Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Pfingstmontag Lesejahr B 2012 (Lukas)

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28. Mai 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Revolution

  • Jesus ist voll Jubel über ungleiche Bildungschancen. "Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen und wollten hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört." Dabei wäre es das Berufskennzeichen eines Propheten, Dinge zu sehen, die andere noch gar nicht sehen und für möglich halten. Und auch Könige hätten - wie die Herrscher aller Zeiten - jede Möglichkeit, sich umfassend beraten zu lassen und zu informieren. Aber viele von ihnen haben das Entscheidende nicht gesehen und nicht gehört.
  • Was gibt es da zu hören oder zu sehen? Nichts weniger, als eine Revolution. Könige würden es gerne vorweg sehen, um ihre Truppen dagegen aufmarschieren zu lassen. Propheten würden es gerne sehen, weil es doch ihre Aufgabe ist, die Realität tiefer zu verstehen und früher als andere zu wissen, was kommt.
  • Jesus aber ruft es "vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus". Durch den Heiligen Geist ganz von Gottes Gegenwart erfüllt, kann er nicht anders als rufen und jubeln über die Revolution, die da geschieht. Es ist ein jubelndes Gebet.

2. Himmelskönig

  • "Vater, Herr des Himmels und der Erde". Uns ist diese Formel so geläufig, dass wir fast überhören, was Jesus hier sagt.
  • Gott ist über allen Königen und Regenten der Herr über den ganzen Kosmos, der König "des Himmels und der Erde". Schon der Versuch, sich die Größe dessen vorzustellen, der absolut alles, was es gibt erschaffen hat, macht unseren Kopf schwirren. Unsere Phantasie reicht so weit, uns Herrscher über Großreiche auf Erden vorzustellen, vielleicht sogar in Science-Fiction Herrscher über Galaxien. Aber das ist alles nichts, weil diese Herrscher kommen und gehen, und weil sie die Bereiche, über die sie herrschen, nicht gemacht, sondern sie sich nur unter den Nagel gerissen haben. Gott aber ist größer als all diese Herrscher.
  • Diesen Gott nennt Jesus seinen Vater. In seinen Gebet sagt er sogar vertrauensvoll Abba, guter Papa. Wer Gott nur als "Herr des Himmels und der Erde" erkennt, mag vor ihm in Furcht erschauern. Jesus aber erfährt, dass dieser Allmächtige in unbegreiflicher Nähe, ja Zärtlichkeit, sich ihm zuwendet. Schon zuvor hat Gott sich seinem Volk Israel geoffenbart und sich diesem Volk vertraut gemacht. Aber diesem einen Menschen hat der Allmächtige und Ewige sich ganz geöffnet, hat ihn angeschaut und sein Innerstes gesehen, und er hat Jesus sein eigenes, göttlichstes Innerstes sehen lassen: "Niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will." Nicht in Königen und Propheten, sondern in dem Zimmermannssohn aus Nazareth, den sie wie einen Verbrecher hinrichten werden, wird der Himmelskönig sichtbar. Das ist die Revolution, über die Jesus jubelt.

3. Taufe im Heiligen Geist

  • Revolutionen sind immer Verschiebungen der Herrschaftsverhältnisse. Die bisher Herrschenden sind so an ihre Macht gewöhnt, dass sie die Vorzeichen der Revolution unterschätzen. Wir aber feiern heute einen freudigen Pfingstgottesdienst, um so ein Vorzeichen zu setzen. Im Auftrag des Jesus von Nazareth werden wir ein neues Herrscherpaar proklamieren: Ella und Leonhard, die heute getauft werden.
  • Wir werden diese beiden Kinder im Namen Jesu und in der Kraft von Gottes Gegenwart, dem Heiligen Geist, feierlich als Kinder des Allmächtigen und Erben seines Reiches einsetzen. Damit niemand sich über die Bedeutung dieses Ereignisses täuschen mag, werden wir nach der Taufe diese Kinder im Ritus mit dem heiligen Chrisam salben -
    • die Salbung mit heiligem Öl, das von alters her die Priester ermächtigt, zwischen Himmel und Erde zu vermitteln und die Anliegen der Menschen vor Gott zu tragen;
    • mit heiligem Öl, mit dem Propheten gesalbt werden, um Menschen Gottes Wirklichkeit zu verkünden und im Namen Gottes Recht zu fordern für die Armen und das Unrecht der Mächtigen beim Namen zu nennen;
    • mit heiligem Öl, mit dem von alters her die Könige gesalbt und in ihr Amt eingesetzt werden. 
  • Wir taufen Ella und Leonhard und rufen sie aus, als Priester, Propheten und Könige, die sehen sollen und hören, was Propheten und Könige vor ihnen nur sehen wollten und nicht ahnten, wie nahe es ihnen ist. Hier sind zwei kleine Kinder, die die Könige, die nur auf die Macht ihrer Truppen setzen, blass aussehen lassen.
  • Konkret wird das, wenn diese Kinder und alle, die die Taufe empfangen haben, aus dieser neuen Wirklichkeit des Heiligen Geistes leben. Konkret bedeutet das, sich von dem allmächtigen Gott anschauen lassen, wie der liebende Vater sein einziggeborenes Kind anschaut, und mit Jesus auf diesen liebenden Vater blicken und in der Feier unserer Gottesdienste, im Hören auf die Heilige Schrift und im Gebet diesen allmächtigen Gott als den uns liebenden Vater anschauen.
    Konkret bedeutet dies, als Königskinder des Allmächtigen keinem Menschen untertan zu sein und doch zugleich jedem Menschen zu dienen und in Respekt zu begegnen, vor allem, den Kleinen, Schwachen und in den Augen der Welt "Unmündigen", wie diesen Kindern. Denn unter ihnen ist Gott in besonderer Weise gegenwärtig. Amen.