Predigt zum 24. Sonntag im Lesejahr B 2009 (Markus)
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13. September 2009 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
Dies ist keine Empfehlung
des Films. Es ist eine Therapie. Lars von Triers "Antichtist"
(2009) ist eine Zumutung! |
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1. Christ und Antichrist
- Petrus hat recht. Wir sollten endlich den Mut zusammenbringen, das zuzugeben.
Petrus hat recht, wenn er Jesus Vorwürfe macht wegen dessen Todesphantasien,
er "müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern
und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet".
- Mit seiner Kritik an Jesus hat Petrus recht vor dem Forum der Vernunft,
der Menschlichkeit, des gesunden Verstandes und all dessen, was selbstverständlich
ist. Nur, vielleicht hat nicht nur unter Christen niemand den Mut, das zu
sagen, weil doch Jesus der Held ist, der Christus - auch für Petrus!
- und Jesus ihn zusammenstaucht: "Weg mit dir, Satan, geh mir aus den
Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen
wollen." Hören Sie es? In seiner Zurechtweisung Petri gibt Jesus
selbst zu, dass Petrus die Stimme ist, die für die Menschen spricht.
- Wer also ist hier der Christus, der gesalbte Retter der Menschen, und wer
der Antichristus? Wer ist der Menschensohn und wer der Sohn eines unverständlichen-unverständigen
Gottes, dessen unabänderlicher Befehl dazu führt, dass der Zimmermannssohn
"vieles erleiden" und "getötet" werden muss? Das kann
doch von nichts erlösen! Wir brauchen Verständnis, Wärme, gesundes
Denken, um Lösungen für unsere Probleme zu bekommen. Beziehungen
gelingen, wenn die Partner verständnisvoll aufeinander eingehen, in der
Beziehung sich selbst verwirklichen und guten Sex mit einander haben. Das
ist die Erlösung, und wer dem widerspricht ist der Anti-Christus. - Zumindest
sagt all das der common sense, an dem wir alle mit einander mehr
teilhaben, als wir es uns eingestehen. Das muss vielleicht so deutlich gesagt
werden, damit wir auch nur ansatzweise ahnen, wie quer Jesus zu all dem liegt,
was wir für gut und richtig halten - und Petrus mit uns.
2. Unheil und Heil
- Die eigene Lebenserfahrung bestätigt uns, dass nicht alles heil ist.
Wir mögen gut durch den Alltag kommen. Wir mögen erfolgreich sein.
Wir mögen gute Freunde haben und Menschen, die uns lieben. Doch selbst
dann stoßen wir immer wieder auf Abgründe in uns selbst, die wir
nur mühsam verdecken. Es gibt keine einfache Flucht daraus.
- Die Erfahrung bestätigt es:
- Die Geschichte kennt Katastrophen, auch und gerade dort, wo sich die
Menschheit auf dem Höhepunkt der Aufklärung und des Fortschritts
dünkt. Die Hexenverbrennungen sind kein Phänomen des angeblich
so düsteren Mittelalters; sie begleiten vielmehr unseren Teil Europas
just seit dem Beginn der Neuzeit.
- Und auch die Flucht in die Natur und Natürlichkeit ist in sich
kein gangbarer Weg, weil er ausklammern muss, dass die Natur nach brutalen
Gesetzen funktioniert. Die Brutalität der Rassenvernichtung beginnt
auch in der Naturromantik.
- Der Weg, den das Evangelium geht, ist daher der Weg zu dem Ort, an dem wir
nicht mehr selbst im Mittelpunkt stehen, weder mit unseren Erfolgen, noch
als biologische Menschen. Es ist paradox: Wir müssen lernen uns zu verlieren,
um das Leben zu gewinnen. Es ist letztlich das Paradox der echten Liebe. Deswegen
hat das heilbringende sich-verlieren ein Gegenüber: "Denn wer sein
Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen
und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten."
3. Nachfolge
- Petrus muss lernen, welchen Weg er gehen muss, um zu seiner Berufung zu
finden. Dieser Weg beginnt im Kopf. Petrus macht Jesus Vorhaltungen, weil
dieser sich nach Jerusalem wendet, wo er gegen die festgefügten Strukturen
nur verlieren kann. Das findet bezeichnenderweise in der Kaiserstadt Cäsarea
Philippi statt, die für den Erfolgsweg des Römerreiches steht. Jerusalem
aber steht für den Weg Gottes. Weil Petrus dies durcheinanderwirft schilt
ihn Jesus einen Satan.
- "Jesus wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit
den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen!" Diese
Übersetzung ist zwar korrekt, aber verdeckt einen wichtigen Punkt. Wörtlich
nämlich sagt Jesus: "Geh fort, hinter mich!". Also: Verlass
deinen Standpunkt und schließ dich mir an! Petrus und die Jünger,
für die er spricht, sollen nicht ortlos der herrschenden Logik ausgeliefert
sein, sondern sich Jesus anschließen. Ihn hatten sie doch eben erst
als den Christus bekannt.
- Glauben bedeutet, sich ganz Gott anzuschließen. Jesus, dem Christus,
nachzufolgen, bedeutet nicht, einem Menschen nachzulaufen. Glauben ist die
Freiheit von den Denkmechanismen der Konkurrenz und Macht, indem ich im Vertrauen
auf Gott Anteil habe an Gottes Macht, die es nicht nötig hat, sich vor
den Menschen zu beweisen. Deswegen steht Gottes Denken dem des natürlichen
Menschen so radikal entgegen. Nach menschlichem Ermessen ist es vernünftig
und klug, zu denken wie Petrus. Es ist ein auf Sicherheit bedachtes Denken
- und zerbricht immer wieder an sich selbst, solange es an sich selbst gebunden
bleibt. Das Heilsame der Nachfolge Jesu ist, dass wir die Klugheit dieser
Welt nicht aufgeben müssen, nur ihre Waffen. Der Gekreuzigte ist wehrlos,
aber dennoch der Sieger. Der Tod hat keine Macht über ihn. Amen.