Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 1997
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6. April 1997 - Internationale Englischsprachige Gemeinde St. Leonhard, Frankfurt/Main
1. Nichts Neues
- Man stutzt. Nicht nur nach dem liturgischen Kalender, zwischen Osternacht und Weißem Sonntag, auch nach dem Text
des Evangeliums ist eine volle Woche verstrichen. Da ist es mehr als merkwürdig, dass sich so gar nichts verändert hat.
Auch nach 8 Tagen sind die Türen noch verschlossen.
- Nach dem Johannes-Evangelium findet Pfingsten schon am Ostermorgen statt. Bereits dort werden die Jünger mit dem
Geist ausgestattet und gesandt. Der Auferstandene hatte sie angehaucht, ihnen den Heiligen Geist gegeben und
Vollmacht.
- Warum also sind die Jünger acht Tage später immer noch "bei verschlossenen Türen" anzutreffen?
2. Thomas
- Offensichtlich war die erste Begegnung mit dem Auferstandenen noch nicht der Durchbruch. Etwas musste noch
kommen, etwas musste den Glauben der Jünger anstoßen, damit diese ihrerseits fähig wurden, die Türen und Fenster
aufzustoßen
- Nicht etwas fehlte, sondern einer: Thomas fehlte. Thomas ist der Jünger, der nach den Wundmalen fragt, der die
Auferstehung nicht abseits des Kreuzes und der Wunden begreift. Er ist der, dessen Glauben in Bezug stehen muss zum
Leiden dieser Welt.
- Sein Zweifel an einem abgehobenen Glauben erst stößt die Türen auf und überwindet die Furcht der anderen. Darin ist
er der Zwillingsbruder Jesu.
3. Begegnung
- Das Evangelium endet ausdrücklich mit einem open end. Es ist keine abgeschlossene Erzählung der Begegnung mit
dem Auferstandenen, sondern verweist auf das Fortdauern der Begegnung. " Noch viele andere Zeichen, die in diesem
Buch nicht aufgeschrieben sind", vermerkt der Evangelist. Damit zieht er eine Linie aus, die bis zu uns reicht.
- Oft genug hat Jesus uns darauf hingewiesen, dass unsere Begegnung mit ihm abhängig ist davon, dass es uns gelingt,
dem Menschen zu begegnen, mit dem wir unsere Welt und unsere Zeit teilen. Und hier noch einmal spezifisch: Wir
begegnen Christus dort, wo wir dem verwundeten Menschen begegnen, wo wir die Wunden nicht zudecken, sondern
unseren Finger in sie legen wollen
- Damit ist unsere Gemeinde mit hineingenommen in die Chance zur Begegnung, in die Verheißung des Geistes und in
die Sendung. Denn Thomas ist uns symbolisch diesen Weg vorangegangen. Er hat an einem Auferstandenen, der so
ganz über den Dingen schwebt, gezweifelt. Wo Gott aber die Wunden der Welt an seinem eigenen Leib trägt, dort kann
auch Thomas glauben und bekennen.