Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Es gibt einen, der dich liebt

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10. Juni 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Du bist besonders - ich will dich lieben

  • Da ist eine Person, die dich liebt. Auf eine ganz besondere Weise, liebt sie dich. Die Liebe ist so besonders, weil du besonders bist; du bist nicht eine beliebige Variante der biologischen Gattung homo sapiens, sondern du bist ein besonderer Mensch. Und deswegen ist die Liebe, mit der du geliebt wirst, etwas besonderes.
    Umgekehrt entstehst du durch diese Liebe als ein neuer Mensch, P., J.. Erst wenn und weil du geliebt wirst, gibt es dich in dieser besonderen Weise. Durch die Liebe: das Geliebt-Werden entsteht etwas Neues, das es zuvor so noch nicht gab. Die Liebe ist - dort wo es um Menschen, um personale Existenz geht - die einzig wirklich schöpferische Macht.
  • Man ahnt, dass ich nicht von den Eltern rede. Bei aller Verehrung für die Eltern und Anerkennung der Liebe von Mutter und Vater für ihr Kind, ist in der Elternliebe noch ein starkes Element von biologischer Zwangsläufigkeit. Es ist nur ein Element davon, keine Notwendigkeit, denn es braucht immer auch noch einmal die echte Entscheidung der Eltern, ein Kind anzunehmen und mit Liebe zu umfangen. Doch die Liebe, von der ich gesprochen habe, ist eine völlig freie Liebe, ohne alle Notwendigkeit. Es ist eine Liebe, die von außen gesehen auch anders könnte; nur von innen, aus sich selbst heraus ist sie gebunden und sagt: Ich liebe dich, ich will dass es dich gibt, ohne dich wäre meine Welt unvollständig.
  • Es ist naheliegend und zu erraten, wer diese Person ist, von der ich spreche. Denn hier sind zwei, die einander lieben. Sie haben heute uns alle eingeladen dabei zu sein, wenn sie einander genau das sagen und versprechen: Ein starkes "Ich will!", ich will dich lieben, nicht nur weil ich diesen oder jenen Vorteil von dir habe, sondern weil du es bist, dieser ganz besondere Mensch, eine ganz besondere Person, die ich auf ganz besondere Art lieben, achten und ehren will. Ja, auch davon habe ich gesprochen.

2. Du bist besonders - ich will dass es dich gibt

  • Dass J. und P. ihre Ehe in der Kirche schließen, hat sicher nicht zuletzt damit zu tun, dass die beide Menschen sind, die das, was sie machen, gerne richtig und ordentlich machen. Diese Charaktereigenschaft erfreut sicher alle, die beruflich mit ihnen zu tun haben. Aber es hat auch viel mit der Verlässlichkeit und Treue zu tun, die ich den beiden nicht nur in der Ehe, sondern auch sonst im Leben zutraue. Das 'Ja', das sie sagen, ist weder halbherzig noch auf Widerruf, sondern es ist so gemeint. Was sie machen, machen sie richtig. Und da sie beide von der Herkunft und ihren Familien her katholisch sind, gehört zum Ja der Ehe nicht in erster Linie ein Standesbeamter (so wichtig der für die steuerrechtlichen Konsequenzen sein mag). Für Katholiken braucht es eine ordentliche Zeremonie. Dieses Wort hat für P. und auch J. nichts Abwertendes. Im Gegenteil: Die Zeremonie macht deutlich, dass es den beiden wirklich wichtig ist.
  • Wir Katholiken nennen diese besondere Zeremonie der Ehe ein Sakrament. Man könnte das Wort übersetzen: ein heiliges Zeichen. Die beiden wichtigsten Sakramente sind für alle Christen die Taufe und die Eucharistie. Dort ist das Wasser Zeichen für die Taufe und da sind Brot und Wein Zeichen für die lebendige Gegenwart von Jesus Christus.
    Zeichen sind also etwas Äußerliches; sie haben eine sinnlich wahrnehmbare Seite. Sie sind aber auch etwas, das über das Sichtbare hinaus weist auf eine größere Wirklichkeit, die nur im Zeichen wahrnehmbar ist. Das gilt vor allem für Gott: Gerade wenn Gott in dieser Welt gegenwärtig ist und handelt in sichtbaren Zeichen, berührt zwar damit Gottes Gegenwart unsere Welt, verweist das Wahrnehmbare aber auch immer auf die unendlich größere Wirklichkeit Gottes.
  • Das ist dann die Seite, wo sich J. und P. schwerer tun, es so zu sagen. Das liegt auch daran, dass Katholiken sich oft schwer darin, tun das in Worte zu fassen, was sie auf der Zeichenebene sehr gut verstehen und praktizieren. Darin liegt aber auch die Gefahr, dass unterwegs etwas von der Kraft des Zeichens verloren geht. Dabei ist es unerhört kraftvoll! Die Ehe von zwei Katholiken ist ein Zeichen für die Gegenwart und das Handeln Gottes. Im Jawort, das J. und P. einander sagen, das Ja-Wort Gottes! In der Zärtlichkeit zwischen J. und P. die Zärtlichkeit Gottes. In der liebenden Annahme, die beide einander schenken, die liebende Annahme Gottes. Nicht irgendwo ist Gott, nicht irgendwas ist Gott, waberndes Prinzip zwischen den Galaxien, sondern gegenwärtig in der Liebe, die in der Zeremonie als Sakrament erfahrbar wird.

3. Das Besondere entdecken

  • Das Stück Matthäus-Evangelium aus der Bibel, das ich eben vorgelesen habe, haben sich die beiden selbst ausgewählt. Jesus sagt darin: Vor Gott gibt es keine Ehescheidung; "was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen". Das passt zu den beiden, die ernst nehmen und meinen, was sie tun und versprechen. Doch das vielleicht wichtigste Wort in dem Abschnitt, der Schlüssel, von dem her alles andere erst mehr und anderes ist als Regelwerk und Scheidungs-Verbot, das Schlüsselwort heißt: "Schöpfer". Gott ist dein Schöpfer; "der Schöpfer hat die Menschen am Anfang geschaffen". Durch Urknall und Evolution ist das ganze äußerlich gesehen geworden; faszinierend genug! Doch es gibt in all dem eine tiefere Dimension: Es gibt dich, weil Gott dich geschaffen hat. Es gibt diese Welt, es gibt das Leben, und es gibt dich, P., und es gibt dich, J., weil Gott dich will. Das meint, er ist dein Schöpfer. Gottes Liebe erst hat gemacht, dass es dich gibt.
  • Wir Menschen sind schnell bei unserer äußerlichen Wahrnehmung, Es gibt mich, weil Vater und Mutter vor Jahren und neun Monaten miteinander geschlafen haben und ich gehöre zu ihnen, weil uns das Blut verbindet.
    Familie kann und soll etwas Wertvolles sein, keine Frage. Aber die Liebe ist mehr. Sie ist das reine: Ich will dich, dass es dich gibt, dass du glücklich bist, dass du der besondere Mensch wirst, der du sein kannst! Das ist eine ganz andere Beziehung!
    "Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden...."; das hat damit zu tun, dass Gott diese Liebe in dich hinein gelegt hat - und damit deine Liebe ein Bild, ein Zeichen, ein Sakrament werden kann für die Liebe Gottes. Du bist dieser ganz besondere Mensch, weil du geliebt wirst!
  • Es ist mir so wichtig, all das heute Ihnen beiden zu sagen, weil daraus eines folgt: Werden sie zu Entdeckern! Entdecken Sie in einander das Besondere; meinen Sie nie, Sie hätten schon alles gefunden, gewusst, verstanden. Wenn Gott Ihr Schöpfer ist und der Schöpfer Ihrer Liebe, dann sind Sie füreinander und das ist Ihre Liebe im wahrsten Sinne unerschöpflich.
    Wer darauf vergäße, hätte die wichtigste Entdeckung vergessen: Dass wir voll sind vom schöpferischen Reichtum der Gegenwart von Gottes Liebe. Amen.