Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Ehrfürchtige Freundschaft

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15. Oktober 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Licht

  • Das ist die Jahreszeit, wo wir uns nach jedem Sonnenstrahl ausstrecken. Das Licht des Tages ist nicht mehr so selbstverständlich. Umso schöner, dass wir hier eine Hochzeit feiern können. Das wiegt einiges an fehlenden Sonnenstunden auf.
  • Vielleicht hat das ein wenig mitgespielt, dass Hanna und Sebastian sich dieses Stück aus dem Lukasevangelium aus der Bibel ausgesucht haben. Licht und Liebe sind nahe beieinander. Das eine wie das andere suchen wir, weil wir es zum Leben brauchen. Liebe und Licht haben gemeinsam, dass sie nicht dazu da sind, sie zu verstecken, sondern dass es eine Freude ist, wenn sie ausstrahlen.
  • Für die Bibel ist natürlich klar, dass die Quelle des Lichts und die Quelle der Liebe und die Quelle des Lebens überhaupt Gott ist, der diese ganze Welt geschaffen hat.
    Aber dennoch gibt das Evangelium auch die Frage zurück an uns. In einem Bild sagt Jesus: Es liegt an deinem eigenen Auge, wie viel Licht scheint, nicht nur oberflächlich auf die Haut, sondern in dein Herz. Ist das Auge befangen und schielt nur auf sich selbst, dann bleibt das Licht flüchtig wie eine Sommerstimmung, ganz nett doch nicht von Dauer. Ist das Auge unbefangen, kannst du durch und durch bis in die Tiefe des Herzens Licht sein und Liebe. Du bist nicht selbst und für dich das Licht, aber es liegt an dir, wie viel Licht und Liebe in deinem Leben ist - zumindest liegt es auch an dir.

2. Freundschaft

  • Von da her würde ich gerne die Lesung verstehen. Diesen Text aus dem Buch Jesus Sirach im Alten Testament haben sich Sebastian und Hanna als erstes und vor allem ausgesucht für ihre Hochzeit.
    Dieser Weisheitslehrer Jesus Ben Sirach, fast 200 Jahre vor Jesus von Nazareth, hat auf den ersten Blick vor allem viele gute Ratschläge zu bieten. Das ist nicht negativ, solange die Ratschläge gut sind. Aber gute Ratschläge sind leider auch immer etwas anstrengend, weswegen ich durchaus dafür wäre, die an einem Tag wie diesem auf ein Minimum zu beschränken, auch wenn Eltern, Schwiegereltern und manchmal auch Freunden danach zu Mute sein sollte und es vom Pastor nachgerade erwartet wird.
    Doch die Bibel hat weniger Ratschläge zu bieten (das auch) als vielmehr einen oft nüchternen Blick auf die Wirklichkeit. Sebastian hat denn auch auf der Suche nach einem Bibeltext feststellen müssen, dass da oft von Gewalt die Rede ist; und in der Tat ist das ja ein zentrales Thema im nüchternen Blick auf die Wirklichkeit unserer Menschenwelt und Menschengeschichte. Dagegen kommt romantische Liebe, wie in den von Hanna bevorzugten Filmen, in der Bibel kaum vor. Doch das ist kein Unglück; lassen wir romantische Verliebtheit den schönen Momenten des Lebens, deren viele wir dem Brautpaar wünschen. Hier aber will ich über das sprechen, was auch Hanna und Sebastian für heute wichtig ist und weswegen sie dieses Stück Bibel ausgesucht haben.
  • Sie fanden den klaren Blick auf die Wirklichkeit in dem Text ansprechend. Wenn ich recht verstanden habe, ist die Message in diesem Text für die beiden: Gute Freunde sind selten (wobei natürlich alle hier anwesenden selbstverständlich irgendwie auch gute Freunde sind!!!). Aber jemand, der dir so Freund und Freundin ist, dass sie und dass er mit geht durch gute und schlechte Tage, in Gesundheit und Krankheit, ein Mensch, der dir verspricht, dich zu lieben, zu achten und zu ehren bis dass der Tod euch scheidet - das ist schon etwas ganz besonderes, ein großes Geschenk, mehr als alle Glücksgefühle der Liebe - das ist Hanna für Sebastian und Sebastian für Hanna und das wollen sie einander versprechen.
  • Wenn ich nach einem Adjektiv suche, dass ich vor das Wort "Liebe" stellen muss, damit für diese beiden klar ist, wie sie ihre besondere Freundschaft verstehen wollen, dann ist das wohl "treu". Treue Liebe ist es, was die beiden heute bekennen und vor allen Anwesenden hier noch einmal öffentlich und ausdrücklich versprechen wollen.

3. Ehrfurcht

  • Vielleicht ist aber das Gewagteste, das Sebastian und Hanna bei der Auswahl der Lesung unternommen haben, der Schluss, die letzten beiden Verse. Denn hier bleibt es auf einmal nicht bei der Allerweltsweisheit, wo alle zustimmen und mit der man nirgendwo aneckt. Denn da ist auf einmal von dem eigentlichen Geheimnis jener Freundschaft die Rede, die bei dem Fest heute gemeint ist. (Das ist so eine Stelle, wo die Brautleute ganz damit zufrieden sind, die Predigt dem Pater zu überlassen). Da heißt es: "Das Leben ist geborgen bei einem treuen Freund, ihn findet, wer Gott fürchtet. Wer den Herrn fürchtet, hält rechte Freundschaft" Dieses "Gott fürchten" ist also nicht nur wichtig für das Finden einer treuen Freundschaft, sondern auch, um diese Freundschaft zu leben.
  • Gottesfurcht ist etwas zentrales. Gerne wird darauf verwiesen, dass im Wort "Ehrfurcht" etwas von dieser Bedeutung enthalten ist. Aber emotional gibt es auch ein Erschrecken, eine Furcht, wenn ich etwas davon ahne, dass Gott eben nicht ein selbstgemachtes Bild ist und nicht ein Teil dessen, was mir vertraut ist und das ich kenne - nur halt viel, viel größer; mit so etwas stellen sich Menschen dann Gott als Obermoralinstanz mit erhobenem Zeigefinger vor. Doch wer so denkt, hat nichts von Gott verstanden noch von dem Grund, warum Hanna und Sebastian heute lieber das Wort "Freundschaft" verwenden als das so oft verschnulzte Wort "Liebe".
    Denn die beiden stehen hier mit Staunen, mit Ehrfurcht und einer sie vielleicht selbst manchmal erschreckenden Entschlossenheit zur Treue. Dort wo ein Mensch ahnt, dass so etwas möglich ist, dort wo ein Mensch erfährt, dass keiner die Summe des Nutzens ist - du nicht und ich nicht - , sondern ein unendlich wertvolles, ein immer noch einmal das Vertraute durchbrechendes Du, das einem an die Seite gestellt ist - dort wird etwas erfahren von der Ehrfurcht vor einander und vor dem Gott, der darin aufscheint.
  • Die treue Liebe in dieser eurer Freundschaft ist Frucht einer Gottesfurcht, auch wenn ihr das Wort selbst nie gewählt hättet. Es ist Frucht eines Wissens, dass dieses Leben und dieser Mensch an deiner Seite ein Geschenk ist, dir anvertraut, damit es Licht bringt und Liebe. Wie schön, dass wir das an einem Tag im Herbst feiern dürfen. Amen.