Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 6. Sonntag im Lesejahr B 2006 (1. Korintherbrief)

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12. Februar 2006 -

1. Rücksichtnahme

  • Rücksichtnahme scheint eine nette Angewohnheit zu sein. Paulus erhebt sie zur göttlichen Tugend. Wo ich durch mein Verhalten anderen Anlass zum Ärgernis (skandalon) gebe, ist Rücksichtnahme für ihn keine Kleinigkeit. Das versteht Paulus als wichtigen Grundsatz für das Zusammenleben in der christlichen Gemeinde. Gebt niemandem einen "Anlass zu einem Vorwurf!"
  • Paulus beschäftigt sich mit dem Thema aufgrund einer Anfrage aus der Gemeinde aus Korinth. Dürfen Christen Fleisch essen, das auf dem Markt verkauft wurde, nachdem es in einem heidnischen Tempel den Göttern als Opfer dargebracht wurde? Eigentlich ist das eine einfache Frage. Da es die Götter nicht gibt, da alle Götter nur Götzen sind, kann es Christen egal sein, woher das Götzenopferfleisch stammt, solange es kein Gammelfleisch ist. Aber Paulus schränkt ein: Wenn andere in der christlichen Gemeinde, deren Glaube noch schwach und ungefestigt ist, daran Anstoß nehmen und in ihrem Glauben schwankend werden, dann soll man halt auf dieses Fleisch verzichten. Das gebietet die Rücksichtnahme.
  • Die Einzelfrage führt zum Grundsätzlichen. Christen sollen "allen in allem entgegenkommen". Darin ahmen sie Christus nach. Darin berühren sie das Zentrum unseres Glaubens an den Gott, der uns in unserer Welt entgegenkommt, da er selbst Mensch wurde. Aus Rücksicht auf uns wurde Gott unter uns Mensch.

2. Der Papst über die Liebe

  • Papst Benedikt hat sich mit seiner ersten Enzyklika, dem Rundbrief an die ganze Kirche, ein Programm gegeben. "Deus Caritas est", "Gott ist Liebe", heißt das vergleichsweise kurze Schreiben. In seinem ersten Teil ist es ein sprachlich und inhaltlich anrührendes und tiefes Zeugnis von der zentralen Stellung der Liebe in der Verkündigung des Alten und des Neuen Testamentes und in unserem Glauben. In höchsten Tönen spricht der Papst von der Liebe, auch und gerade von der Liebe zwischen Mann und Frau.
  • Es ist vielleicht die erste Enzyklika in der das Wort "Sex" vorkommt. Aber fast alle Themen, die man konkret zu dem Thema erwarten mag, fehlen. Kein Wort über Kondom und Pille, nichts zu Homosexualität oder andere Themen, die hierzulande hoch umstritten sind. Hat der Papst das ausgelassen, um seinen Kritikern Sand in die Augen zu streuen? Schwenkt er im Kurswechsel auf populäre Positionen Westeuropas ein?
  • Ich vermute, dass der Papst zu all diesen Fragen in der Kontinuität seines Vorgängers (und seiner selbst) steht. Würde er all das, was er über die Liebe und die Leiblichkeit des Menschen allgemein sagt, konkretisieren und sagen, was er zu den einzelnen Fragen der Sexualmoral denkt, würden sich alle Kritiker wie Anhänger bestätigt finden. Benedikt aber tut es nicht. Ich habe den Eindruck, er tut es nicht aus Rücksichtnahme.

3. Christus zum Vorbild nehmen

  • Auch Paulus hat zu der konkreten Frage "Götzenopferfleisch" eine eindeutige Antwort. Wichtiger aber ist ihm das Grundlegende, der Kern der christlichen Botschaft. Denn mögen auch andere aus diesem Glauben zu anderen Antworten in der konkreten Frage kommen. Entscheidend ist, dass wir gemeinsam von der Mitte des Glaubens her nach diesen Antworten suchen.
  • So verstehe ich diese Enzyklika. Was die Beurteilung von Ehe und Sexualität anbelangt, gibt es in Westeuropa und den USA Positionen, die erheblich von der kirchlichen Tradition, dem Lehramt und der Meinung in anderen Teilen der Welt abweichen. Der Papst hat sicher dazu seine Meinung und wird sie auch sagen. In seiner programmatischen ersten Enzyklika aber macht er deutlich: nur vom Kern unseres Glaubens her können wir um die Antworten ringen.
  • Wir müssen uns "Christus zum Vorbild" nehmen, wollen wir Christen sein. Dieser suchte nicht den eigenen "Nutzen, sondern den Nutzen aller" und das nicht aus Opportunismus sondern, "damit sie gerettet werden". Viel zu oft schieben wir eigene Gewohnheit vor, tragen es als Quintessenz unseres Christseins vor uns her und stoßen damit andere vor den Kopf. Statt dessen sollten wir als Christen uns immer wieder auf den Kern des Evangeliums besinnen, um von dort her auch andere für den Glauben an Gott zu gewinnen, der sich uns schenkt. Voll Rücksichtnmahme.