Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Ostern am Tage 2015 (Johannes)

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5. April 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Auferweckt und Auferstanden

  • "Gott hat ihn am dritten Tag auferweckt", heißt es in der Apostelgeschichte. Eine Zeile weiter ist die Rede von "seiner Auferstehung". Schon die Bibel macht also zwischen "Auferstehung" und "Auferweckung" keinen Unterschied. Denn in Jesus ist es eins, ob wir auf das eigene Tun des Menschen und auf das von und durch Gott Getane schauen; es ist zum ersten Mal wirklich völlig eins.
  • Allzu oft machen wir Menschen sonst die Erfahrung, von anderen benutzt und herumgeschubst zu werden. Deswegen steht Gott im Verdacht, auch wieder nur einer von denen zu sein, die uns irgendwo hin drängen, ohne dass wir das wollen. Es ist schlicht jenseits unserer Vorstellungskraft, dass wir nirgendwo so sehr frei und nie so sehr wir selber sind, wie in dem Augenblick, wo wir ganz aus der Verbindung mit Gott leben.
    [Vielleicht meint manch Ehemann sich das gut vorstellen zu können, wenn er die Erfahrung gemacht hat, dass seine Frau ihm die meiste Freiheit lässt, so lange er tut, was sie will. Aber, so höre ich, in der Ehe bleibt in manchen Fällen dennoch ein Hauch von Unfreiheit trotz eifrigem Gehorsam der Gatten; aber daran merkt man, dass die Ehe doch nur ein Vorgeschmack auf den Himmel ist und noch nicht in allem der Himmel selbst.]
  • Ostern ist: Jesus ist in seiner Auferstehung der souveräne Herrscher: Er, der sich am Kreuz ganz in die Hände des Vaters gegeben hat, weil er ganz aus dem Ruf der Auferweckung Gottes lebt.
    An seinem Leben schon beeindruckte, wie er gegenüber den Autoritäten souverän blieb. In seinem Sterben war spürbar, dass alle Machthabe der Welt keine Macht über ihn haben. Das bestätigt und vollendet sich nun an diesem Ostermorgen. Der Ruf des Vater ins Leben und die Auferstehung Jesu in diese Wirklichkeit hinein, sind keine zwei Vorgänge, sondern es ist zutiefst das selbe. Unvorstellbar: Ganz aus dem Willen Gottes zu leben, bedeutet ganz frei zu sein. Gott ist nicht der Widerspruch zu menschlicher Souveränität und Freiheit, sondern ihr Grund.

2. Von anderen verlegt

  • Maria von Magdala war früh am Morgen am Grab. Mit ihr waren andere Frauen. Dass Jesus gestorben ist, steht für sie außer Zweifel; einige von ihnen waren dabei. Aus Menschen-Perspektive war da nichts als Tod. Daher kann es für die Frauen auch nur eine Erklärung für das leere Grab geben. "Wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat", sagt Maria zu den Jüngern. Tote gehören ins Grab und beweint, lautet die alte Ordnungsmaxime.
  • Wer tot ist nicht mehr aktiv. Er wird nur noch von anderen verschoben und verlegt. Ein Mensch erlebt sich vom Leben abgeschnitten, wenn er nicht mehr selbst über sich bestimmen kann. Das schien sich an Jesus zu bestätigen: Die Frauen waren entsetzt; sie mussten davon ausgehen, dass man den Leichnam Jesu aus dem Grab geraubt hatte. Ein weiteres Mal, so scheint es, ist er zum Opfer derer geworden, die ihre Macht missbrauchen um Menschen nach ihrem Gutdünken zu behandeln - selbst noch im Tod.
  • Wir mögen es nicht, wenn uns andere so behandeln. Dennoch machen wir es vielleicht mit anderen: Wir legen sie hierhin und legen sie dorthin. Wir stecken Menschen in Schubladen, behandeln sie wie etwas, das kein Leben aus sich selbst hat. Nicht zuletzt mit Gott und Jesus geschieht es oft genug: Je nach meiner inneren Bedürfnislage, wozu mir gerade ist, lege ich mir Gott zurecht. Zu meinem eigenen Schaden. Denn ich finde nirgend wo sehr souveräne Selbstbestimmtheit, als wenn ich mich darauf einlasse, dass ich nicht über Gott verfügen kann, ihn aber bitten kann, mich zu rufen und aufzuerwecken.

3. Eine neue Ordnung

  • Maria Magdalena informiert die Apostel. Petrus und der "Jünger, den Jesus liebte" laufen zusammen zum Grab. Die Liebe ist schneller als das Amt, Petrus kommt erst hinterher, doch der andere Jünger lässt ihm den Vortritt. Petrus geht in das Grab und sieht: hier hat kein Grabraub stattgefunden; hier ist auf merkwürdige Weise alles in Ordnung. Jetzt erst folgt der "Jünger, den Jesus liebte"; von ihm heißt es "er sah und glaubte".
  • Jesus war gestorben: Von Menschen getötet und in ein Grab gelegt. Damit hatten die Machthaber alles in ihrem Sinn geordnet. Auch die Freunde Jesu haben sich mit dieser - letztlich tödlichen - Ordnung abgefunden.
    Jedoch, da ist eine andere, eine neue Ordnung. Das Schweißtuch Jesu lag nicht "bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle"; die Tücher geben so ein Bild das hier etwas in bedachter Ruhe stattgefunden hat.
  • Jesus ist vom Vater auferweckt und vom Tode auferstanden. Das ist die neue Ordnung und das neue Leben. In der Auferstehung Jesu ist zum ersten Mal sichtbar geworden, was ein Mensch kann, der sich ganz Gott übergibt: Von den Toten auferstehen. Ohne ein "Nein" zur alten Ordnung wird es nicht gehen. Ohne das Vertrauen, mit dem Jesus sich in die Hände seines Vater gegeben hat, bleibt der Mensch dem Alten verhaftet, meint frei zu sein und ist doch in Fesseln.
    Aber wir können es in unserem Leben bereits probieren: Wer sich Gott anvertraut, auch nicht Schritt für Schritt, kann die österliche Freiheit finden. Amen.