Predigt zum 4. Sonntag im Lesejahr A 2002 (1 Korinther)
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3. Februar 2002 - Hochschulgottesdienst, Dom Frankfurt
1. Seht
- Schauen Sie sich um. Folgen Sie der Aufforderung des ersten Wortes aus der Lesung aus dem 1. Korintherbrief: Schauen Sie hin,
schauen Sie sich um. Stecken Sie sich Ihre Theorien und Träume für einen Moment in die Schublade und machen Sie, was Paulus
sagt: Seht Euch um, wer Ihr seid.
Dort mag ein C3-Professor sitzen, dort vielleicht ein Magistratsmitglied, jener dort hat als Rechtsanwalt einen guten Ruf. Und
jener Bankvorstand ist auch katholisch, schade nur, dass er heute nicht da ist. Wenn man sucht, sieht man sogar einige
Studierende hier, das ist doch was, wenn sie auch zugegebenermaßen vielleicht nicht die Trendsetter ihrer Generation sind.
Seht hin, meint Paulus, Ihr seid in den Augen der Mehrheit ziemlich bedeutungslos: viele zu alt, manche verschroben, alle
irgendwie Sonderlinge.
- Paulus sah im Blick auf seine Korinther einen Haufen Habenichtse und Sklaven, Hafenarbeitern und Fremdlingen um sich. Nicht
viele Mächtige, nicht viele Reiche, kaum einen besserer Herkunft. Seht her, so seid ihr.
- Ein Unterschied vielleicht von damals zu heute sollte nicht unerwähnt bleiben. Die Christen in Korinth strotzten ziemlich vor
Selbstbewusstsein, obwohl sie gesellschaftlich unbedeutend waren. Deutsche Katholiken heute kommen sich auch selbst oft vor
wie die letzten Mohikaner. Aber außerhalb Westeuropas und der USA geht es auch heute her wie im alten Korinth: Ziemlich
selbstbewusst im Glauben, und dennoch nur die Habenichtse der globalisierten Welt.
2. Berufung
- Sehen wir uns den Satz aus der Lesung noch einmal genauer an: "Seht doch auf eure Berufung, Schwestern und Brüder! Da sind
nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme." Es ist also gar nicht die nüchterne
Bestandsaufnahme eigener Bedeutungslosigkeit, die Paulus uns sehen heißt. Das ist sozusagen vorausgesetzt.
Überraschenderweise fordert Paulus uns auf, die Berufung zu sehen, die darin liegt.
- Es ist so offensichtlich, dass der erbärmliche Zustand dieser hier
versammelten Gemeinde, dieses überalterten Restes an
Aufrechten, Ursachen hat bei uns selbst und einer veralteten
Kirchenstruktur. Das ist so offensichtlich, dass wir die andere Seite
gar nicht mehr sehen, die bei dem Spiel mitspielt: Gott.
Paulus erinnert uns daran. Zum Glauben beruft keine Gemeinde, keine Kirche und keine Pastoralstrategie, sondern Gott.
- Als sich die römischen Kaiser taufen ließen, als es in den vornehmen Familien, bei reichen Kaufleuten und in Philosophenkreisen
trendy wurde, Christ zu sein, da ist das keineswegs der ungeschminkte Erfolg des Evangeliums gewesen. Christus hat nicht das
Kreuz auf sich genommen, damit es christliche Kaiser gibt statt heidnischer, nicht damit heidnische Erfolgshelden von
christlichen abgelöst werden, und auch nicht, damit aus einem heidnischen MTV ein christlicher Erfolgssender wird.
3. Das Starke zuschanden
- Gott hat das Kreuz auf sich genommen, damit Menschen nicht mehr voreinander groß tun müssen, damit endlich das Siegesgeheul
des Uraffen aufhört, der kaum schon zum Menschen geworden den anderen erschlägt. Der Satz aus der Lesung heißt vollständig:
"Seht doch auf eure Berufung, Schwestern und Brüder! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht
viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in
der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen."
- Ja, unser Zustand hier ist bejammernswert. Aber in seiner Torheit fordert uns Gott auf zu jauchzen und uns zu freuen, denn darin
liegt gerade unsere Berufung.
Natürlich will ich mich über Kirchen voll junger, dynamischer Studierender freuen; natürlich versuchen wir, den Glauben
attraktiv zu machen. Das aber ist reichlich kontraproduktiv, wenn wir damit nur zum religiösen Steigbügelhalter einer Kultur
werden, die sich übt in Verachtung des Kranken, des Armen, des Missgebildeten, den man künftig generell schon vor seiner
Geburt abschaffen will. Diesen Trend nennt Paulus "sich rühmen vor Gott". Darin liegt keine Seligkeit.
- Die Seligpreisungen der Bergpredigt und der 1. Korintherbrief sprechen dieselbe Sprache. Sie fordern uns auf, Gott zu entdecken,
der in der Situation der Kirche eine Berufung bereithält. Dass die Kirche nur in den Ländern auf der Verliererseite des Globus
stark ist, dass auch in Deutschland nur bei den Immigranten der Glaube wirklich stark ist und dass die Gruppe der Christen in
Deutschen hier so erbärmlich am Rand der Gesellschaft steht, dass ist unsere Berufung. Gott bedient sich der Schwachen, weil
Gott aus dem Nichts etwas schafft, was wirklich Leben ist. Alle Strategien, was wir als Kirche tun müssen, um endlich wieder
mächtig zu werden, gehen am Evangelium vorbei. Gott will das Starke nicht durch anderes Starkes ersetzen. Die Torheit des
Kreuzes ist anders. Sie ersetzt die Stärke durch die Ohnmacht der Liebe. Amen.