Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 2004 zum 5. Sonntag im Lesejahr C

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08.02.2004 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Beginn

  • Was wir im Evangelium sehen können, ist die Entstehung der Kirche. Alles beginnt damit, dass Jesus das Wort Gottes verkündet. Durch ihn, seine Person, erhält das Wort Gottes Stimme und Klang. Und die Menschen wollen es hören. Sie suchen den Menschen, der so sehr von Gott erfüllt ist, dass durch ihn Gottes Wort und Gegenwart erfahrbar wird.
  • Jesus steigt in das Boot Simons, des Fischers. Vom See aus spricht er zu der am Ufer versammelten Menge. Er sitzt in dem Boot, mit dem die Fischer die ganze Nacht unterwegs waren und doch nichts gefangen hatten. Mehr braucht er nicht, als diesen Platz in diesem Boot, um für viele vernehmbar zu werden.
    Noch ist Simon ganz unbeteiligt. Aber als Jesus ihn auffordert, das Netz noch ein Mal auszuwerfen, kommt Bewegung in ihn. Er braucht dieses Wort und er hat dieses Vertrauen, das ihn einen völlig unerwarteten Fischfang machen lässt.
  • Die Kirche beginnt dort zu leben, wo Menschen aus dem Vertrauen auf Jesus heraus aktiv werden. Alles andere kommt später, ist in präzisem Sinn sekundär. Simon wird seine besondere Berufung erfahren, Apostel - Gesandter - und Petrus - Felsen der Kirche zu sein. Zuvor aber liegt das, was zu jeder Berufung gehört: Vertrauen auf, Glauben an Jesus. Das ist das Fundament unserer Versammlung, die wir Kirche sind.

2. Schritte zur Berufung

  • Die Berufung ist nicht der Abschluss, sondern der Beginn. Auch das wird an Petrus deutlich und an jedem, der ihm im Apostelamt oder Petrusamt nachfolgt. Was für die Berufung zum Amt gilt, gilt für jede Berufung. Es ist verführerisch zu meinen, die Frage, wozu Gott mich beruft, sei durch eine Aufgabe oder ein Amt erledigt. Dann wäre die Frage für jeden von uns bereits mit der Taufe geklärt. Denn mit der Taufe hat Gott uns berufen. Dort schon hat Jesus unser Schiff bestiegen. Nun aber will er von dort aus das Wort Gottes zu den Menschen bringen. Vom Schiff eines jeden Getauften aus.
  • Deswegen lohnt es, noch ein Mal genau die Schritte nachzuvollziehen, in denen sich die Berufung in unserem Evangelium vollzieht. Den Erstkontakt mit Jesus hat Petrus - nach der Reihenfolge des Lukasevangeliums -, als Jesus in sein Haus kam und die Mutter seiner Frau geheilt hat. (Lukas schaut bereits auf eine Kirche zurück, in der viele über ihre Familie mit Jesus in Verbindung gebracht wurden.) Dann aber kommt die Situation, wo Jesus auf Petrus zugeht und sein Schiff besteigt.
  • Die Antwort des Petrus ist das Vertrauen: "Wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen". An diesen Anfang knüpfen sich nun zwei Pole, die untrennbar zusammen gehören. Das eine ist die Erfahrung des reichen Fischfangs. Das andere ist die Erfahrung, die Petrus dazu bringt, voll Erstaunen und Erschrecken zu sagen: "Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder." Petrus hat sich Jesus nicht im Bewusstsein eigener Vollkommenheit angedient. Er wurde von Jesus in Dienst genommen und hat mit Schrecken gespürt, wie wenig er geeignet und bereit ist, durch den Heiligen Gottes berufen zu sein.

3. Berufung leben

  • Lukas schildert den Beginn der Kirche mit der Berufung der Apostel. Dann aber finden immer mehr Jünger zu Jesus. Jede und jeder von ihnen ist berufen. Für manche beginnt die Berufung im Amt in der Kirche. Für andere aber beginnt die Berufung mitten in der Lebenssituation, in der Jesus sie vorfindet. Als Frau und als Mann, allein oder in Partnerschaft, mit dieser oder jener Begabung, in Armut oder in Reichtum. Manche ruft Jesus dazu, ihr bisheriges Leben aufzugeben und ganz neu anzufangen. Viele aber sind dazu berufen, den Ort, wo sie leben, arbeiten oder studieren, zu heiligen. Immer aber ist die Berufung nur der Beginn.
  • Was aus diesem Anfang folgt, entwickelt sich aus der Vertrautheit mit Jesus. Er nimmt uns in die Lehre, weniger durch Worte, als durch das was er tut. In seiner Weise zu beten, in seiner Weise, auf Menschen zuzugehen, in seinem Gespür für Ungerechtigkeit und Ausgrenzung können wir Anhaltspunkte finden, wie wir unsere Berufung leben können. Die Berufung wird dadurch in das Leben hinein verlängert, dass ich mich mit dieser Weise Jesu vertraut mache und somit ein Gespür dafür bekomme, wie ich ein "anderer Christus" werden kann. Deswegen gehört das Hören und Lesen der Heiligen Schrift zu jeder Berufung.
  • Das einzige womit sich diese Berufung nie verträgt ist Selbstgerechtigkeit. Wir können nicht Gott hören wollen und zugleich selbst Gott sein wollen. Wir werden nie die Heiligkeit Gottes erfahren, wenn wir den Schrecken nicht zulassen, der die Jünger im Boot erfasst hat. Den Mut, Jesus nachzufolgen, bekommen wir nicht aus einer Überschätzung unserer eigenen Kräfte, sondern aus der Ermutigung Jesu: "Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen." Das war das Wort an Petrus. Für jeden von uns heißt es: "Fürchte dich nicht! Von jetzt an ..."; und für jeden hat dieser Satz eine Fortsetzung, mitten in unserem Leben. Amen.