Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest der hl. Familie (Lesejahr C) 2009

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27.12.2009 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Dem Vater gehorsam

  • Gehorsam gegenüber dem Vater ist das oberste Gebot. Jesus hat es so gehalten. In seiner Nachfolge gilt das für jeden Christen. Ohne den Gehorsam gegenüber dem Vater wenigsten zu wollen, wären wir meilenweit vom Evangelium und von Jesus Christus entfernt.
  • Allerdings ist hier nicht von Josef die Rede. Jesus nennt Gott so selbstverständlich "meinen Vater", dass es selbst seine Mutter Maria irritiert hat (und Josef dürfte es auch nicht leicht gefallen sein). Wenn Maria den 12-jährigen vorwurfsvoll fragt: "Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht", dann antwortet Jesus völlig unbeeindruckt: "Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?" Er hält es noch nicht einmal für nötig, Josef und Maria eine Erklärung zu geben. Wenn sie nicht selbst darauf kommen, scheint der Knabe Jesus zu meinen, dann hilft es auch nicht, es ihnen zu erklären. Und so notiert der Evangelist über die beiden Erwachsenen "Sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte."
  • Für Jesus ist es ein Müssen, in dem zu sein, was seines Vaters ist. Das bezieht sich erst einmal natürlich auf den Tempel, das Haus Gottes, wo er sich aufhält. Wörtlich heißt es aber im Evangelium, dass Jesus "in dem sein muss, was seines Vater ist". Und das bezieht sich eben nicht nur auf das steinerne Haus des himmlischen Vaters auf Erden, sondern auch und zuerst auf seinen Willen. Jesus "muss" im Willen seines Vaters sein und existieren. Im Johannesevangelium drückt Jesus das so aus: "Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat" (Joh 4,34).

2. Im Gehorsam leben

  • Als Christen können wir keinem Menschen gehorsam sein. Genauer: Wir können keinem Menschen um seiner selbst willen gehorsam sein. Wir dürfen andere Menschen lieben und achten, wir dürfen ihnen Gutes tun, aber wir dürfen ihnen nicht um ihretwillen gehorsam sein. Als Jünger Jesu zu leben bedeutet, dass einzig und allein Gott gegenüber Gehorsam möglich ist. Deswegen auch überliefert das Matthäusevangelium das Wort Jesu: "Ihr sollt niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel." (Mt 23,9).
  • Der Vater im Himmel kommt vor jedem Vater auf Erden, und mag er sich auch 'Heiliger Vater' oder 'Herr Pater' nennen lassen. Natürlich ist Gott weder männlich noch weiblich. Aber Jesus scheint sich weniger Sorgen wegen eines falschen Gehorsams gegenüber der Mutter und Frauen gemacht zu haben. Deswegen ist ihm die Anrede "Vater" für Gott wichtiger: Es geht um den Gehorsam.
  • Zu Recht sind wir gegenüber jedem Gehorsam skeptisch. Vielleicht ist es aber wichtig zu sehen, dass die Überhöhung des Vater-Gehorsams in der Familienideologie seit dem Beginn der Industrialisierung und die Überhöhung des Gehorsams in den modernen Militärmaschinerien und den brutalen Diktaturen seit dem 20. Jahrhundert damit einhergeht, dass geleugnet wird, dass es eine Pflicht zum absoluten Gehorsam gegenüber Gott gibt. Denn wann immer sich der Mensch an diese Stelle setzt, geht es schief. Das gilt sogar für mich selbst: Wenn ich gegenüber meinen eigenen Trieben und Bedürfnissen einfach nur gehorsam bin, dann habe ich verloren, was des Menschen höchste Würde ist.

3. In die Hände des Vaters

  • Das letzte Wort Jesu, das das Lukasevangelium überliefert ist: "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist". (Lk 23,46). Wie der Gehorsam gegenüber dem Vater sein erstes Wort war, ist das Vertrauen in den Vater sein letztes. Dieses letzte Wort des Vertrauens spricht Jesus am Kreuz, an das ihn menschliche Autoritäten geschlagen haben. Er hatte sich dem Urteil des Pilatus unterworfen, weil für ihn das oberste Gebot, ja die Lebensspeise war, den Willen des Vaters zu tun. Das aber bedeutet für Jesus zu allererst, nicht selbst der Sünde zu verfallen, sondern der Liebe treu zu bleiben. Das ist das bleibend Gültige auch für uns: Um Gottes willen sich nicht von Menschen dazu zwingen zu lassen, die Liebe zu verraten und der Sünde zu verfallen.
  • Um Gottes Willen können wir Menschen gegenüber gehorsam sein. Nachdem der 12jährige im Tempel klar gestellt hatte, wem er Gehorsam schuldet, hat er keine Probleme mit Josef und Maria nach Nazareth zurück zu kehren und den Eltern gehorsam zu sein. Aber das kann er erst, nachdem er völlig klar gestellt hat, wer sein eigentlicher Vater ist. Mit ihm gilt das auch für jeden Getauften. In der Taufe hat Gott jeden von uns als sein Kind angenommen. Ab da steht jede menschliche Autorität, auch die der irdischen Eltern, unter Vorbehalt. Niemand kann mich zur Sünde verpflichten; eher lasse ich mich kreuzigen.
  • Zumeist wird es nicht um Sünde gehen, wenn Menschen unseren Gehorsam fordern: in der Familie, im Beruf, in der Gemeinschaft. Obwohl es immer wichtig ist, diesen Extremfall völlig klar zu halten. Wo es aber nicht um Sünde geht, da haben auch Christen keine Probleme, Menschen gehorsam zu sein, wo es angemessen und sinnvoll ist. Vielleicht ist es sogar mehr: Dass ich als Christ dort, wo es keine Sünde ist, den Gehorsam gegenüber Menschen dankbar übe, weil es eine Übung ist, mehr gegenüber mir selbst frei zu werden. Denn das wird das Ziel meines Lebens bleiben: Überall nach dem Willen Gottes zu suchen, der mehr Glaube, mehr Hoffnung und mehr Liebe in diese Welt bringen will. Diesen Willen zu suchen und ihm gegenüber gehorsam zu sein, macht nicht unfrei, sondern frei. Amen.