Predigt zum 2. Weihnachtsfeiertag/Stephanus 1989
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26.12.1989 - St. Evergislus Bonn Bad-Godesberg
1. Ein un-weihnachtliches Thema
- Manchmal geht es mir so, dass ich eben erst eine Lesung gehört habe, aber schon nicht mehr weiß, was da gelesen wurde. Wenn Sie eben die Lesung und das Evangelium aufmerksam gehört haben, haben Sie einen berechtigten Anlass zum Protest: Gestern war Weihnachten, das Fest der Freude und der Familie, und heute, grad 24 Stunden später, sieht dieses Lektionar Texte vor, die von Tod und Hass reden, von dem blutigen Ritual einer Steinigung - das ist kein weihnachtlicher Gedanke.
- In der Lesung wurde von Stephanus berichtet, er blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen. Das ist der Satz, von dem aus wir das heutige Fest verstehen können und der auch einen Zusammenhang zu Weihnachten zeigt.
Jesus zur Rechten Gottes, das meint kein intimes innergöttliches tét-a-tét, an das wir uns gewöhnen könnten. Dieser Satz drückt in der Sprache der Schrift aus, was wir im Credo bekennen: Jesus Christus, das menschgewordene Wort Gottes, wahrer Mensch und wahrer Gott. In Jesus ist ein Mensch - wahrer Mensch - ganz nahe bei Gott, in Gott, Gott.
Weihnachten ist der Startschuss zur menschlichen Geschichte Gottes. In dem kleinen, wimmernden, ärmlichen Kind in der Krippe ( - Wir haben das Christkind in unserer Krippe in einer Flüchtlings-Turnhalle dargestellt, weil dies uns die Ärmlichkeit dieser Geburt vor Augen stellt - ), in diesem Kind beginnt eine menschliche Geschichte. Die Geschichte eines Menschen, in dem Gott für die Menschen gegenwärtig wird. Die Geschichte eines Menschen, der Anstoß erregt hat, der angefeindet wurde, der verurteilt wurde, der gekreuzigt wurde, zu Tode gemartert.
- Diese Geschichte beginnt an Weihnachten.
Dass diese Geschichte eines Menschen die Geschichte Gottes bei uns ist, dass in diesem Menschen Gott selbst für die Welt gegenwärtig wurde, dass alles, was Jesus gesagt und getan hat seine Gültigkeit behält, das bezeugt uns die Auferweckung.
Jesus, der gelebt und gelitten hat, ist die unwiderrufliche Nähe Gottes zu uns. Nähe - in der Krippe an Weihnachten und im Kreuz am Karfreitag. Unwiderruflich - in der Bestätigung der Auferstehung in der Osternacht.
2. Das Zeugnis des Stephanus
- Sie können dem Lektor dankbar sein, dass er Ihnen den Auftritt des Stephanus vor dem Hohen Rat stark gekürzt wiedergegeben hat. In der Apostelgeschichte berichtet Lukas in einem langen 7. Kapitel ausführlich von der Rede, die Stephanus gehalten hat.
Ich glaube, ohne diese Rede ist nicht zu verstehen, warum die Richter des Stephanus so reagieren: lautes Geschrei erheben - sich die Ohren zuhalten - mit Steinen werfen.
Ich werde Ihnen jetzt nicht das ganze 7. Kapitel der Apostelgeschichte vorlesen - obwohl es sich lohnen würde.
Stephanus holt weit aus. Seine Rede ist eine Anklagerede.
- Er beginnt bei Abraham, dem Vater des Glaubens. Abraham hat zugehört und ist aufgebrochen. Abraham brach auf in das neue Land. Aber, so betont Stephanus: Gott hat ihm darin keinen Erbteil gegeben, auch keinen Fußbreit, doch hat er verheißen, das Land ihm und seinen Nachkommen zum Besitz zu geben. Am Anfang steht der Aufbruch ins Ungewisse.
- Dann erzählt Stephanus die Geschichte über Isaak und Jakob bis zu Josef, der nach Ägypten verkauft wurde und durch den heimtückischen Verkauf durch seine Brüder seine ganze Familie retten konnte.
- Dann Mose. Ausführlich erzählt Stephanus seine Geschichte. Wie er von Gott als Werkzeug ausersehen wird - und ihn das Volk doch nicht als Führer akzeptiert. Stephanus erzählt vom Dornbusch. Und er berichtet von der Rettung Israels aus Ägypten. Aber das Volk tanzte lieber um das goldene Kalb als Gott, seinen Retter zu danken.
- Stephanus berichtet von David und Salomo. Und hier steht wieder ein Satz, aus dem hervorgeht, worauf es Stephanus bei diesem heilsgeschichtlichen Rückblick ankommt: Salomo baute Gott ein Haus. Doch der Höchste wohnte nicht in dem, was von Menschenhand gemacht ist, wie der Prophet sagt: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße. Was für ein Haus könnt ihr mir bauen?, spricht der Herr. Hat nicht meine Hand dies alles gemacht?
- Das Haus Gottes unter den Menschen hat sich Gott selbst gebaut. Nicht ein prächtiger Tempel, sondern ein kleines wehrloses Kind. Ein einfacher Zimmermann, der durch das Land zieht und die Botschaft von Gott verkündet.
Dass Gott sich darin kundtut, das erzürnt die Hohenpriester. Dass Stephanus ihnen vorhält: Der, in dem sich Gott den Menschen ganz zugesagt hat, den habt ihr getötet, das mögen sie nicht hören, deswegen halten sie sich die Ohren zu und deswegen steinigen sie ihn.
3. Hinter Weihnachten geht Gott nicht zurück
- Weihnachten ist die endgültige Zusage Gottes. Gott wird Mensch mitten unter uns. In Jesus Christus begegnen wir leib-haft Gott selbst. Und die Auferstehung ist das Siegel Gottes, die Bekräftigung: Ich bin und bleibe bei euch: im Leben der Gemeinde, im Zeugnis der Schrift, im Brechen des Brotes, in der Feier der Sakramente.
- Stephanus sieht den Himmel offen und Jesus zur Rechten Gottes. - Durch Jesus Christus sind wir zu einem priesterlichen Volk geworden, für das der Himmel offen steht. Wir haben einen Zugang zum Vater. Im Blick auf das Kind in der Krippe sind wir Gott näher als es alle Propheten und Seher des Alten Testaments je waren.
In ihm ist Gott bleibend gegenwärtig.
- Nachdem Gott selbst als Mensch geboren wurde, ist seine Gegenwart unwiderruflich. Das ist der Grund dafür, warum wir kein Risiko eingehen, wenn wir es mit unserem Leben unternehmen, ihn zu bezeugen.
Dieses Zeugnis kann ganz unterschiedliche Formen annehmen. Für mich ist es hier das Zeugnis in der Predigt. In der Familie kann dies ein Gespräch oder ein gemeinsames Gebet sein. Am Arbeitsplatz, am Ausbildungsplatz, im Studium oder in der Schule kann dies die tägliche Praxis der Nächstenliebe sein. Für einen Kranken und Leidenden kann dies eine von Gott geschenkte Zuversicht und Liebe zum Leben sein. Für Stephanus war es das Martyrium.
Nachdem Gott selbst als Mensch geboren wurde, ist seine Gegenwart unwiderruflich. Wir können getrost auf die Karte Gott setzen, weil er nicht nur alle Trümpfe in der Hand hat, sondern diese ausgespielt und so gewonnen hat. Für uns Menschen und zu unserem Heil. Amen.