Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest des Hl. Ignatius von Loyola 1996

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Sonntag, 4. August 1996 - Ignatiuswallfahrt Wingerode/Eichsfeld

1. Bewegung

  • Fast alle Wörter, mit denen wir in unserer Sprache von Bewegung sprechen, gebrauchen wir auch in übertragener Bedeutung: Weitergehen, stehenbleiben, zurückbleiben, aufbrechen ...
  • In der Wallfahrt hat die Bewegung selbst eine übertragene Bedeutung gewonnen: Bei der Wallfahrt bewegen wir uns, damit unser ganzes Leben sich bewegt.
  • Das Eigentümliche ist: selbst wenn wir uns nicht bewegen, selbst wenn wir am Ort festhalten, kommt die Bewegung über uns: Wie viele müssen täglich viele Kilometer zur Arbeit fahren, nur damit sie nicht aus ihrem Heimatdorf wegziehen müssen. Wir bewegen uns, um bleiben und das Alte festhalten zu können.

2. Der Pilger Ignatius

  • Die Zeit, in der der Hl. Ignatius am meisten für die Kirche getan hat, ist er am Schreibtisch gesessen.
    Das ist merkwürdig genug: Ignatius hat sich selbst nämlich als Pilger gesehen. Die Freunde, mit denen zusammen er angefangen hat, Gott neu zu entdecken sind unermüdlich, geradezu getrieben, durch die Welt gezogen, von einem Ort zum andern. Sein bester Freund, der Hl. Franz Xaver hat sogar keine Ruhe gegeben, bevor er nicht Indien, Japan und China besucht hat.
    Wenn wir etwas von Ignatius wissen und lernen wollen, müssen wir daher den Pilger Ignatius sehen. Der Mann, der am Schreibtisch sitzend die Welt bewegt hat, war selbst in sich ein Pilger, stets in Bewegung. Das hat einen Ausgangspunkt, ein Ziel und hat Voraussetzungen.
  • Es war eine Kanonenkugel, die den Pilgerweg in Gang gesetzt hat. Durch eine schwere Verletzung auf das Krankenlager gestreckt, wird Ignatius gezwungen, sein Leben neu zu denken, zu finden und zu erfahren. Der Weg des Ignatius begann nicht aus Plänen und nicht aus Entschlüssen, sondern, weil ihm etwas passiert ist, das ihm alle Pläne zunichte machte. Der Pilgerweg zu Gott fängt mit den Niederlagen an, die wir nicht geplant und uns nicht ausgesucht haben.
  • Dennoch hat der Pilger Pläne: große Pläne und Visionen, größer als sie das Herz fassen kann. Die völlige Niederlage wird zum Ausgangspunkt das immer Größere zu suchen. Gerade weil Ignatius erst einmal alles verloren hatte, was ihm seine bisherige Karriere sichern sollte, konnte er neu anfangen und reinen Tisch machen. Gerade hier aber greift das Absolute. Beim Pilgern können wir zwar immer nur Schritt für Schritt gehen, aber der Pilgerer hat die Augen gerade nicht nur auf den jeweils nächsten Schritt geheftet, sondern gibt sich für sein Leben mit nichts als dem Höchsten zufrieden: Gott.
  • Voraussetzung für das Pilgern zum großen Ziel ist das"Unterscheiden können" im konkreten Leben. Die Gabe der Unterscheidung ist das, was den Schwärmer zum Pilger macht.
    Da ist zunächst die wichtige Unterscheidung: Welche Dinge sind veränderbar und welche sind unveränderbar? Von welchem Ausgangspunkt komme ich her. Nicht jedem ist das Alte so nachhaltig abgeschnitten wie dem Ignatius auf dem Krankenbett, dass er ganz von vorne beginnen können. Dort, wo ich Verantwortlichkeiten eingegangen bin, muss ich diese auch berücksichtigen. Aber auch auf dem Weg des Pilgers steht immer die Unterscheidung von dem was ich verändern kann (und soll) und dem, was ich nicht verändern kann (und mich daher auch nicht daran verschleißen soll)
    Die zweite Frage heißt: Was ist nur ein Mittel und was ist ein Ziel? Wenn ich diese Frage nicht jeweils beantworten kann, bleibt die Pilgerreise des Lebens auf halber Strecke stecken. So wichtig es ist, in Etappen zu denken, so mühsam es ist, sich Mittel zum Leben bereitzulegen. Wenn ich die Ausbildung, das Studium, den Broterwerb etc. mit dem Ziel des Lebens verwechsle, darf ich mich nicht wundern, wenn ich eines Tages entdecken muss wie fade alles ist. Gott als Ziel zu setzen heißt alles unter den faszinierend-unerbittlichen Maßstab des jeweils Größeren zu sehen.
    Der Schreibtisch-Pilger Ignatius konnte für die Mittel, die er anwandte aus seiner eigenen Erfahrung lernen (Jerusalem, Studium, Inquisition, Freunde, Schiff nach Jerusalem, Satzungen [z.B. Armutsrecht]); sein Ziel aber war immer, Gottes größere Ehre und damit ein Würde der Welt, die jeder Verzweckung enthoben ist.

3. Als Pilger leben

  • Die Jünger im Evangelium gehen und sehen wo Jesus wohnt und bleiben dort eine Weile
  • Das Leben des Ignatius kann eine Übersetzung dieses Evangeliums für uns sein: Wie wir im Blick auf unser Leben (incl. Niederlagen) den Weg zu Jesus beginnen. Wie wir uns von Jesus öffnen lassen für das je größere. Wie wir lernen, die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, daraus lernen, indem wir das Ziel vor Augen halten: den je größeren Gott, die größere Liebe und den größeren Dienst.