Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest Christi Himmelfahrt Lesejahr A 2014

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29. Mai 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Ökumene der Photoapparate

  • Das Bild der vergangenen Woche: Der Papst an der Klagemauer in Jerusalem, zusammen mit dem Iman und dem Rabbi, den Arm weit ausgestreckt, die Handy-Kamera in der Hand, um ein Self-Pic zu schießen, als Erinnerungsphoto an seine Pilgerfahrt ins Heilige Land - dieses Bild gibt es nicht, auch wenn viele Pressephotographen den Augenblick festgehaltenhaben. Ein Self-Pic hat der Papst meines Wissens nicht geschossen.
  • Darin unterscheidet er sich von der Mehrzahl der Pilger. Vor zwei Wochen waren wir mit einer Gruppe von Christen aus 7 verschiedenen Konfessionen aus Hamburg in Jerusalem. Anlass war das 50-jährige Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hamburg. Die Fahrt war ein ganz besonderes und gnadenhaftes Erlebnis. In Jerusalem durften wir die Wurzeln der Ökumene finden, die wir in Hamburg nun so lange schon erleben dürfen.
  • Aber auf die Ökumene der Photoapparate war ich nicht gefasst. An den heiligsten Orten der Geburt, des Wirkens, des Leidens, des Sterbens, der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu scheint es den christlichen Pilgern aus aller Herren Länder wichtiger zu sein, auf einem Photo zu erscheinen, als zu beten. Ich möchte hoffen, dass mich der Augenschein getrübt hat, aber dem ist wohl nicht so. Die Pilger stellen sich neben das Grab Jesu und grinsen in die Kamera; nicht alle (die Hamburger natürlich gar nicht!), aber doch sehr viele.

2. Realität

  • Mir scheint es wichtig, über so etwas nicht nur zu schimpfen, sondern den Versuch zu unternehmen, zu verstehen was diese Menschen - vermutlich unbewusst - bewegt. Vermutlich wollen sie nicht unandächtig sein. Vielleicht empfinden es viele als Teil ihrer Frömmigkeit und sehen gar keinen Widerspruch zwischen der Wallfahrt an Heilige Stätten und der Tatsache, dass sie an den heiligsten der heiligen Orte sich selbst in das Photo hineinstellen. Diese Bilder sind ihnen Garant der Realität des Erlebten. Erst das Photo macht es für 'real' und wirklich, für sie selbst und für alle, denen sie von ihrer Pilgerfahrt berichten. Denn auch von meiner Fahrt nach Jerusalem haben Sie jetzt nur diese paar dürftigen Worte und kein Bild, das das Berichtete ja nicht nur illustriert und anschaulich macht, sondern belegt.
  • Photographien sind in Fortführung der Malerei eine Erfindung des christlichen Abendlandes, auch wenn die Phototechnik ihre größten Erfolge wohl in Asien feierte. Es könnte einen Zusammenhang zwischen der biblisch geprägten Kultur und dem Bild geben. Man merkt das an den immer neuen Versuchen, den Glauben von der Gefährdung des Bildes zu reinigen und zu befreien. In diese Tradition gehört nicht nur der Calvinismus, sondern sogar bereits in gewisser Weise der Islam. Immer wurde Anstoß daran genommen, dass der Glaube sich an äußeren Dingen, an Bildern und Beweisen festmacht - statt vertrauender Glaube zu sein. Damals richtete sich das nicht gegen Self-Pics vom Heiligen Grab, sondern gegen Bilder, Statuen, Reliquien, Turiner Grabtücher, Kerzen, kurz das ganze Sinnenhafte und Konkrete.
  • Irgendwo ist diese Idee tief in der Lehre Jesu verankert, vielleicht sogar das Kernstück seiner Religionskritik. Der Bildersturm, der alle Bilder und alles, was im Verdacht stehen könnte, als Glaubensbeweis missverstanden zu werden hinwegfegen will, ist aber eine Überreaktion, bei der etwas Wesentliches, Biblisches verloren zu gehen droht. Denn letztlich ist es Gott selbst, der uns ein Bild von sich gibt, wenn er in Jesus Christus Mensch wird. Gott selbst, so glauben wir, ist in der Geschichte Handelnder. Offenbar sind bildhafte Ereignisse besser geeignet, etwas von Gott erlebbar und nachvollziehbar zu machen, als eine blanke Theorie, die meint, Sprache komme als 'reines Wort' ohne Bilder aus. Das kann Sprache nicht, die selbst in vielem dem Bild verwandt ist. Und manche Wirklichkeit lässt sich in einem Bild präziser, wahrer, sachgemäßer und personaler mitteilen als es Worte je könnten.

3. Himmelfahrt

  • Deswegen stellt Matthäus an das Ende seines Evangeliums ein Bild: Jesus, der Auferstandene in Galiläa, die Elf als Zeugen bei ihm (denn Judas fehlt), auf einem Berg wie damals bei der großen Predigt, die Apostel verehren ihn mit Gesten der Gottesverehrung ("fielen sie vor ihm nieder"), trotz einigem Zweifel (besser so zu übersetzen als "Einige hatten Zweifel"). Auch wenn es mit Worten gemalt ist: Das ist ein Bild und keine theoretische Abhandlung. Es ist ein Bild, in dem sich die Erfahrung des Auferstandenen und der von ihm ausgehenden Sendung mit der Geschichte der jungen Kirche verbindet. Denn die Apostel haben ja sehr bald die Erfahrung gemacht, dass Gottes Geist mit dem, was Jesus aufgetragen hatte, nicht nur im eigenen Volk, sondern unter allen Völkern Menschen berührt und berufen hat. Sie haben gemerkt, dass sie nicht schüchtern die Botschaft Jesu verstecken müssen, sondern sie lehren dürfen "alles zu befolgen, was er ihnen geboten hat"). Mit jedem Schritt, den die Apostel und zunehmend andere Jünger hinaus gegangen sind in die Welt, haben sie die Universalität der Wirklichkeit des Auferstandenen Herrn erfahren, der sich nicht eingrenzen lässt. All dies, die Sendung des Auferstandenen wie die Erfahrung der ersten Kirche fasst das Evangelium in ein Bild zusammen, als Höhepunkt und Abschluss.
  • Lukas, der nach Matthäus sein Evangelium und die Apostelgeschichte geschrieben hat, führt dieses Evangelium fort, indem er ein Bild schafft, dass das Bild auflöst: Jesus wird vor den Augen der Apostel zum Himmel emporgehoben. Er geht ein in die Herrlichkeit des Vaters. Und während die Augen der Jünger noch zum Himmel gerichtet sind, spricht sie Gottes Engel an und verweist sie auf ihre Sendung. Das Wort Gottes ist in Jesus Fleisch geworden, leibhafte Ikone. Aber dieses Bild, Christus, den wir im Sakrament berühren, will nicht festgehalten sein. Das Bild ist nicht Endpunkt, sondern Anfangspunkt.
  • Bilder, auch die besten Photographien, sind kein Beweis des Göttlichen. Ein Self-Pic der Apostel, auf dem im Hintergrund die himmelwärts entschwebenden Füße Jesu zu sehen wären - auch solch ein Beweis wäre leer und nichts. Die Lebendigkeit des Auferstandenen erweist sich für uns nur auf andere Weise: Wenn wir uns durch die Bilder hinführen lassen zu einer tieferen Beziehung zu Gott und senden lassen zu allen Menschen, um in allem sein Reich zu suchen und seine Gegenwart zu erfahren. Amen.