Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Dreifaltigkeits-Sonntag im Lesejahr B 1991 (Jugendgottesdienst)

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25. Mai 1991 - Jugendmesse St. Evergislus, Bonn Bad-Godesberg

Hinweis: Nach dem Evangelium wurden von Jugendlichen szenisch "Frühstücksgespräche" präsentiert, in denen sich die beteiligten Familienmitglieder mehr an ihrer Zeitung und mehr an sich selbst interessiert zeigen als an dem, was der jeweils andere sagt. In der letzten der Szenen gibt es wegen eines Streiks keine Zeitung. Auf einmal sind die Protagonisten sich ausgeliefert...

1. Zuviel Show?

  • Ist das der Heiligen Messe angemessen, wenn wir solche Äußerlichkeiten wie so ein szenisches Spiel in sie hineintragen? Lenken nicht alle Äußerlichkeiten von dem zentralen Anliegen ab. Ist das nicht unangemessen und unandächtig, ja störend. Oder, wohlwollender gefragt: Was bleibt davon hängen? Ist nicht der Inhalt das Entscheidende am Glauben?
    Ja und nein, denn der ewige und unsichtbare Gott ist uns in Tat und Zeichen nahe gekommen. Die Offenbarung ist eine Tat Gottes und eine Erscheinung Gottes. Die Hl. Schrift ist Zeugnis dieser Ereignisse, keine Sammlung erbaulicher Theorien.
  • Was wir von Gott wissen, wissen wir aus der Erfahrung des Menschen: Der Erfahrung des Volkes Israel, aus der Erfahrung der Kirche, dem Neuen Volk Gottes, aus persönlicher Erfahrung und dem Zeugnis anderer Menschen. Dabei ist die keineswegs selbstverständliche Grundüberzeugung der Christen: Gott zeigt sich so, wie er ist. Dort wo wir Gott erfahren - und die Heilige Schrift ist verlässlich Dokument der Erfahrung Gottes -, dort erfahren wir Gott nicht "irgendwie", sondern so, wie Gott ist.
  • Es geht bei dieser Feststellung um nicht mehr oder weniger als darum, dass wir Gott nicht zerreißen und zum Spielball unserer Theorien machen, sondern wissen um die Einheit Gottes mit sich selbst. Der Glaube an Gott, den Einen, ist daher als ein Praxis-Glaube, keine Spekulation.
    Diese Praxis, diese Erfahrung heißt, dass der Vielfältigkeit und Vielgestaltigkeit der Welt eine Einheit und ein Sinn zugrunde liegt und gegenüber steht. Dies ist zugleich die Hoffnung der Glaubenden für diese Welt: Dass nicht alles zerfällt, sondern in Gott bewahrt bleibt.
    Eine solche Hoffnung macht andere Haltungen unmöglich, die Hoffnung ist exklusiv! Mit einer solchen Hoffnung ist es unvereinbar, dass wir die Wirklichkeit unserer Welt und unserer Gesellschaft auseinander laufen lassen; jede postmoderne Wertverweigerung ist damit unvereinbar. Jede subjektive Beliebigkeit, die meint nicht Rechenschaft ablegen zu müssen verträgt sich nicht mit der Hoffnung auf die Einheit des Universums in Gott.
    Es ist also deutlich: Hier geht es wiederum nicht um Theorie, sondern um Praxis, Glaubens-Praxis.

2. Das Du Jesu zum Vater im Geist

  • Dadurch dass Gott der Eine ist, der Vielgestaltigkeit der Welt gegenüber, ist Gott aber doch nicht der objektive und ferne, von der Welt getrennte. Diese Angst des Menschen dringt - mehr oder weniger sublim - immer wieder durch. Es ist die Angst, dass alles eben doch keinen Sinn hat.
    Dagegen steht schlicht: Jesus redet den Vater mit Du an. Die Jünger lernen von ihm das Vater Unser. In Jesus kommt das zur Vollendung, was Heilsgeschichte ist: Der Mensch in Beziehung zu Gott.
    Darauf basiert auch die Erfahrung der Jünger: Jesu besondere Beziehung zum Vater - "Ich und der Vater sind eins" - strahlt auf sie aus. Nach Ostern, als sie die Eigenart der gekreuzigten Liebe geschaut haben, machen sie auch die Erfahrung: In Jesus Christus ist Gott unter uns gegenwärtig geworden. Daraus rührt die Erfahrung der Kirche: Gott ist nicht beziehungslos-isolierte Einheit. Jesus, der gegenwärtige Sohn Gottes, betet zum Vater. Gott ist der eine und dennoch Beziehung.
  • Auch dies ist unmittelbar Praxis, nicht Theorie. Denn damit ist es unvereinbar, ein Leben ohne Gebet führen zu wollen. Wenn Gott Beziehung - Liebe - ist, dann kann ich mich als Gottes Geschöpf nicht in die Verweigerung einer Antwort fallen lassen. Wenn dieser Gott unser Vater ist, ist ein Leben als Monolog ohne Zuhören und Wahrnehmen des anderen nicht mehr möglich.
    Hier geht es nicht nur um die mürrische Frühstücks-Idylle, die vorhin aufgeführt wurde. Es ist mit Gott, dem beziehungsreich-dreifaltigen auch jede sublime Form der menschlichen Kommunikationsverweigerung unvereinbar, wo Medien, zumal elektronische, nicht mehr Medium, Vermittelndes, sind, sondern die Menschen in der glotzenden Masse voneinander isoliert.
    Auch Gott führt keinen Monolog, er ist nicht der alte Mann, der belehrend und ermahnend uns das Leben schwer machen will. Im Gebet Christi an den Vater haben wir teil am dialogischen, liebenden Verhältnis Gottes.
  • Dass diese Beziehung Jesu zum Vater uns nicht aus-, sondern einschließt hat einen Namen: Der Heilige Geist.
    Wiederum: Es geht nicht um Spekulation, hier ist Erfahrung. Die Erfahrung, dass Christi Geist bei seiner Kirche ist. Dass er lebt. Es geht um die Erfahrung der Nähe zu Gott, die die Nähe zu Christus schenkt und die uns staunend fragen lässt: Was ist das, was uns rufen macht "Abba - lieber Vater".
    So entsteht das Bild der Dreifaltigkeit Gottes. Wir glauben an den einen Gott, der unter uns Mensch geworden ist in Jesus Christus, und an dessen liebendem Verhältnis zu Gott wir teilhaben dürfen im Heiligen Geist. Damit ist Dreifaltigkeit die zentrale Aussage des Credo. Wenn wir nicht an den Dreifaltigen Gott glauben, glauben wir letztlich gar nicht. Gott bleibt fern und für uns allerhöchstens ein Gedankending.
    Erinnern sie sich an den Apostel Johannes: "Gott ist die Liebe". Nicht nur: Gott liebt. Er ist in sich, von seinem Wesen her Liebe. Die Liebe des Vaters zum Sohn, in dem er den Menschen liebt. Die Liebe des Sohnes zum Vater, durch die er uns mitnimmt auf den Weg des Heiles. Und der Geist, der diese Liebe selbst ist.

3. Hineinleben in den Glauben durch Zeichen

  • Auch dies ist daher praktisch, weil es unvereinbar ist mit einer dem widersprechenden Lebens-Praxis: Jeder Glaube, der Gott diesen Reichtum der Liebe beraubt und ihn zum Spekulationsobjekt der einander widerstreitenden Theologien macht ist Pseudo-Glaube. Jede Einheits-Ideologie, die die Verschiedenheit und Vielfalt der Schöpfung zerstört, wird unmöglich: All die Parolen: "Eine Klasse", "Eine Nation", "Eine Wahrheit", "Eine Partei", ein starker Mann, eine Lösung für alle Probleme - all das bricht sich an der Vielfalt Gottes, Gottes beziehungsreiche Dreifaltigkeit.
    Schließlich ist damit auch unvereinbar ein individueller Glaube, der nur Gott und mich zulässt. Ein Gottesverhältnis ohne Kirche, ohne die Gemeinde derer die von Gott berufen sind, ist nicht möglich. Denn Gott öffnet sich im Sohn und ist mit ihm verbunden im Heiligen Geist.
    Wir können die Isolation nur in der Gemeinschaft des Glaubens überwinden: "Wo Menschen wieder miteinander sprechen ist Gottes Geist gegenwärtig" beten wir im Hochgebet.
  • Das Paar, das hinter Zeitungen vor sich hin monologisierte, kann für uns daher zu einem Zeichen des Glaubens werden, wenn es die Trennung überwindet. Dabei war es ein zufälliges, "äußerliches" Ereignis: Die Zeitung bleibt aus.
    Sicher, Sie können sagen, dass das nur ein effekthaschender Gag ist. Aber vielleicht können wir so etwas ja auch als Zeichen lesen. Uns von diesen Zeichen im Glauben stärken zu lassen.
    Der Heilige Ignatius von Loyola musste, wann immer er drei Dinge beisammen sah, an den dreifaltigen Gott denken. Dass könnte man lächerlich machen. Für ihn war es das Entdecken der Spuren der Liebe Gottes im anderen.
  • Ich fordere Sie auf, die Äußerlichkeiten in ihrem Leben ernst zu nehmen, als Fingerzeige Gottes. Aus den Zufällen, wie einem Zeitungsstreik in unserer Szene, kann vielleicht mehr Erfahrung des lebenspraktischen Gottes werden, denn aus mancherlei Theorie. Die Erfahrung hinter Zeitungen - und der Unterschied jetzt als Gemeinde um den Altar - das sollte uns ein Zeichen werden, dass uns der dreifaltige Gott teilhaben lässt an der beziehungsreichen Liebe, die er selber ist. Amen.