nur dort) allerlei Bräuche gab und gibt, die sich um die christlichen Hochfeste ranken. Aber dass diese Bräuche heidnisch seien, wird erst in der Aufklärungszeit behauptet, also vor rund 250 Jahren – hier zudem von sich aufgeklärt-gebildet fühlenden Engländern, die auf das kolonialisierte katholische Irland herabschauen. Die Aufklärer meinten den Glauben von allem reinigen zu müssen, was sie nicht verstanden. Und wenig später im 19. Jahrhundert meinten Iren stolz und trotzig verkünden zu müssen, dass das alles ganz und gar irisch-keltisch sei, aus vorchristlichen Zeiten. Dafür gab es zwar immer nur viele Theorien und nie Beweise, aber es fühlte sich gut an für irische Nationalisten.

2. Dem Dunkel wehren

  • Kein Land in Europa war so früh so christlich wie Irland. Von Irland und Schottland aus wurde nach dem Zusammenbruch des westlichen Teils des römischen Reiches das Christentum auf unserem Kontinent erst so eigentlich begründet. Mönchen von dort verdanken wir viel. Ich habe also guten Grund davon auszugehen, dass die Bräuche irischer Christen christlich sind.
  • Deswegen bin ich sehr skeptisch, wenn selbsternannte Aufklärer den gelebten Glauben meinen von Heidentum zu säubern, wenn sie damit dem heidnischen Nationalismus der nächsten Generation den Boden bereiten, der so viel Unglück und Zerstörung gebracht hat, wie es religiöser Wahn nie vermochte. Dagegen ist vielleicht das, was da hochnäsig als heidnisch verunglimpft wurde, eine Form, den Glauben an Christus sinnlich erfahrbar und erlebbar zu machen.
  • Die heute zur Gartenzier aufgestellten beleuchteten Kürbisse sind in der Tat alter irischer Brauch. Kürbisse wurden es erst bei den Iren in den USA. In Irland waren es noch Rüben, die ausgehöhlt und geschnitzt in der Allerheiligen-Nacht getragen wurde. Licht in der Nacht.

3. Gemeinschaft der Heiligen

  • Licht ist für jeden Christen Christus selbst. Nicht der Tod hat ihn besiegt, er hat den Tod überwunden. Nicht die Ungeister dieser Welt haben die Oberhand. Sie werden von ihm unterworfen. Die Fratzen, die in die Rüben geschnitzt werden, müssen dem Licht dienen, das durch sie hindurch leuchtet und uns Menschen in unsicherer Zeit den Weg weist. In der Jahreszeit, in der die Welt in den Winter hinein stirbt, leuchtet uns ein Licht.
  • Das Allerheiligenfest ist in der Kirche des Ostens und des Westens schon bis in die Spätantike zurückzuverfolgen. Es wurde im Umfeld der Osterzeit gefeiert, als die Zahl der Heilgen, die als Zeugen des Glaubens verehrt werden, so groß geworden war, dass nicht mehr jeder von ihnen einen eigenen Festtag haben konnte. Nur bei uns im Westen wurde der Termin später auf den 1. November verlegt. Seitdem bezeugt das Glaubenslicht an der Schwelle zum Winter die christliche Zuversicht. Es ist gut bezeugt, dass diese Verlegung geholfen hat, bei heidnischen Europäern seit dem Frühmittelalter den Glauben zu verkünden. Dank den irischen Christen.
  • Der Glaube bewährt sich im Angesicht des Todes. Daher passt es, das wir am heutigen Tag zugleich unserer Toten gedenken, wie der vielen, die ihr Leben eingesetzt haben im Vertrauen auf Christus. Unsere Toten sind beileibe nicht alle friedlich in hohem Alter entschlafen. Der Schrecken von Gewalt und Tod ist uns bewusst. Wir sollten daher nicht nur ein Licht aufstellen, das ihnen leuchtet, sondern Gott bitten, dass er uns auch das andere gibt: Menschen, die durch ihren gelebten Glauben die Zuversicht stärken, dass diese Welt nicht nur die Fratze des Bösen kennt, sondern das Licht stärker ist, das alles ins Leben ruft.