Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Lieben in Gott

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August 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Orientierung im Leben

  • Das Brautpaar hat entschieden: Welche Lesung und welches Evangelium bei dieser Feier aus der Bibel verkündet werden sollen, war ihre Entscheidung; sie hatten von meiner Seite freie Hand. Bei der Auswahl haben sie sich von einer Freundin helfen lassen; so sind denn beide Texte nicht ganz ungewöhnlich für eine Hochzeit. Aber M. und K. haben mir erklärt, dass sie dennoch ganz hinter dieser Auswahl stehen, und dass nicht nur, weil Westfalen auch sonst eher für das Bewährte und Solide stehen.
    Die Lesungen sind nicht unwichtig, weil die Bibel ein besonderer Weg ist, auf dem Gott uns etwas über sich mitteilen lässt. Das ist das Besondere an diesen Texten, die ja Erfahrungen im Glauben des Volkes Gottes wiedergeben. Diese Erfahrungen kommen hier, wo aus der Bibel gelesen wird, mit unseren eigenen Erfahrungen zusammen, und das ist der geistige Raum, in dem Gott sich uns mitteilt.
  • In den Evangelien sind Situationen festgehalten in denen Jesus mit den zentralen Fragen konfrontiert wurde, die die Grundlage des Lebens als Volk Gottes ausmachen. Woran können wir und orientieren, wenn das Leben im Letzten gelingen soll? Und für uns schließt sich die Frage an: Kann das auch für zwei Menschen Orientierung sein, die sich aufmachen, mit einander eine Familie zu gründen?
  • Die Frage nach dem "höchsten Gebot im Gesetz" mag nach juristischer Spitzfindigkeit klingen. Aber für die Menschen, von deren Gespräch dieses Evangelium berichtet, ist diese Frage zentral für das Leben. Was unter den vielen kleinen und großen Entscheidungen, mit denen ich täglich konfrontiert bin, was in der Weise, wie ich mein Leben leben und anderen Menschen begegnen will, was in der Kultur, die unser Zusammenleben prägen soll, was bei all dem ist das Zentrale, das allem anderen den 'Geschmack' und die Richtung gibt. Darauf zielt die Antwort Jesu auf die Frage nach dem höchsten Gebot.

2. Schule der Nächstenliebe

  • Die Antwort Jesu dürfte bekannt sein. Aus ganzem Herzen Gott lieben ist das höchste Gebot und den Nächsten zu lieben, wie sich selbst, kommt diesem gleich. So bekannt das Doppelgebot sein mag, so selten hat man einen Anlass wie heute darüber nachzudenken, was das für einen selbst bedeutet - zumal im Blick auf gemeinsame Jahre in einer Ehe und Familie.
    Auf jeden Fall lässt sich die Haltung der Liebe daheim und die Haltung der Liebe zu anderen Menschen nicht von einander trennen. Das wäre auch schizophren. Wer im Beruf ein Stinketier ist und lustvoll andere zur Schnecke macht, der kann auf Dauer nicht daheim den fürsorglich liebenden Gatten und Familienvater spielen. Dazu kommt man sich in der Ehe zu nahe, als dass so eine Fassade nicht irgendwann einstürzen würde.
  • Aber vielleicht kann ja umgekehrt die Ehe eine gute Schule sein, um aufzuhören ein Stinkestiefel zu sein? Und weil nicht nur M. nicht auf die Idee käme, ein Stinkestiefel zu sein, sondern K. genauso wenig: Was könnte besser helfen, auch außer Haus respektvoll mit Menschen umzugehen, als die Erfahrung daheim, von einem anderen Menschen in ganz besonderer Weise geliebt zu werden? In Treue in guten und in schlechten Tagen, wenn ich gut drauf bin oder mal nicht so sehr, wenn das Glück in Fülle geschenkt wird oder wenn es gilt, sich den harten Seiten des Lebens zu stellen.
    Immer geht es um ein gemeinsames Wachsen in der Liebe, miteinander und füreinander. M.s Großeltern, die heute ihren 56. Hochzeitstag feiern dürfen, können das sicher bestätigen. Gerade weil es in der Ehe nicht immer eitel Sonnenschein ist, ist es ein großes Geschenk, wenn zwei einander in der Ehe treu bleiben und einander Zeit und Raum geben miteinander zu wachsen.
  • Die Nächstenliebe, von der Jesus im Evangelium spricht, ist zunächst nicht die Liebe, die K. und M. zu einander haben. Mit Nächstenliebe meint Jesus vielmehr, dass ich respektvoll und liebevoll mit den Menschen umgehe, die mir draußen begegnen, vor allem diejenigen, die sonst kein Ansehen bei den Menschen haben. Das ist Nächstenliebe im Sinne Jesu.
    Aber die Ehe ist eine hervorragende Schule, einander zu helfen, in dieser Liebe zu den fremden Nächsten und zu den Armen zu wachsen. Indem M. und K. bei einander erfahren, was es bedeutet, geliebt und mit Respekt behandelt zu werden, wachsen sie in der Fähigkeit, offen und vertrauensvoll anderen in Liebe zu begegnen.

3. Aus Gottes Liebe leben

  • Das "höchste und größte Gebot" ist aber ein anderes: "Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt". Die Formulierung der Lutherübersetzung macht deutlich, dass es hier um eine Haltung geht, die den ganzen Menschen umfasst und ausrichtet. Um Gott so lieben zu können, brauche ich nur dort anzusetzen, dass alles, was ich bin, von ihm geschaffen ist. Weil Gott will, dass ich bin, gibt es mich. Weil Gott will, dass es dich gibt, gibt es dich. Gott zu lieben bedeutet einzustimmen in diesen Willen Gottes. Gott zu lieben bedeutet, ganz aus der Erfahrung leben, dass ich geliebt bin vom ersten Augenblick an, als ich im Leib meiner Mutter langsam herangewachsen bin.
  • Wenn ich beginne, mich mit jeder Faser meines Lebens auf Gott auszurichten, werde ich schnell merken, dass Gott größer ist, als alles, was mir begegnet; und bevor mir irgend jemand begegnet, war Gott schon da.
    Deswegen ist Gott Liebe uns der Grund von jeder Liebe: Denn in Gott liebe ich einen anderen Menschen nicht als Objekt, das ich besitze, sondern als ein Wesen, das selbst von Gott geliebt ist. M. darf K. in Gott lieben und K. darf M. in Gott lieben. Das mindert ihre Liebe zu einander nicht, im Gegenteil: Nur solche Liebe lässt den anderen ganz sie oder er selbst sein, wie Gott uns geschaffen hat.
  • Jesus sagt: "Das andere ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«". Dies gilt für die Liebe, die Sie beide einander schenken und die Sie zusammen den Kindern schenken wollen, die Sie sich von Gott erhoffen. Gott will, dass Sie ihn lieben können, wenn Sie einander lieben. Und so gilt das für jede liebevolle Begegnung, die Frucht Ihrer Ehe und Ihrer Liebe ist: Sie wird dem gleichen, was Sie einander an Liebe schenken, weil Gott Ihnen seine Liebe immer schon geschenkt hat, von Anfang an. Amen.