Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 7. Sonntag im Lesejahr A 2014 (Matthäus)

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23. Februar 2014 - (Juist)

1. Vollkommenheit

  • Am Ende überspannt Jesus den Bogen. Schon zuvor dürften viele dankend abgewunken haben, weil die Forderungen Jesu mehr sind, als man sich gemeinhin zutraut. Am Ende dürften aber auch die Gutwilligsten abspringen: "Seid vollkommen, wie auch eurer himmlischer Vater vollkommen ist ", das ist nicht mehr nur Überforderung.
  • Das klingt für jeden vernünftigen Menschen absurd, von sterblichen Menschen zu fordern, sie sollten vollkommen sein wie Gott.
  • Schon wie Jesus zuvor Gebote der Bibel auslegt hatte, klingt danach, dass das doch kein normaler Mensch leisten kann. Wenn die zehn Gebote fordern, man solle nicht morden, klingt das nach einem vernünftigen, lebbaren Gebot. Wenn Jesus meint, man dürfe noch nicht einmal im Herzen zürnen, dann klingt das nach der Übertreibung eines Schwärmers.

2. Forderungen

  • Im heute gelesenen Abschnitt der Bergpredigt prallen ebenso vernünftig klingende Gebote, auch wenn sie so genau nicht in der Bibel stehen, auf schwärmerisch klingende Übertreibungen. "Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen", klingt zwar etwas hart, aber ausgesprochen realistisch. Ganz im Gegen teil dazu: "Wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel."
    So gesehen führt sich die Bergpredigt selbst ad absurdum.
  • Oder ist es nur so, dass hier ganz bewusst eine bestimmte fromme Lesart der Bibel ad absurdum geführt wird, nämlich die Meinung, hier ginge es um moralische Leistung, und noch mehr Leistung und noch mehr Perfektion, immer weiter. Bis dann am Ende steht, wir sollten so vollkommen sein wie Gott - und an dieser offensichtlich ins Absurde gesteigerten Linie deutlich wird, dass es genau darum niemals gehen kann, dass nur ein moralischer Supermann durchgeht und wir Normalos keine Chance hätten.
  • An der Stelle lohnt die Erinnerung an den Abschnitt der Bergpredigt, den wir vergangenen Sonntag gehört haben. Jesus erklärt, dass er mit der Weise, wie er die Gebote der Bibel auslegt, kein Jota an den Geboten abschaffen will. Vielmehr will er diese Gebote lebendig machen, in dem er sie mit neuem Leben erfüllt. Erfüllung der Gebote der Bibel bedeutet: Weg vom toten Buchstaben, hin zur Erfüllung im jetzt durch lebendigen Glauben.

3. Vollkommenes Vertrauen

  • Um welche Vollkommenheit geht es also, wenn wir darin Gott nacheifern können sollten? Sollen wir vollkommen allmächtig sein? Ganz sicher nicht. Auch nicht um eine vollkommene Liebe geht es, die in allem mindestens einhundertprozentig wäre (als ließe sich Liebe so messen). So kann nur eine Vollkommenheit gemeint sein, in der wir vollkommen sein sollen - und können - wie unsrer himmlischer Vater vollkommen ist. Dies ist das vollkommene Vertrauen.
  • Es ist ein immer wieder gewöhnungsbedürftiger Gedanke, dass Gott mir vertraut, gar vollkommen vertraut. Und doch geschieht genau das jedes Mal, wenn Gott sich in seinem geliebten Sohn in unserer Hand gibt. Im Sakrament hat er seine Gegenwart an das Brot gebunden, das uns zur Speise gegeben wird. Obwohl er seine Kirche kennt und es besser wissen könnte, gibt er sich auch heute in unsre, in meine Hand, in einem unglaublichen Vertrauen.
  • In diesem Vertrauen will Jesus die Gebote der Bibel neu lesen und mit Leben erfüllen. Nicht in der kleinlichen Rechnung, wie viel Prozent Gebotserfüllung denn notwendig sei, um in den Himmel zu kommen, sondern in einem Akt des Vertrauens, der so wenig berechenbar ist, wie Gottes Vertrauen in uns.
  • Solches Vertrauen kommt einer Kapitulation gleich. Es fühlt sich an wie der Augenblick, in dem Sie aufhören, sich und den Menschen etwas vorzumachen und einem anderen Menschen, dem Sie vertrauen, etwas gestehen, von dem Sie immer dachten, dass es nie jemand erfahren dürfe. Und dann gibt es den Augenblick, an dem Sie über sich hinauswachsen und Sie gleich einer Kapitulation einem Anderen Ihr Herz öffnen.
    Solches Vertrauen ist gemeint, wenn Jesus uns zumutet, nicht nur den Mantel zu geben, sondern sogar das Hemd. Das hat dann nichts mehr mit Moral und Leistung zu tun, sondern gleicht eher der Kapitulation des Herzens vor einer Liebe, der ich lange nicht zu vertrauen wagte, um auf einmal zu merken: Es geht doch. Amen.