Predigt zum 4. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2003 (Apostelgeschichte)
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11. Mai 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt
1. Mein lieber Herr Petrus
- Petrus und Johannes, so berichtet die Apostelgeschichte, hatten an
der Pforte des Tempels in Jerusalem einen Gelähmten geheilt. Das ist
nett von ihnen und
das wollen wir nicht kritisieren.
Als dann im Tempel die Menge der Leute auf den Fall aufmerksam wurde und
zusammenströmte haben beide begonnen lange Predigten über Jesus
Christus
gehalten. Sofern sie niemand gezwungen haben zuzuhören und die anderen
nicht bei der Andacht gestört haben, ist auch daran nichts auszusetzen.
Dass sie dabei festgenommen und über Nacht in U-Haft gesetzt wurden, sichert ihnen unser Mitgefühl.
- Am nächsten Morgen aber werden sie vor ein Gremium im Hohen Rat geführt und gefragt, "durch welche Kraft und in wessen Namen"
sie die Heilung
vollbracht hätten. Da fangen sie erneut an zu predigen und sagen, sie
hätten in der Kraft und im Namen Jesu Christi, des Nazoräers gehandelt.
Dann aber fallen die beiden Sätze, die wir als aufgeklärte und tolerante Menschen so nicht hinnehmen können: "Und in keinem anderen ist das Heil zu finden.
Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen."
- Wie ist friedliches Zusammenleben in einer Welt der vielen
Religionen und der Religionsfreiheit möglich, wenn solche Sätze
unkritisiert verkündet werden?
Wir sollten zumindest die Ehrlichkeit besitzen zuzugeben, dass die
heutige Lesung aus der Apostelgeschichte einen Punkt berührt, der den
allermeisten von
uns Christen nicht leicht fällt. Die meisten werden den Satz, "In keinem anderen ist das Heil zu finden", schlichtweg für überholt und für heute untragbar
halten.
2. Keine abstrakte Wahrheit
- Das, was an dem Satz überholt und eindeutig zurückzuweisen ist, wäre die Lesart: Wenn "in keinem anderen Namen das Heil zu finden ist"
dann werde jeder,
der sich nicht zu Jesus Christus bekennt und getauft ist, heil-los leben
und auf ihn warte nichts als die Hölle. Die Lesart ist drastisch
formuliert, war aber
jahrhundertelang der gemeinchristliche Mainstream. Diese Lesart ist aber
nicht "überholt". Sie ist von Anfang an falsch, denn sie behandelt die
Predigt des
Petrus vor dem Hohen Rat als eine Verkündigung abstrakter Wahrheiten.
Dabei ist diese alles weniger denn das.
- Petrus spricht diesen Satz vor der Versammlung der Führungsschicht
Jerusalems, der Versammlung des Hohen Rates, die zum größten Teil aus
Sadduzäern
besteht, die nicht an die Auferstehung der Toten glauben und maßgeblich
dafür verantwortlich sind, dass kurze Zeit zuvor Jesus verurteilt und
zur Kreuzigung
ausgeliefert wurde.
- Die Ungerechtigkeit, die verübt wurde, ist ebenso wesentlicher
Hintergrund seiner Predigt wie die Hoffnung, dass in der Auferstehung
Jesu das Unrecht
überwunden ist. Petrus spricht nicht davon, dass abstrakt irgend etwas
wahr ist. Er redet in beachtlichem Freimut vor diesem Hohen Rat davon,
dass nicht nur
dieses Urteil ein Verbrechen war, sondern dass "uns Menschen" in diesem Verurteilten Gott das Heil schenken will. "Uns Menschen",
damit schließt Petrus
die am Tod Jesu Schuldigen ebenso ein wie sich selbst - und er schließt
uns mit ein, die wir uns nicht zu schnell absetzen sollten, von denen
die damals solche
Schuld auf sich geladen haben.
3. Im Namen Jesu ist Heilung und Heil
- Petrus spricht auffällig davon, dass wir Heilung und Heil finden
"im Namen Jesu". Damit meint er nicht, dass man wie ein Magier den Namen
"Jesus" murmeln
müsse, und alles werde gut. Mit dem Ausdruck "Namen Jesu Christi, des Nazoräers"
wird vielmehr der konkrete Mensch Jesus aus Nazareth, den Petrus als
den Christus, den Gesalbten bezeugt, ansprechbar. Mit "Name" ist die
ganze Person gemeint, und zwar als gegenwärtig, in meiner Situation,
ansprechbar. Der
"Name Jesu" öffnet die Aura dieses Menschen in unsere jeweilige konkrete
Lebensrealität hinein, denn mit dem Namen ist Jesus ansprechbar.
- "Jesus ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist."
Mit diesem leicht veränderten Zitat aus dem Psalm 118
schildert Petrus dem Hohen Rat, dass aus dem Unrecht, das wir begangen
haben, nicht wiederum Unrecht und Unheil folgen muss, wenn wir uns von
Gott die
Augen öffnen lassen: Aus dem Gehenkten und Gekreuzigten, den Menschen
verworfen haben, aus dem, was "wir Menschen" gering achten und für
wertlos
achten, formt Gott Neubeginn. Es geht dem Petrus also nicht darum,
Theorien darüber anzustellen, ob abstrakt "Menschen" getauft sein
müssen, um Heil zu
finden. Es geht konkret darum, ob die Erfahrung des Auferstandenen Jesus
von Nazareth, den wir beim Namen nennen können, für uns die Chance
birgt,
Verurteilung zu überwinden und Fehler und Schuld nicht zum Schlusspunkt
werden zu lassen.
- Wenn wir in selbstgerechter Toleranz die Radikalität der Heiligen
Schrift hinter uns lassen, dann wird dadurch gerade nicht mehr Friede
zwischen den
Menschen, Religionen und Völkern möglich, sondern wir berauben uns im
Gegenteil dieses Friedens. Denn keiner von uns ist "abstrakt Mensch".
Auch jeder
von uns hat einen Namen. Die Apostelgeschichte fordert uns auf, uns
nicht in abstrakten Überlegungen zu verlieren, sondern uns konkret
ansprechen zu lassen
und Antwort zu geben. Nicht wenn Christen ihren Glauben bis zur
Belanglosigkeit verwässern, können wir beitragen zum Frieden, sondern
nur wenn wir uns
der Radikalität des Evangeliums stellen, wenn wir uns zur Umkehr rufen
lassen, wo wir zu den Verurteilern gehören, und uns sagen lassen, dass
uns kein
anderer, ansprechbarer Name gegeben ist, als der Name Jesu Christi, des
Nazoräers.
Dann, vielleicht, wird unsere Kirche heute wie die Kirche der Apostel zu
einer Gemeinschaft, die Heil und Heilung schenkt, so wie dem Gelähmten,
dessen
Heilung Anlass war, dass Petrus bekannte, in wessen Kraft und Namen er
bewirken konnte, dass der einstmals Gelähmte gesund vor uns steht. Amen.
Literaturhinweis zum Thema: Neuhaus,
Gerd: Kein Weltfrieden ohne Christlichen Absolutheitsanspruch. Ein
religionstheologische Auseinandersetzung mit Hans Küngs "Projekt
Weltethos".
Freiburg, Basel, Wien (Herder)1999. In: Quaestiones Disputatae. Bd. 175