Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 4. Adventssonntag Lesejahr B 2014 (Lukas)

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21. Dezember 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Mir geschehe

  • "Mir geschehe." In dieser Antwort eines jungen Mädchens aus Israel hat die Geschichte der Menschheit einen Höhepunkt gefunden. Gottes Bote hat das Heil angeboten.
  • Maria antwortet nicht: Na dann macht mal, denn man tau. Sie antwortet vielmehr "Mir geschehe", und weiß, dass das nicht passiv ist, wenn Gott an mir handelt, sondern dass ich als ganzer Mensch dabei gefragt bin.
  • Wer wirklich betet: "Dein Wille geschehe" wird ein Teil von dem was Gott unter uns tut. "Mir geschehe."

2. Andere verantwortlich machen

  • Die Versuchung ist groß, andere machen zu lassen und anderen die Schuld zuzuschieben. Besonders verbreitet sind Verschwörungstheorien, die in Zeiten des Internets besser gedeihen als auf einem orientalischen Basar. Nicht ist bewiesen, außer dass finstere Mächte schuld sind - und man selbst ganz sicher nicht.
    Man trägt dabei für nichts Verantwortung kann aber hinterher immer behaupten es schon von Anfang an gewusst zu haben. Das Gegenteil von Marias "Mir geschehe" ist eine solche Haltung, die letztlich jede Verantwortung von sich weist.
  • Vor Jahren bin ich (nicht hier in Hamburg) von einer Delegation aus der Nachbarschaft gefragt worden, ob wir Jesuiten uns nicht beteiligen wollen am Protest gegen den Bau einer Moschee auf dem Nachbargrundstück. Die Delegation war eine Gruppe von Bürgern, die sich offenbar Sorgen machte wegen einer angeblichen Islamisierung der Stadt. Man hielt mir einen langen Vortrag, warum in dieser Gegend keine Moschee gebaut werden dürfe. Und wir als katholische Kirche sollten doch auf ihrer Seite sein.
    Ich hatte an diese Gruppe nur eine einzige Frage: Wann, bitte schön, waren sie selbst zum letzten Mal in der Kirche beim Gottesdienst? Damit war das Gespräch beendet. Der großen Rede vom christlichen Abendland hatte auf ihrer Seite nichts Eigenes entsprochen.
  • Es wäre die selbe Frage, die ich heute jenen Demonstranten stellen würde, die von sich behaupten zur Rettung des Abendlandes auf die Straße zu gehen. Vorsichtshalber sprechen sie schon gar nicht mehr vom 'christlichen Abendland'. Was aber soll die Rede vom Abendland, wenn damit nicht das christliche gemeint ist?
    Nicht ein zu starker Islam ist unser Problem, sondern zu viele Christen die ihren Glauben nicht mehr kennen und schon gar nicht mehr leben. Ja, es gibt auffällig viele Menschen, die im Namen des Islam aggressiv sind und große Reden führen. Ja, es gibt viele Menschen die meinen im Namen des Islam zu handeln wenn sie Gewalt ausüben. Aber all das gefährdet ganz sicher unser Abendland nicht.

3. Das Christliche Abendland

  • Das Christliche Abendland ist nur dort in Gefahr, wo es keine Menschen mehr gibt, die begreifen, worauf wir uns im Advent vorbereiten. Mit Weihnachten kommt uns ein Gott entgegen der uns fragt: Wo stehst du? Bist du auch dort bereit auf Gott zu vertrauen, wo es keinen Ruhm gibt und keine Schlachten zu gewinnen, sondern demütig das Kreuz zu tragen? Verzichtest Du auf die Versuchung der schnellen Erklärungen und billigen Verschwörungstheorien. Lässt Du dich wie Gott ein auf eine Welt, die kompliziert ist - wie auch Du selbst?
  • Dass es in der Gesellschaft, die durch das Christliche Abendland geprägt ist, Minderheiten gibt, die sich zu einem anderen - oder keinem - religiösen Glauben bekennen, bringt das Abendland  nicht in Gefahr.
    Im Gegenteil: Die religiöse Toleranz ist eine wertvolle Frucht des Christlichen Abendlandes; wer diese Toleranz in Frage stellt, stellt die Grundlage unserer Kultur in Frage. Auch Terroristen werden unsere Gesellschaft nicht erschüttern, wenn wir uns durch sie nicht provozieren lassen, unsere Werte der Freiheit und des Respektes aufzugeben.  Fanatischen Grüppchen wie die so genannten Salafisten sind keine Gefahr für das Abendland, wohl aber wer den Protest gegen die Intoleranz zur Diffamierung der Minderheit und zur Bedienung von Ressentiments gegen wehrlose Flüchtlinge benutzt. Er beschädigt, was zu verteidigen er vorgibt.
    Wehrlose Flüchtlinge, die Schutz suchen, sind die Chance, dass jeder einzelne sich konkret engagieren kann und damit "das Abendland" bewahrt. Zum Glück machen es viele, gerade in diesen Tagen.
  • " Maria sagte: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast." Sind die Gedanken zum Thema Abendland nur zufällig an diesem Zitat aus dem Lukasevangelium aufgehängt? Ich denke nicht.
    Denn die Bereitschaft Marias ist nicht beliebig, sondern ist die Antwort auf den himmlischen Boten des Gottes, der ihr vertraut ist aus der jüdischen Tradition, aus der Heiligen Schrift und aus dem Beten ihres Volkes. Es ist der Gott, der nicht zu den Hochmütigen kommt, sondern zu denen, die offen sind und fragen nach dem Willen Gottes, der in dieser Welt erscheinen will als ein Kind im Stall von Betlehem. Amen.