Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2010 (Offenbarung/Johannes)

Zurück zur Übersicht von: 6. Sonntag der Osterzeit C

9. Mai 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Stadt vom Himmel

  • Die Szene kennt man aus Filmen: Ein riesiges Raumschiff, vorzugsweise rund, senkt sich vom Himmel über die Stadt und wirft ihren dunklen Schatten auf die Menschen. In den seltensten Fällen handelt es sich um freundliche Besucher aus dem All. Das große Raumschiff ist bedrohlich.
  • Wie aber ist es mit der Stadt, die der Seher Johannes sieht, die vom Himmel herabkommt? Er hat das nicht im Kino oder im Fernsehen gesehen. Vielmehr hat Gott ihm eine Vision geschenkt. Er ist ganz wach und doch sieht er etwas, was wie ein Traum ist. Er sieht eine große Stadt, die vom Himmel her kommt. Mögen die Raumschiffe im Kino groß sein. Diese Stadt ist unendlich größer: 2400 Kilometer misst sie nicht nur in der Länge und Breite, sondern sogar in der Höhe. Für Johannes sind das heilige Zahlen: alle Menschen dieser Erde haben Platz in dieser Stadt. Und möge das Raumschiff im Kino bedrohlich sein: die Stadt, die Johannes sieht, ist strahlend schön und einladend. Sie hat zwölf Tore, die weit offen stehen und Engel begrüßen die Menschen, für die diese Stadt bestimmt ist.
  • Diese Stadt kommt nicht von irgendwo im Weltraum. Was der Seher Johannes sieht ist vielmehr eine Wirklichkeit, die von Gott her im Kommen ist. Diese Stadt kommt nicht aus den Wolken. Was diese Vision ausdrückt ist, dass eine neue Schöpfung, neues Leben für die Menschen von Gott her in unsere Wirklichkeit kommt.

2. Nicht von Menschenhand

  • Menschen können - bis heute - keine so großen Raumschiffe bauen. Viel weniger noch gelingt es uns eine "Stadt vom Himmel" zu bauen. Schlimmer noch: Wo Menschen es versucht haben, da wurde aus dem vermeintlichen Paradies die Hölle von Ideologien und Gewaltdiktaturen.
  • Der Seher Johannes sieht die Stadt im Kommen. Ihr Licht und ihre Schönheit strahlt schon auf die Erde aus. Dieses Licht strahlt in unsere Städte und Häuser. Wo Menschen sich nach der neuen Stadt, dem neuen Himmel und der neuen Erde, ausrichten, da ist Gott am bauen seiner Stadt.
  • In unseren Städten brauchen wir Kirchen als Orte des Gebets. In der neuen Stadt sieht Johannes keinen Tempel "Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm." Das Ziel unseres Lebens ist diese Gemeinschaft mit Gott. Dann werden wir ganz und gar "Hausgenossen Gottes" (Eph 2,19) sein. Dies ist die Vision des Johannes. Er sieht die Zukunft dieser Welt, die Gott verwandeln wird vom Tod zum Leben. Er sieht aber zugleich, was schon Wirklichkeit ist: was schon begonnen hat, wo Gottes Geist Menschen berührt.

3. Schon gegenwärtig

  • Das ist es, was wir heute feiern. Das Neue kommt zu uns. Es kommt aber hier und heute nicht in der Gestalt der großen Stadt des himmlischen Jerusalem, sondern auf ganz andere Weise zu uns vom Himmel auf die Erde. Das neue Leben kommt in der Gestalt des Brotes. Dieses Brot ist Gott selbst in Jesus Christus.
  • Jesus selbst ist es, der auch heute das Brot bricht: So hat er es damals im Abendmahlssaal getan; so hat er es den Aposteln aufgetragen; diesen Auftrag haben die Apostel durch Handauflegung weitergegeben; so wurde es dem Priester, der heute am Altar steht, durch Handauflegung übertragen: Weil es nicht unser Werk als Menschen ist, sondern weil in seiner Kirche Jesus selbst für uns das Brot bricht, um unter uns zu sein.
  • "Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen." Im Evangelium benutzt Jesus selbst das Bild des Wohnens: Bei uns, ja in uns, will Gott seine Bleibe haben. Das ist das große Geschenk, das die Kinder, die heute zur Erstkommunion gekommen sind, zum ersten Mal empfangen. Gott will zu Euch kommen. Ihr dürft Eure Hand öffnen und das Brot empfangen, das vom Himmel her zu Euch kommt. Und wenn Ihr "festhaltet" an seinem Wort, wenn Ihr mit dem heutigen Tag Euch immer mehr verbindet mit ihm und aus dieser Heiligen Speise lebt, dann werdet Ihr erfahren, dass Gott bei Euch ist. "nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt", gibt Euch Jesus, sondern sich selbst, der bei Euch wohnen und bleiben will, damit ihr jeden Tag aus seiner Liebe lebt. Dann werden wir mit den Augen des Glaubens sehen, wie die himmlische Stadt im Kommen ist. Amen.