Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2009 (Apostelgeschichte)

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17. Mai 2009 - Hochschulgottesdienst St. Antonius Frankfurt

1. Kornelius

  • Kornelius war der erste Europäer, der Christ wurde. Er war römischer Hauptmann in Caesarea und stammte vermutlich aus Europa. Das 10. Kapitel der Apostelgeschichte erzählt, wie Petrus und Kornelius zusammengebracht worden sind: Beiden hat Gott eine Vision geschenkt. Am Ende steht die Taufe des Kornelius.
  • Die Geschichte des Kornelius aber beginnt schon früher. Am Anfang des 10. Kapitels heißt es: "Er lebte mit seinem ganzen Haus fromm und gottesfürchtig, gab dem Volk reichlich Almosen und betete beständig zu Gott." Aber als Nichtjude hatte er nie den Tempel besucht und nie am Synagogengottesdienst teilgenommen. Trotzdem unterstützte er das Volk Gottes finanziell. Das war seine Weise, als Kind des einen Gottes zu leben.
  • Kornelius ist daher so etwas wie ein Kirchensteuerzahler, der auch regelmäßig noch zusätzlich an die Caritas spendet. Er ist bewusst in der Kirche, auch wenn er (fast) nie den Gottesdienst besucht. Es ist verbreitet, solche "nichtpraktizierenden Christen" dafür zu tadeln. Im Blick auf Kornelius sollten wir damit vorsichtig sein. Wenn durchschnittlich 30% der deutschen Katholiken regelmäßig in den Gottesdienst gehen (sprich vielleicht ein bis zwei Mal im Monat, denn an einem Sonntag sind nur 12% anwesend), dann ist es doch ein Phänomen, dass 70% Katholiken sein wollen, durch Kirchensteuer gar das Volk Gottes unterstützen, obwohl sie im Gottesdienst keine Heimat gefunden haben.

2. "nichtpraktizierende" Katholiken

  • Kornelius durfte natürlich gar nicht am Synagogengottesdienst teilnehmen. Er war Heide, der die Reinheitsregeln Israels nicht beachten konnte. Dabei werden in der Apostelgeschichte gar nicht die Reinheitsregeln kritisiert. Sie haben über Jahrhunderte wesentlich dazu geholfen, dass Gott sein Volk im Glauben heranbilden und aus der Mitte Israels die Jungfrau Maria Jesus gebären konnte. Ohne Reinheitsregeln wäre aus den versprengten Kinder Israels nie das Volk Gottes geworden. Auch die Kirche muss Profil haben. Was Petrus aber in seiner Vision gelernt hat ist, dass nun Gott die Zeit für gekommen hält, dass auch Nichtjuden zum Neuen Volk Gottes hinzu kommen. Kornelius ist der erste.
  • Kornelius durfte nicht zum Synagogengottesdienst. Die 70% "nichtpraktizierenden" Katholiken wollen nicht. Aber beide unterstützen das Volk Gottes und auch in puncto Gebet wird dem Kornelius bescheinigt, dass er aus dem Gebet lebte - und dürften das weit mehr Katholiken tun, als nur die, die sonntags im Gottesdienst hier sind.
  • Deswegen macht mich das schon nachdenklich. Vielleicht nämlich haben auch wir einige ungeschrieben Reinheitsregeln, durch die wir Christen außen vor lassen. Natürlich, die Tür ist offen und jeder kann kommen. Aber vielleicht ist die Sache sublimer. Auf jeden Fall sollten wir nicht von nichtpraktizierenden Katholiken sprechen - denn praktizieren bemisst sich dabei an einem und nur einem Maßstab.

3. Gemeinschaft

  • Der Maßstab ist nicht falsch. Die Kirche ist berufen Gottes sichtbare Gemeinschaft auf Erden zu sein und die Eucharistie ist das Geschenk seiner Gegenwart. Auf der anderen Seite haben wir aber immer noch Jahrhunderte abzuarbeiten, in der die Teilnahme am Gottesdienst weniger Geschenk als Zwang war. Ein fest gefügtes Gesellschaftssystem hat jeden gesellschaftlich ausgestoßen, der sich den religiösen Erwartungen widersetzte. Die christliche Judenverfolgung steht in diesem Zusammenhang. Dieser Hintergrund sollte vorsichtig machen allzu schnell zu urteilen, ob jemand "nicht praktizierend" ist.
  • Die Geschichte des Kornelius gibt dazu einige Hinweise. Zunächst ist es ganz deutlich Gott, der die Initiative ergreift. Sowohl Petrus wie Kornelius werden durch Gottes Visionen erst auf den Weg gebracht. Dann aber bewegen sich beide. Petrus lässt seine alten Gewissheiten in Frage stellen und macht sich auf den Weg. Kornelius nimmt Petrus gastfreundlich bei sich auf und hat aufrichtiges Interesse, von ihm die Botschaft zu hören. Er und alle, die er eingeladen hat sind "zugegen, um all das anzuhören, was Petrus vom Herrn aufgetragen worden ist".
  • Wahrscheinlich ist es nicht das Modell für alle Zeiten, wie wir heute Christen sind, wie wir Katholiken sind und Gottesdienst feiern. Schon der Vergleich mit Katholiken in Afrika oder Ostasien ist erhellend, wie viel Gewohnheit und kulturell geworden ist, was uns selbstverständlich vorkommt und anderen nur völlig unzugänglich bleibt. Das heißt nicht, dass wir alles umwerfen müssten. Das heißt nicht, dass wir alles falsch machen. Das heißt nur, dass wir vorsichtig bleiben dürfen, gegen Urteile über andere, offen bleiben dürfen dafür, ob Gott nicht auch uns Fingerzeige schickt wie dem Petrus und dem Kornelius. Vor allem aber gilt für uns wie für Petrus damals, dass wir uns nicht scheuen sollten, bei einander zu Gast zu sein und mit einander im Gespräch zu bleiben, um gemeinsam zu entdecken, welche Wege Gott uns führt. Amen.