Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Ostern am Tage 2017

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16. April 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Schlagzeilen

  • Wenn einer von den Toten aufersteht - was soll's. Dann ist halt einer von den Tod auferstanden. Das Hamburger Abenblatt würde es nur dann auf der Titelseite melden, wenn zumindest die Großmutter des Auferstandenen aus Hamburg ist. Sonst käme es lediglich unter die verstreuen Nachrichten, neben irgend einen Star, der seinen Drogenentzug abgebrochen oder ein achtes Kind adoptiert und mit einem abgedrehten Vornamen versehen hat. Und selbst wenn die Auferstehung die große Schlagzeile macht und von allen Freunden gepostet wird, was soll's. Was soll das für mich etwas bedeuten?
  • Es gibt diesen Unterschied zwischen der objektiven und einer subjektiven Bedeutung. Wenn in Ägypten oder Irak bei Bombenanschlägen hunderte Menschen umkommen, weil Fanatiker meinen, damit einem reinen Islam zum Sieg zu verhelfen, dann sind messbar mehr Menschen zu Schaden gekommen, als bei allen islamistischen Terroranschlägen in ganz Europa zusammen. Und dennoch hat ein Anschlag im eigenen Land oder Westeuropa für uns eine größere Bedeutung. Es betrifft, meinen wir, irgendwie mehr "uns". Wer immer dieses "wir" ist.
  • Es gibt gute Gründe, warum uns manche Ereignisse mehr bewegen als andere. Einfach weil es irgendwie "näher" ist. Es könnte aber auch weniger gute Gründe geben. Wenn mit dem Leid der anderen Stimmung gemacht wird, wenn Schlagzeilen zu Verallgemeinerungen werden, wenn es nur darum geht, das eigene Weltbild nach schwarz und weiß zu sortieren - dann sollten wir uns fragen, welche Bedeutung das Ereignis hat. Und welche Bedeutung so ein Ereignis wie die Auferstehung des Jesus von Nazareth haben könnte.

2. Kein schnelles Halleluja

  • Für Maria von Magdala ist es von größter Bedeutung. Das Grab ist leer. Der, dem sie die ganzen letzten Jahre zusammen mit vielen anderen nachgefolgt ist, ist nicht nur erbärmlich hingerichtet worden. Jetzt ist nicht einmal sein Leichnam im Grab.
  • Doch Maria singt nicht: Halleluja, da ist einer auferstanden! Vielmehr geht sie zu den anderen Jüngern. Was könnte passiert sein? Maria mutmaßt das Naheliegende, Diebstahl: "Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat." Darauf laufen Petrus und Johannes, das Amt und die Liebe in der Kirche, zum Grab. Vom Lieblingsjünger heißt es sogar "Er sah und glaubte", wenn auch noch unklar ist, was er da glaubt. Aber immer noch nicht singt Maria ein Auferstehungs-Halleluja, wie manche es von Christen erwarten. Dann sieht sie sogar Engel im Grab, Licht aus dem Dunkel der Höhle. Aber immer noch ist sie nüchtern: "Ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat." Selbst als sie schließlich Jesus selbst 'sieht', ist es ihr wahrscheinlicher, es sei der Gärtner. "Wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast." Erst als der Auferstandene sie beim Namen anspricht, "wendet sie sich ihm zu". Aber auch jetzt nicht Halleluja-Euphorie, sondern das Bekenntnis: "Rabbuni!, das heißt: Meister". Den anderen berichtet sie: "Ich habe den Herrn gesehen".
  • Es ist verblüffend, wie viel Nüchternheit diese Frau an den Tag legt. Das ist nicht, weil Jesus ihr nebensächlich wäre, sondern weil er ihr alles ist.

3. Zeugin des Auferstandenen

  • Die Auferstehung Jesu ist für Maria von Magdala das Ereignis des Lebens schlechthin. Aber es ist nicht, weil da irgend einer von den Toten spektakulär auferstanden wäre. Sondern weil "er" es ist, "der Herr" und "Meister", den sie ans Kreuz geschlagen hatten.
    Sie hatte sich auf Jesus eingelassen. Sie war ihm nahe, wie kaum ein anderer der Jünger. In den Jahrhunderten danach hat man ihr deswegen gerne ein Verhältnis, ja sogar eine Familiengründung mit Jesus angedichtet; dafür gibt es aus den alten Quellen keinen Hinweis. Nur das stimmt: Maria von Magdala hatte zu Jesus ein 'Verhältnis', das tiefer ging, als die meisten Beziehungen, die Menschen eingehen.
  • Maria von Magdala könnte Patronin sein gegen die falsche Aufgeregtheit. Gegen die Sucht, Ereignisse statt sie nüchtern ernst zu nehmen und besonnen zu handeln, dazu zu benutzen, aufzustacheln und aufzuhetzen. Maria von Magdala könnte helfen zu fragen, ob die Betroffenheit tatsächlich echt ist oder nur inszeniert. Ob es am Ende nur die Dynamik aus Facebook und Twitter ist, wo Menschen und Gruppen einander hochschaukeln, weil jede echte und auch jede nur behauptete oder vermutete Untat zum Post und Tweet wird. Denn aus diesem medieninszenierten Tod kann es keine Auferstehung geben. Selbst die Auferstehung Jesu Christi wäre bestenfalls eine Meldung, eine unter vielen. Eine Meldung, durch die das eigene Leben letztlich genauso wenig betroffen ist, wie die Schreckensmeldungen davor wenig anderes waren als Gaumenkitzel.
  • Maria jedoch wird zur Zeugin und Apostolin. Sie wird die erste sein, die die Auferstehung verkündet. Sie hat nicht irgendwas gesehen. Sie hat sich nicht durch Emotionen durcheinander bringen lassen. Sie kann vielmehr bezeugen: "Ich habe den Herrn gesehen!" Jenen Herrn, dessen Leben ihr Leben geprägt hat. Den sie berührt hat und der sie berührt hat. Der sie befreit hat von den Dämonen und dessen Weg sie mitgegangen ist. Als er gekreuzigt wurde, hat sie als eine von ganz wenigen unter dem Kreuz ausgeharrt. Das, das allein, befähigt sie zur glaubhaften Zeugin. Dieser Jesus, den sie an den Pfahl gehängt hatten, ihn konnte der Tod nicht halten. Er ist wahrhaft auferstanden. Amen.