Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 9. Sonntag im Lesejahr A 2005 (Matthäus)

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29. Mai 2005 - Universitätsgottesdienst Frankfurt/Main

1. Freie Partnerschaft

  • Gott ist partnerschaftlich. Der Ausdruck kommt natürlich in der Bibel nicht vor. Wir können ihn auch gleich wieder fallen lassen. Aber der Ausdruck hilft, besser zu verstehen, wie Gott sich in der Heiligen Schrift offenbart: partnerschaftlich.
  • Ist Gott Geschäftspartner oder Lebenspartner? Ganz sicher geht es nicht um Lebensabschnittspartnerschaft. Viel zu deutlich betont die Bibel Gottes Treue. Sie umfasst das ganze Leben - und weit darüber hinaus. Die Partnerschaft Gottes hat aber zwei Aspekte: Es ist eine Partnerschaft der Liebe und es ist eine Partnerschaft des Bundes. Nicht gerade Geschäftspartner sollte man das nennen. Wohl aber schließt Gott mit seinem Volk einen Bund, er ist Bündnispartner seines Volkes. In diesem Bund, die Bibel betont es, ist Gott treu und gerecht.
  • Das bedeutet: Gott nimmt uns Menschen ernst. Zwar hat er jedem Menschen Leben geschenkt und jeder kann Gott vielfältig erfahren. Jedem hat Gott ein Gewissen gegeben und jeder Mensch ist berufen, diesem Gewissen zu folgen. Was hingegen die Bibel bezeugt - und weswegen wir zusammen sind - geht darüber hinaus. Wir glauben, dass Gott mit seinem Volk - und in Taufe und Abendmahl mit uns - einen Bund eingegangen ist. Als freie und ernst zu nehmende Menschen sollen wir Bundespartner Gottes sein. Auf diesem Weg will Gott alle Menschen wissen lassen, wer unser Schöpfer ist, damit wir nicht durch falsche Gottesbilder versklavt werden, sondern als freie Menschen das Leben finden.

2. Mehr als nur Wort und Vertrag

  • Drei Lesungen sprechen heute von diesem Thema. Das Buch Deuteronomium bietet das Wort Gottes dem Volk an. Ein Segen, wer danach lebt, welch Schaden und Fluch, wer sich jetzt noch anderen Göttern zuwendet. Angesichts der Alternative sollte die Wahl nicht schwerfallen: die Gesetze und Rechtsvorschriften des Bundes sind dazu da, dass das Volk in Gerechtigkeit und Frieden leben kann. Gott aber ist nicht der Tyrann, der das Gesetz den Menschen überstülpt. Gott bietet den Bund an, partnerschaftlich.
  • Jetzt ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart worden, bezeugt vom Gesetz und von den Propheten: die Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben. Dieser Satz aus dem Römerbrief gehört sicher zu den schwierigsten im Neuen Testament. Generationen von Theologen haben sich daran abgemüht. Das bedeutet aber nicht, dass er für Normalchristen bedeutungslos wäre. Vielmehr geht es um die Frage unserer Beziehung zu Gott. Unserer - im Plural, aber auch meiner, deiner Beziehung zu Gott im Singular.
  • Paulus ist überzeugt, dass Gott einen gewaltigen Schritt weiter gegangen ist. Der Alte Bund, Gesetz und Propheten, gilt uneingeschränkt. Er gilt für das Volk Israel. Aber wenn wir begreifen, dass in Jesus Christus Gott selbst Leben und Kreuz auf sich genommen hat, dann ist dies mehr und geht darüber hinaus. Es betrifft nicht nur die Juden, die Gott als sein Volk auserwählt hat, sondern betrifft jeden Menschen. Der Neue Bund ist mehr, denn Gott bietet seine Partnerschaft jedem Menschen an. Die Partnerschaft ist mehr als nur Wort und Vertragstext. Es ist tätige Liebe. Gott tut und handelt.

3. Mehr als Gerechtigkeit: Liebe

  • Die Erfüllung des Bundes liegt nicht im Lippenbekenntnis, Herr, Herr! Gott erweist sich vielmehr als gerechter Partner, weil er nicht nur selbst handelt, sondern auch uns ermöglicht, über das Bekenntnis hinaus zu handeln. Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt. Der Himmel wird uns nicht verordnet. Der Himmel wird uns geöffnet, indem wir tun, was Gerechtigkeit ist. Gott schenkt uns von seiner Gerechtigkeit, indem er uns Menschen hilft, Gerechtigkeit zu leben, Gottes Gerechtigkeit.
  • Die Liebe und Gerechtigkeit Gottes liegt mehr im Tun als im Sagen. Das Bekenntnis ist nicht genug. Das vollmundige Bekenntnis kann zum Blendwerk geworden sein. Kann, muss aber nicht. Denn der Gottesdienst, in dem wir Gott als "Kyrios!", "Herr!", anrufen, soll ja das Tun nicht ersetzen, sondern ermöglichen. Das Glaubensbekenntnis ist nicht das Ziel. Aber es ist Gottes großartiges Geschenk, dass er sich offenbart hat, weil wir damit wissen, dass Gott zuerst gehandelt hat. Weil wir dadurch erleben, dass Gott uns zusammengeführt hat. Weil wir dadurch die Hilfe erfahren, die es uns - mal mehr, mal weniger, möglich macht, die Liebe zu leben, die Jesus uns als Gebot des himmlischen Vaters offenbart hat.
  • Der Glaube ist mehr als ein Bekenntnis. Er ist gelebte Partnerschaft mit Gott. Der Glaube ist mehr als nur Worte. Er ist die Lebensform, in der Mitte der Schwestern und Brüder: des Volkes Israel, der Gemeinschaft aller Getauften in den vielen Kirchen und der konkreten Gemeinschaft, in der uns Christus begegnet: nicht nur in seinem Wort, sondern in dem Geschenk seiner Gegenwart, im Sakrament des Brotes. Amen.