Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Gründonnerstag 2003

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17. April 2003 - Gluringen (CH)

"So grenzenlos Gott im Geben ist, so grenzenlos ist auch die Seele im Nehmen oder Empfangen. (...) Er soll sich selbst in ihr erkennen und lieben, sie aber soll erkennen mit seiner Erkenntnis und soll lieben mit seiner Liebe. Und darum ist sie viel seliger durch das Seine als durch das Ihre, und so auch ist ihre Seligkeit mehr in seinem Wirken gelegen, als in dem ihren." Meister Eckhart: Deutsche Predigten und Traktate. Hrsg. von J. Quint. München 1955, S. 431.

1. Kreislauf

  • Alles scheint ein Kreislauf zu sein. Die regelmäßige Wiederkehr der Feste im christlichen Jahreskreis passt sich da rein. Es hat etwas Beruhigendes und beunruhigt zugleich: alles kommt wieder, nichts verändert sich letztlich, nicht im Guten, nicht im Schlechten.
  • So ist es denn auch zwischen den Menschen. Alles scheint ein Kreislauf, ein Geben und Nehmen. Schon vor dreihundert Jahren haben frühe Volkswirte beschrieben, dass es zwischen Menschen zugeht wie im Menschen. So wie das Blut im Menschen immer und immer zirkuliert, so sei es auch mit dem Warenaustausch zwischen den Menschen. Es ist ein Geben und Nehmen, ein Nehmen und Geben. Wie du mir, so ich dir. Was verbraucht wird, muss hergestellt werden, und was hergestellt wird, muss verbraucht werden. Ein großer Kreislauf der Volks- und der Weltwirtschaft.
  • Das Bild des Kreislauf beruhigt und beunruhigt zugleich. Es beruhigt, weil durch Geben immer Nehmen kommt. Es beunruhigt durch seine Unausweichlichkeit. Ich muss mich den Gesetzen der Mühle fügen, will ich nicht in ihre Räder geraten. Der Kreislauf von Geben und Nehmen zwingt mir seine Götter auf.

2. Geben und Nehmen

  • Denn Gott ist, worauf ich mein Vertrauen setze (Luther im Großen Katechismus). So kann der Kreislauf von Geben und Nehmen, wie Du mir, so ich Dir, zum Gott werden. Das Geschäft auf Gegenseitigkeit wird zum Lebensmodell. Habe ich etwas geleistet, habe ich sichere Forderungen zu präsentieren. Wir vertrauen auf das, was wir meinen unter Kontrolle zu haben. Nicht selten kreist darum allein alles Denken.
  • Diese Erfahrung kann ganz real in der Welt des Geldes und der Waren sein, wo ich versuche, mich abzusichern und das Vertrauen allein setze auf Lebensversicherung und Zukunftsicherung. Diese Haltung kann aber sehr gut auch Einzug halten in mein geistliches Leben und fromm daher kommen: Dass ich das Wechselspiel von Geben und Nehmen so sehr internalisieret habe, dass ich meine, durch mein Gebet, durch mein Fasten, durch meine Frömmigkeit mir die Zuwendung Gottes zu verdienen.
  • Nur Empfangen zu können, wenn ich investiert habe, das ist ein knallhartes Gesetz. In der Welt der Wirtschaft kennt dieses Gesetz als Ausnahme nur die Schuld, mit der ich auf Pump erhalte, um es später mit Zins und Zinseszins zurück bezahlen zu müssen.

3. Sich öffnen und beschenkt werden

  • Es fällt dem Petrus so schwer, sich von Jesus bedienen zu lassen, weil auch internalisiert hat, dass man sich durch das unverdiente Empfangen verschuldet. Hingabe ist kein Modell dieser Welt. So wenig er zulassen wollte, dass Jesus den Weg der Selbsthingabe bis an das Kreuz geht, so wenig kann er zulassen, dass der Herr und Meister ihm die Füße wäscht. Im Hause eines Herrn Petrus würde der hohe Gast nie und nimmer das Klo putzen dürfen. Dafür hat man Sklaven (oder Ehefrauen).
  • Jesus aber sagt unmissverständlich: Anteil an ihm hat nur, wer sich von ihm beschenken und bedienen lässt. Anteil an Jesus und dem von ihm verkündeten Gottesreich hat nur, wer sein Vertrauen nicht auf die eigene Vorleistung setzt, sondern sich zuvorderst beschenken lässt. So und nur so will Jesus seine Jünger im Glauben: Als eine Gemeinschaft der Kirche, die das System von Geben und Nehmen durchbricht und statt dessen anbrechende Wirklichkeit der Gottesherrschaft ist: Vertrauen auf das Geschenk Gottes, statt auf den Tauschhandel mit eigenen Vorleistungen.
  • Gott durchbricht den Kreislauf von Geben und Nehmen. Ich muss Gott nichts geben, um ihn zu begegnen und zu empfangen. Ich muss nur eines machen: Ihn willkommen heißen, indem ich in mir Raum lasse, in den er eindringen kann. Ohne diesen Raum des Schweigens, ohne die Unterbrechung der Hektik, ohne Stunden, Minuten oder wenigstens Sekunden, die nicht verplant und nicht verwerkelt sind, bleibt kein Raum für das große Geschenk, das Gott mit seiner Gegenwart uns macht.
    Eben dies ist das Geheimnis der Eucharistie, des Heiligen Abendmahls. Heute kann in der Gedächtnis-Feier für uns gegenwärtig werden, was Gott an uns tut: Er schenkt sich leibhaftig, uneingeschränkt. Nichts, das ich ihm dafür geben könnte oder müsste. Kein Warenkreislauf, kein Geben und Nehmen. Nur eines: Die Sehnsucht, den Hunger, die Bereitschaft ihn anzunehmen, die kann durch nichts ersetzt werden. Die zum Empfang der Kommunion geöffneten Hände sind dafür ein Zeichen. Gott will sie füllen. Amen.