Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Gründonnerstag 2006

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13. April 2006 - Oberschwappach/Knetzgau

1. Das Mahl

  • Jesus feiert mit seinen Jüngern das Abschiedsmahl der Liebe. Das große Drama geht seinem Ende zu. In dem was Jesus tut und sagt, gibt er den Jüngern sein Vermächtnis. Heute und morgen, am Gründonnerstag und am Karfreitag, wird dabei aus dem Johannsevangelium gelesen. Dieser Evangelist versucht das letzte Abendmahl in engem Zusammenhang mit dem Kreuzestod Jesu zu sehen.
  • Die Einsetzung des Abendmahles geschieht in gewisser Weise am Kreuz, dort wo Jesus sein Leben uns Menschen ausliefert als das "Brot für das Leben der Welt" (Joh 6,51). Deswegen ist der letzte Abend für Johannes "vor dem Paschafest", denn der Karfreitag ist ihm das eigentliche Pascha. Auch wenn historisch das Abendmahl das Paschamahl war; Johannes ergreift im Glauben, dass das eigentliche Paschamahl, dort wo das Paschalamm geschlachtet wird, am Kreuz sein wird, den Menschen überliefert.
  • Vor diesem Paschafest schildert Johannes, dass das Mahl stattfindet . "Da Jesus die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung." Das Zeichen dafür ist, dass er, der Herr und Meister, er der von Gott gekommen ist und zu Gott zurückkehren wird, seinen Jüngern die Füße wäscht. Diese Aufgabe hatten bis jetzt nur Sklaven. Jetzt ist es eine göttliche Aufgabe. In der Freundesgemeinschaft der Jünger Jesu ist es Gottes Dienst an uns, damit auch wir so handeln, wie er an uns gehandelt hat.

2. Judas

  • Einer ist dabei, dem hatte der Teufel "ins Herz gegeben, ihn auszuliefern". Die Einheitsübersetzung fügt hinzu "verraten und ausliefern"; einer der Gründe, warum diese Übersetzung jetzt überarbeitet wird. Im Original steht nur "überliefern". Einer aus der Mitte der Jüngern zieht das Gesetz des Handelns an sich und überliefert Jesus. Darin besteht der "Verrat". Dem Evangelisten Johannes ist es wichtig, dass diese Tat nicht von anderen und nicht von außen kommt. Er mutet uns zu, den Verrat an der Sendung Jesu in uns selbst zu sehen.
  • Judas ist einer von uns. Er ist einer der zwölf Apostel. Wenn man die Apostel im Bischofsornat malt, müsste Judas einer von ihnen sein: Judas, Bischof und Apostelfürst der Kirche. In der Mitte der Kirche ist unsere Nachfolge gefährdet. Mehr noch, in meiner Mitte. Denn nicht um den Häretiker zu brandmarken und auszusondern, wird uns dies im Evangelium erzählt, sondern um jeden von uns aufzurütteln. Der Name "Judas" im Evangelium hält den Platz frei, damit wird das Dunkle in unserem eigenen Herzen in den Blick bekommen.
  • Dies alles geschieht beim Abschiedsmahl Jesu. Johannes will uns damit deutlich machen, dass hier sich zeigt, ob wir Jesus annehmen oder ausliefern, uns zu ihm bekennen oder ihm unseren Willen aufzuzwingen. Das Johannsevangelium zeigt diesen "Verrat" dort, wo die Jünger mit Jesus zusammen sind. Jesus wäscht auch dem Judas die Füße. Er dient auch dem Judas. So gibt sich Jesus auch jedem von uns im Brot der Eucharistie. Er hofft, dass wir verstehen und erleben, dass seine Liebe und sein Mühen uns gilt. Uns fragt er wie die Jünger "Begreift ihr, was ich an euch getan habe?"

3. Motive

  • Der Teufel hatte Judas "ins Herz gegeben, ihn auszuliefern". Immer schon haben die Menschen gerätselt, was seine Motive gewesen sein mögen. Das Johannesevangelium schweigt darüber. Im zweiten Jahrhundert - über ein Jahrhundert nach den echten Evangelien - wurde sogar ein "Judasevangelium" geschrieben. Dieses hat aber keinerlei Bezug zu dem historischen Judas, sondern benutzt seine Geschichte nur für eine Theorie, die nichts mehr mit dem biblischen Glauben zu tun hat.
  • Das Johannesevangelium aber macht deutlich, dass es nicht um irgendeinen finsteren Verrat geht, sondern um die Sünde, mit der der Mensch sich verschließt, Gott das Handeln nicht mehr überlässt, und selbst das Gesetz des Handelns übernimmt. Wir sollten daher heute nicht über einen Judas vor zweitausend Jahren nachdenken, sondern uns selbst sehen. Was will uns der Teufel ins Herz legen, das nur Verrat wäre an Jesus? Welche Gedanken haben wir im Herzen, mit denen wir Jesus an eigene Interessen und Machtgedanken ausliefern? Judas ist nicht mehr rein. Der Spiegel seines Herzens ist trübe geworden. Nicht mehr Jesus spiegelt sich darin, sondern andere Götter: Geld, Einfluss, Herrschsucht - auch und gerade mitten in der Kirche. Auch wer vom Bad der Taufe gekommen ist, kann solchen Gedanken Raum geben im Herzen. Er riskiert, dass diese Gedanken Wirklichkeit werden. Wer lange genug darüber nachdenkt, wie er über andere herrschen und bestimmen kann, wird es auch tun. Er wird nicht mehr begreifen, was Jesus an uns tut, wenn er uns die Füße wäscht.
  • Petrus ist der andere Apostel. Er ist leidenschaftlich und greift manches Mal daneben. Aber sucht weiter nach dem Willen Gottes und lässt Jesus an ihm Handeln; er lässt sich von ihm die Füße waschen. Seine Leidenschaft gilt Jesus. Er wird schwach werden und seinen Herrn verleugnen. Aber er will ihn nicht verraten, denn er liebt ihn. Das unterscheidet ihn von Judas. Petrus wird als Märtyrer sterben; Judas will selbst über seinen Tod noch selbst bestimmen. Er lässt Gott nichts mehr übrig zu tun. Das Mahl, das wir heute feiern, ist dazu das Gegenmodell. Ihn diesem Mahl ist es Gott, der sich in unsere Hand gibt. Im Brot will er in uns leben und in uns handeln, damit durch uns sein Wille geschehe.