Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt Ostern Lesejahr A - In der Nacht 2017

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15./16. April 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Keine Panik!

  • "Fürchtet euch nicht!". Etwas moderner gesagt: "Keine Panik!" Der das sagt, ist Jesus. Gerade erst schmerzlich gestorben, steht er vor den Frauen, die seinen Leichnam balsamieren wollten. "Keine Panik!"
    Ich bin kein Trauerexperte, aber ich denke, dass in den vielleicht 36 Stunden seit dem Tod Jesu zwar laut Kalender schon der dritte Tag ist. Aber diejenigen, die das erlebt haben, dürften immer noch unter Schock stehen. Und da sagt er ihnen: "Keine Panik!"
  • Überhaupt, es heißt zwar, dass Jesus vor ihnen steht. Es ist aber auch klar, dass da weder ein Zombie steht, noch einer, der in Wirklichkeit nur etwas viel länger geschlafen hat und jetzt wieder munter ist. Die Zeugnisse, die in der Bibel über den Auferstandenen zusammen getragen sind, laufen alle auf etwas anderes hinaus: Einerseits ist das Jesus, der da begegnet, der selbe, den die Jünger kannten. Andererseits ist er aber anders, ganz anders. Eine neue Wirklichkeit, die zwar aus der alten hervor gerufen ist, aber sie bei weitem übersteigt. So steht Jesus vor den Frauen und sagt auch noch: "Keine Panik!"
  • An Ostern sind wir eingeladen, etwas zu feiern, was einerseits ein Ereignis der Menschheitsgeschichte ist; die Begegnung, die das Evangelium schildert, hat auf die eine oder andere Weise statt gefunden. Andererseits ist das Ereignis so etwas von nicht von dieser Welt, dass es alles in Frage stellt, was wir kennen. "Keine Panik!" Und mehr noch: Wir sollen dieses Mysterion, dieses heilige Geheimnis, dieses unbegreifliche Ereignis in einem Gottesdienst feiern!

2. Kauft ohne Geld (Jes 55)

  • In dieser Nacht wird in den Gottesdiensten eine Auswahl der wichtigsten Abschnitte aus der Bibel gelesen. Ein kleiner Rundumschlag der Geschichte Gottes mit seinem Volk. Neben den bekannten, gewichtigen Texten geht die 5. Lesung vielleicht etwas unter. Dabei müsste man den Abschnitt nur in dem Tonfall vortragen, von dem er ursprünglich herkommt. Wir kennen das in Hamburg von den Anpreisern der Hafenrundfahrten, von lautstark werbenden Türstehern auf der Reeperbahn und manchem Obsthändler auf dem Wochenmarkt: Auf Leute, kommt her. Ihr seid doch auch Durstig. Hier gibt es Wasser, frisches Wasser. Und Wein! Kommen Sie rein, Herrschaften! Einmalige Attraktionen! Bester Service! Feinste Speisen!
  • Was aber Jesaja da anpreist, ist nicht nur erfrischend und von bester Qualität. Es ist darüber hinaus auch noch konkurrenzlos günstig: "Kommt und kauft ohne Geld!" Und das genau macht die Vision des Propheten Jesaja zu einer Osterbotschaft. Denn Jesaja spricht von einer Wirklichkeit, die durch und durch von Gott kommt. Deswegen ist sie so anders, als alles was wir kennen. "So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken." Diese Wirklichkeit ist um alles Geld der Welt nicht zu haben. Es braucht aber Menschen, die sich darauf einlassen, die sich dafür öffnen. "Neigt euer Ohr mir zu, und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben."
  • Dass die feinsten Speisen und das ganze Fest drum herum um Geld nicht zu haben sind, macht die eigentliche Qualität aus. Denn sie sind nicht deswegen ohne Geld zu kaufen, weil mit dem Sonderangebot geködert wir an anderer Stelle umso mehr ausgeben sollen.
    Es ist eher so wie bei Markenklamotten, nur umgekehrt. Die sind ja das selbe Stück Stoff wie die Billigware daneben. Aber weil bei diesem Schnitt oder jenem Aufdruck jeder sehen kann, wie teuer das war, kaufen es die Leute und zahlen absurde Preise. Das 'teuer' allein ist sozusagen bereits das Qualitätsmerkmal. Der Club derer, die sich das leisten können, ist exklusiv. Arme Leute können sich das nicht leisen.
    Die österliche Wirklichkeit ist das genaue Gegenteil: Gott schließt keinen aus, die Armen am allerwenigsten. Das ist die neue Welt, die von Gott her kommt. Eine Welt, die nicht mehr nach Menschenart trennt und ausschließt, sondern nach der Art Gottes ist.

3. Neue Welt so nahe

    • Ich kann mir vorstellen, dass Gottes Preisgestaltung bei manchen Leuten Panik auslöst. Die einen, die um ihre Geschäfte fürchten. Die anderen, die Angst haben nichts mehr wert zu sein, wenn sie ihren Wert nicht mehr durch Geld, Macht und Ansehen bestimmen können. Beide können versuchen sich zu beruhigen: Das ist ja nur Utopie. Das gibt es in wirklich doch gar nicht. Keine Panik! Aber so sicher wäre ich da nicht.
    • Mit der Auferstehung dessen, den sie gekreuzigt haben, kommt uns diese neue Welt nahe. Gefährlich nahe, werden manche meinen. Wunderbar nahe, würde ich meinen. Es ist eine Welt, die noch aussteht. Aber dort, wo Christen wirklich als Christen leben, und überall dort, wo Menschen entdecken, worauf hin sie von Gott geschaffen sind, dort scheint etwas von der Auferstehungswelt in unsere Welt hinein.
    • Die Taufe, die wir in dieser Nacht feiern, ist ein Zeichen, das auf die neue Geburt in dieser österlichen Welt verweist. Eure Freunde und Verwandten können sich beruhigen und meinen, so viel passiert da nicht, nur ein wenig Wasser. Aber wenn es das Wasser von Gott ist, ist es Wasser aus der Welt des "Kauft ohne Geld!" Es kann sein, dass diese Taufe dann mehr wird als nur ein Zeichen. Dass es kraftvolle Wirklichkeit wird in Euch, Wirklichkeit, die manche das Fürchten lehrt, weil ihr euch in der Kraft eurer Gottekindschaft nicht mehr beeindrucken lasst von der Menschen Macht und Reichtum - wie sollte es auch, nachdem Christus, euer Herr, das Kreuz überwunden ist? Statt dessen sind getaufte Menschen solche, die hier in dieser Welt schon anfangen, nach der Weise der neuen Welt zu leben. Fürchtet euch nicht! Freut Euch! Der Herr ist auferstanden. Amen, Halleluja!


(Bei "Keine Panik" hat sich der Prediger nicht von dem berührenden Schlager von Frau Annemarie Eilfeld inspirieren lassen, die dazu singt "Baby, keine Panik! Oh oh oh Wenn du an dich glaubst, geht alles klar. Baby, keine Panik! Oh oh oh Im Leben bleibt doch nie was, wie es war." Obwohl der zweite Teil Maßen überraschend danach aussieht, ist der erste Teil das Gegenteil des von mir Gemeinten. Irgendwie habe ich ohnehin diese zwei Worte "Keine Panik" intuitiv mit der melodischen Stimme von Herrn Lindenberg im Ohr.)