Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Die Liebe traut dem Bund

Zurück zur Übersicht von: Hochzeit

2. Juli 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Die Lehre des Gesetzes

  • "Da stand ein Gesetzeslehrer auf, um Jesus auf die Probe zu stellen". So beginnt das Evangelium, das sich das Brautpaar für seine Hochzeit ausgesucht hat. Gesetzeslehrer sind kundige Menschen. Sie kennen sich aus mit Regeln und Gesetzen. Sie können uns genau erklären, was die Rechtsfolgen der Eheschließung von Katharina und Martin beim Standesamt sind. Die Ehe ist ein Vertrag. Das Gesetz regelt die Bedingungen, unter denen der Vertrag zustande kommt, was seine Konsequenzen sind und wie man den Vertrag wieder auflöst. Vor allem bei Letzterem kommen die gesetzeskundigen Rechtsanwälte zum Einsatz.
  • Jesus wollte nicht etwaig anwesende Rechtsanwälte beleidigen. Aber der Gesetzeslehrer damals hatte seine Schwierigkeiten mit dem, was Jesus verkündet. Deswegen versucht er "Jesus auf die Probe zu stellen". Die Frage heißt: "Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?" Dafür möchte er die richtigen Regeln und Gesetze festlegen: Was müssen wir Menschen tun, damit wir nicht nur hier und da, heute und morgen, in dieser und in jener Situation Glück erfahren und "Leben gewinnen"? Was müssen wir tun, damit das Glück bleibt und das Leben trägt? Welches Gesetz müssen Katharina und Martin befolgen, damit ihr gemeinsames Glück trägt - und damit dies heute nicht einfach 'der schönste Tag ihres Lebens' gewesen ist, und es danach nur noch bergab gehen kann?
  • Die Glücks-Regel klingt einfach; der Gesetzeslehrer kennt sie; jeder, der wie Jesus oder dieser Jurist ein Jude ist, kennt diese Regel: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst." Soweit die Regel. Sie klingt gut. Aber man kann den Gesetzeslehrer verstehen, wenn er nachfragt, wie das konkret geht: "Und wer ist mein Nächster?". Darauf antwortet Jesus mit einer Erzählung.
  • Damit macht er klar: Das Leben gelingt nicht aufgrund von abstrakten Regeln, sondern nur, wenn ich mich der Situation stelle, in die Gott mich führt, so wie der Samariter sich der Situation stellt, in die er gerät. Er kannte den nicht, der unter den Räuber gefallen war. Er hat auch nicht viel Zeit. Aber er macht, was er kann: Verbindet die Wunde, bringt ihn zur nächsten Herberge und lässt etwas Geld zurück, damit der Verletzte über die Runden kommt.

2. Miteinander leben

  • Martin und Katharina haben sich das Evangelium für heute ausgesucht, weil es ihnen wichtig ist, nach dieser Regel zu leben. Martin meinte, dass seine Rini darin besonders gut sei, anderen zu helfen, wenn es nötig ist. Ich habe mich über die Auswahl des Textes gefreut, denn es ist ein wichtiger Aspekt dessen, was für uns Christen die Ehe bedeutet. Nicht die isolierte Zweisamkeit macht die Ehe aus, sondern dass die Liebe zu einander fähig macht dazu, für andere da zu sein, wenn sie uns brauchen. Bei der Frage nach der Bereitschaft zur christlichen Ehe wird das deswegen ausdrücklich angesprochen.
  • Für andere könnt Ihr beide nur da sein, wenn Ihr für einander da seid. "Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst." Das bedeutet für Euch: Eure Liebe füreinander, ist das Tragende. Das aber misst sich nicht an allgemeinen Regeln und Gesetzen, sondern im Alltag. Natürlich ist es gut, auch ein Programm zu machen und zu planen, wie die Zukunft aussehen soll. Doch bekanntermaßen kommt es auch mal anders, als man denkt. Das Beispiel vom barmherzigen Samariter zeigt genau das.
  • Wenn Katharina und Martin heute den Bund der Ehe vor Gott schließen, dann ist das getragen von ihrem Glauben: Gott wird uns dort, wo wir sind, die Kraft geben, zu einander zu stehen. Wenn wir "mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit aller Kraft und allen Gedanken", ganz alltäglich unseren Weg mit Gott gehen, dann haben wir die Beziehung, die zu uns hält, mit der wir zu einander halten und durch die wir zu denen stehen, die uns brauchen.
    Schon in Eurer Partnerschaft bisher habt Ihr erfahren, dass es diese Situationen gibt. Gesundheit ist nicht alles; aber dass Ihr in Krankheit zueinander steht, das ist entscheidend. Und auch beim Sterben von Katharinas Oma seid Ihr zusammen gewesen und könnt jetzt darauf vertrauen, dass sie vom Himmel her bei Euch ist.

3. Die Liebe vertraut immer

  • Mit ihrer Oma verbindet Katharina auch die Lesung, die wir als erstes gehört haben. Es ist ein wunderbares Hoheslied der Liebe. Es ist aber vor allem konkret. Paulus schreibt an die Christen von Korinth über die vielen Gaben, die Gott ihnen gegeben hat. Viele in der Gemeinde haben die Gottesgabe, wie Engel zu reden und sich einander mit prophetischen Worten zu stärken. Sie sind bereit, sich "mit Haut und Haaren" für einander einzusetzen (so können wir "meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe" übersetzen).
    So hat Gott auch Martin und Katharina Gaben gegeben. Diese sind wertvolle Geschenke, für sie selbst und für andere.
  • Aber alle Gaben und Talente sind nichts, wenn sie nicht verbunden sind mit respektvoller und treuer Liebe. "Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf." Das bedeutet: In verschiedenen Lebenssituationen sind Eure Gaben gefragt. Setzt sie für einander ein. Ohne diese konkreten Gaben wäre die Liebe ein leeres Wort und Gefühl. Liebe wird immer konkret im konkreten Tun. Aber so wertvoll das Einzelne ist, in sich ist es nur Bruchstück und "Stückwerk". Zusammengehalten wird das "Stückwerk" durch die Liebe. Wenn Paulus sagt "Die Liebe glaubt alles", dann ist damit nicht Naivität gemeint, als ob die echte Liebe blind mache und alles durchgehen lässt. er sagt daher ausdrücklich "Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit." Aber in allem, bleibt die Liebe sich treu, sie vertraut auf Gott. Daher dieses Zutrauen: In jeder Situation, in jeder Herausforderung; dort wo ich meine Kräfte einsetze, und dort wo sie an ein Ende kommen.
  • Die Grundlage dieser Liebe ist für Euch jetzt ganz konkret der Bund. Ein Vertrag, wie ihn Gesetzeslehrer beschreiben, gilt nur, solange die Vertragsbedingungen erfüllt sind. Der Bund aber, den Ihr heute schließt, ist etwas ganz einmaliges. Er baut auf die Treue Gottes und hilft Euch, die Teile Eures Lebens zusammen zu halten. In jeder Situation, in guten und in schlechten Tagen, traut die Liebe dem Bund, den Gott mit Euch in der Taufe geschlossen hat, und den Ihr nun mit einander schließt. Amen.