Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2015 (1 Johannes)

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17. Mai 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Bleiben

  • Etwas Gutes, das bleibt. Abwechselung ist schön und gut. Aber die meisten Leute haben eher zuviel davon. Aufgaben wechseln, Schule und Lehrer wechseln, Orte und Beziehungen wechseln.
  • Kein Wunder, dass es immer mehr Menschen - nicht nur Kindern - enorm schwer fällt, mal auch nur ein paar Minuten ruhig bei einer Sache zu bleiben, mal den Gedanken Raum zu lassen, statt schon wieder zum Smartphone zu greifen. Mal all das bleiben lassen, um die tiefe Sehnsucht zu spüren, ob es nicht doch etwas Gutes gibt, das bleibt und auf das ich mich verlassen kann.
  • Das Wort "bleiben" ist im Johannesevangelium und in den Johannesbriefen ein Schlüsselwort. Für uns heute hat es vermutlich eine besondere Bedeutung bekommen: In einer Welt, in der alles ständig geändert wird, und man sich auf nicht verlassen zu können scheint, bietet Jesus eine Bleibe. Er lädt die Christen zu einer bleibenden Beziehung ein.
    In Jesus zeigt sich Gott, wie er ist. Gott 'offenbart' sich in Jesus. Wer an Jesus nicht einfach nur vorüber geht, sondern beginnt, auf ihn zu vertrauen (denn das heißt: zu "glauben") "in dem bleibt Gott, und sie oder er bleibt in Gott".

2. Lieben

  • Bleiben ist aber nur gut, wenn es ein Bleiben im Guten ist. Es gibt genug schlechtes Bleiben: Hass, Vorurteile, ungerechte Strukturen und Armut. Bleiben als solches ist nicht schon ein Wert.
  • Daher heißt es in der Lesung: "Gott ist Liebe". Es geht also um bleibende Liebe. Es heißt "Gott ist Liebe" und nicht etwa: Die Liebe ist Gott. Denn eine Liebe, die nicht zumindest bleibend sein will, ist nicht die treue Liebe, die hier gemeint ist. Für wen Liebe nur ein Gefühl ist, der versteht das nicht.
    "Gott ist Liebe", aber nicht in allem, was sich Liebe nennt, finden wir Gottes Gegenwart. Wir sehen die Liebe Gottes vielmehr in der Treue Jesu - einer Treue, die bereit ist notfalls bis zum Kreuz zu gehen und daher den Namen Liebe verdient.
  • "Niemand hat Gott je geschaut". Was wir aber erfahren und erkennen können, ist die Liebe, die uns möglich ist, wenn wir aus der Verbundenheit mit Gott in Jesu Christus leben. "Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm."

3. Sakramente

  • Wir feiern heute die Heilige Messe. Sie ist die Erfahrung im Zeichen des Brotes, dass Christus bleibend unter uns ist.
    Von Jesus hat Gott gesagt: "Das ist mein geliebter Sohn" (Mk 9,7). In Jesus ist Gott selbst Mensch geworden, verbindlich sozusagen. Vom Brot des Altares hat Jesus gesagt: "Das ist mein Leib" (Mk 14,22). In diesem Brot will Jesus in uns bleiben, ganz verbindlich.
  • Jesus will, dass wir in diesem Brot bleibend seine Gegenwart erfahren, bis das Reich Gottes vollendet ist (vgl. Mk 14,2). Von Anfang an haben die Jünger dieses Brot gebrochen und Gott dafür gedankt, dass Jesus in seinem heiligen Leib ihre Speise ist. Die heilige Eucharistie, die Danksagung an Gott für die bleibende Gegenwart Jesu, wurde in Katakomben und Kathedralen, in fröhlichem Lobpreis in lichtdurchfluteten Kirchen und heimlich in den Gefängnislagern der Diktaturen gefeiert. In all der Verschiedenheit, das Bleibende, dass Jesus seinen Leib denen gibt, die seine Kirche sind.
  • Aber auch für das Sakrament gilt: So sehr im gebrochenen Brot Christus bleibend und treu gegenwärtig ist, so sehr verliert dieses Sakrament seine Lebendigkeit, wenn daraus nicht ein Leben aus Liebe wird. Wer die treue Liebe im Alltag nicht lebt, für den wird auch das Sakrament des Leibes Christi irgendwann schal und leer. Oder in den Worten des Johannesbriefes: "Nur wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm." Amen.