Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Meditation zum 4. Adventssonntag Lesejahr C 2000

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24. Dezember 2000 - St. Michael, Göttingen

Da in diesem Jahr Heilig Abend auf einen Sonntag fällt, liegt die Feier des Vierten Advent nur wenige Stunden davor.
Statt einer Predigt werden wir heute - am Morgen vor Heilig Abend - eine Meditation zum Evangelium und danach ein Orgelspiel hören.

Das Evangelium vom Vierten Advent berichtet uns von dem Besuch Marias bei ihrer Verwandten Elisabet. Begegnung ist das Thema dieses Evangeliums: Die Begegnung der zwei Frauen und die Begegnung des werdenden Lebens, der Kinder im Leib der Mutter. Noch ist der Heiland nicht geboren. Noch ist Advent, die Zeit der Vorbereitung. Aber die Vorbereitung auf die Begegnung mit Gott, der Mensch wird, kann nur wiederum Begegnung sein - mit Menschen.
Wir haben gelernt, uns nicht beeindrucken zu lassen. Vieles perlt an uns ab, ohne uns zu erreichen. Das ist heute Überlebenstechnik. Wenn wir die Fähigkeit nicht entwickeln, dass uns vieles kalt lässt, werden wir unter der Fülle der Eindrücke begraben. Nur, haben wir darüber auch verlernt uns anrühren zu lassen. Gibt es neben den vielen Dingen, die wir abschütteln, noch Begegnung mit Menschen, die unser Inneres erreichen?

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Sie sollten auf die vergangenen drei Wochen des Advent zurück blicken. Mag sein, dass Ihnen zum Thema Begegnung nicht viel einfällt, weil Einsamkeit Ihr Leben prägt. Mag sein, dass es in diesen Wochen einige wenige Menschen gewesen sind, die den Kreis durchschritten haben, der um Ihr Inneres gezogen ist. Mag sein, dass Sie so vielen Menschen begegnet sind, dass Sie in der Flut der Gesichter keines haben, das zu Ihnen spricht.
Mag sein wie es will. Wir müssen unser eigenes Leben, so wie es ist, zum Ausgangspunkt nehmen. Ein anderes haben wir nicht. Und dieses Leben müssen wir der Gefahr aussetzen, dass andere uns anrühren. Mit unseren guten und schönen Seiten, unserer Freude und Klage, unserer Hoffnung und unserer Einsamkeit.
Mag sein, dass Ihnen im Blick auf die vergangenen Wochen viele Begegnungen einfallen, mag sein, dass Ihnen wenige oder keine in den Sinn kommen. Ob Sie die Bereitschaft hatten, sich für eine solche Begegnung zu öffnen - das müssen und können nur Sie selbst erkennen.

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Begegnung besteht nicht darin, dass ich andere Menschen zu mir hinüber ziehe und andere dorthin stelle, wo ich sie haben will. Begegnung besteht darin, dass ich mich öffne - und dadurch anderen die Freiheit gebe, sich zu öffnen. Das ist der ganze Unterschied. Wer sagt: "Ich will mit Dir erst zu tun haben, wenn Du so bist, wie ich Dich will!", der wird unfähig zur Begegnung - mit Gott und den Menschen.

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Die Begegnung von Maria und Elisabet ist das Evangelium des Vierten Advent. Die beiden Frauen begegnen sich indem sie einander teilhaben lassen an ihrer Freude. Diese Freude umfasst ihr ganzes Leben - und ihre Zukunft. Indem Maria und Elisabet einander teilhaben an dem, was sie zutiefst bewegt, stimmen sie sich ein auf den Gott, der sie teilhaben lässt an seinem Leben. Dazu lädt Gott auch uns ein.