Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Pfingstmontag Lesejahr B 2015 (Lukas)

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25. Mai 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Jubelruf

  • Am vergangenen Mittwoch saß ich nach einer Veranstaltung beim Essen einem Mann gegenüber, der mir im Laufe des Abends von einem Bekannten erzählte. Dieser sei evangelisch gewesen, habe dann aber den Weg der Orthodoxie für sich gefunden. Nach Jahren habe er ihn wieder gesehen, als er ihn in einem Bergkloster in Griechenland besuchte. Und da habe er an dem Verstand dieses Bekannten gezweifelt, den er zuvor doch als ganz vernünftigen Menschen kennen gelernt hatte. Nun aber habe dieser allen Ernstes bei einem Besuch in der Klosterkirche behauptet, hier, vor den Ikonostasen, den Heiligenbildern, sei ernsthaft und wahrhaftig nicht weniger als der Himmel. - Ich glaube, mein Gegenüber erzählte das, in der festen Erwartung, dass auch ich einen solchen Menschen für wenig vernünftig erklären würde.
  • "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen." Dieses Wort Jesu richtet sich kaum gegen bestimmte Menschen; schon gar nicht bedeutet es, dass "all das" aktiv vor den einen verborgen würde um es - in einem zweiten Akt - den "Unmündigen" zu offenbaren. Vielmehr ist "all das" von einer Art, dass es nur auf die einfachste, elementarste Weise erfasst werden kann.
  • Dieses Evangelium wird heute, am zweiten Feiertag des Pfingstfestes gelesen, weil es einleitend heißt, Jesus habe dies ausgerufen "vom Heiligen Geist erfüllt".
    Es ist ein Jubelruf Jesu und ein Dank. Jesus selbst ist mit Freude erfüllt und will, dass seine Jünger, die er ausgesandt hatte, von dieser Freude angesteckt sind. Es ist die überwältigende Erfahrung des Menschen Jesus von Nazareth ganz von Gott, seinem Vater, als "der Sohn" angenommen und geliebt zu sein. Vor uns Menschen offenbar wird das, als Jesus seine Jünger sendet, diese Botschaft zu den Menschen zu tragen. Und die Jünger haben die Erfahrung gemacht, dass vor allem die ganz einfachen Menschen, die Menschen mit 'reinem Herzen' (Mt 5,8) begreifen und verstehen.

2. Klugheit vs. Unmündigkeit

  • Damals wollten die "Weisen und Klugen" noch Weisheit und Klugheit erwerben. Heute geht es meist ohnehin nur um technisches, verwertbares, bewertbares Wissen, bestenfalls um gefälliges, gut im Ohr klingendes Wissen. Vor allem passt der Ausdruck "Weise und Kluge" zu dem, was wir heute 'Herrschaftswissen', jenes Wissen, das für Führungspositionen qualifiziert.
    Dagegen meint Jesus mit der Formulierung wohl mit "Weise und Kluge" die heute rar gewordene Spezies Mensch, deren höchstes Ziel es ist, Gott zu erkennen, den Urgrund des Seins zu verstehen und den Sinn des Universums zu begreifen.
  • Ihnen, sagt Jesus, bleibt "all das" verborgen. Auf ihrem Weg enthüllen sich nur die vorläufigen Welträtsel. Mit ihrem Wissen lassen sich Talkshows bestreiten und auch Konzerne führen. Doch der "Herr des Himmels und der Erde" ist von allem auf solche Art Wissbarem so grundlegend verschieden, wie das Licht der Sonne sich nicht mit dem Tastsinn einer Hand umfassen lässt, auch wenn diese meint ihre Strahlen doch zu spüren.
  • Jesus jubelt und preist Gott, weil er das Heil "den Unmündigen offenbart" hat. Das Wort verweist auf Menschen, die von anderen abhängig gehalten werden; andere haben ihnen bislang vorgeschrieben, was sie zu denken und zu tun haben. Unmündig in dem Sinn sind nicht nur Kinder, die noch keine Bildung genossen haben; unmündig werden vielmehr Menschen gehalten, wenn andere als 'Vormund' die Macht über sie haben. Weises und kluges Weltwissen ist bei dem, was es hier zu wissen gibt, ein Hindernis, die Abhängigkeit eines Unmündigen hingegen macht hellwach für Gottes Heiligen Geist.

3. Der Sohn

  • "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast."; es wird Zeit zu fragen, was mit "all das" gemeint ist.
    Was da geschehen ist, wovon die Jünger berichtet hatten und was Jesus zum Jubeln bringt, ist eine Weise der machtvollen Gegenwart Gottes, die jedem verborgen bleibt, der in seinen Kategorien von Oben und Unten gefangen ist, und das sich denen enthüllt, die bei den anderen als unmündig gelten. Die einen haben Vorstellungen davon, wie Gott ist und woran man Gottes Macht erkennt - und sehen mit ihrer Brille nichts. Die anderen hören die Botschaft und verstehen, dass sich hier alles machtvoll verändert.
  • Jesus ist ganz erfüllt von der Erfahrung dieser Größe Gottes - und nennt ihn dennoch ganz intim seinen Vater, in Jesu Muttersprache Aramäisch: "Abba". Seine Jünger lädt er ein, sich von Gott annehmen zu und sich von ihm in diese intime Beziehung zu Gott hinein nehmen zu lassen. Die Erkenntnis Gottes ist nicht gebunden an Stellung und Wissen, sondern einzig daran, mit Jesus vertraut zu werden: "Niemand kennt den Vater, außer dem Sohn und denen, welchen der Sohn es offenbaren will."
  • Die Ikone in der orthodoxen Kirche ist nur ein Bild. Das Wort der Bibel, das wir gehört haben, ist nur die Mischung aus Vokabeln und Grammatik. Das Brot, das wir zum Altar bringen, ist nur ein wenig Mehl und Wasser. Wer sich für klug hält, wird sich an solcher Erkenntnis nicht rütteln lassen. Es gibt sie aber, die Unmündigen, deren Platz eigentlich klar sein sollte, die aufspringen und ein Fest feiern, die gegen allen Augenschein in dem Brot, das sie mit einander brechen, den Leib Christi erkennen und in dem Gottedienst, den sie miteinander feiern, den Himmel Gottes erfahren.
    Ich kenne den Mann nicht, von dem mir erzählt wurde, dass er allen Ernstes behauptet hat, dort, wo er vor den Bildern des Heiligen steht, sei der Himmel. Ich ahne aber, dass dieser zu denen gehören könnte, die Jesus meint, den Unmündigen, denen Gott seine Herrlichkeit offenbart hat.