Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest des Hl. Ignatius von Loyola 2012

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31. Juli 2012, Fest des Hl. Ignatius von Loyola - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Weltliche Beispiele

  • Jesus wählt merkwürdige Beispiele in seinen Gleichnissen. Wir können davon ausgehen, dass seine Zuhörer damals nicht weniger irritiert waren als heute. Denn da er einleitend über die Radikalität der Nachfolge spricht, hätten wir frömmere Beispiele erwartet, etwa der Art: Wenn einer eine Synagoge bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und stellt einen Finanzierungs- und Pastoralplan auf... Oder: Wenn einer zusagt, einen Gebetskreis zu leiten, überlegt er dann nicht zuerst, ob er genug eigene Erfahrung hat und ob seine Zeit ausreicht für diese Aufgabe... Das wären doch Beispiele, die uns unmittelbar einleuchten.
  • Statt dessen spricht Jesus von Königen, die in den Krieg ziehen, und von einem, "der einen Turm bauen will", womit vermutlich ein Vorrats-Turm eines Bauern gemeint ist. [An anderer Stelle bemüht Jesus sogar das Beispiel eine korrupten Angestellten, um deutlich zu machen, mit wie viel Klugheit und Entschlossenheit Menschen zu Werke gehen, wenn es um weltliche Angelegenheiten geht.]
  • Damit, dass Jesus solche 'irdischen' Vergleiche gebraucht, bewirkt er ein Doppeltes.
  • Erstens verhindert er, dass wir das Gleichnis zu schnell durchwinken und gleich meinen, wir hätten alles verstanden. Was es bedeutet, sich in seinem Leben ganz auf Gott auszurichten, ist nicht als knappe Information abzuhaken, sondern muss von jedem für sich entdeckt werden. Die Gleichnisform zwingt dazu, sich in die Situation hineinzudenken.
  • Zweitens macht Jesus deutlich, dass es zwar um das Himmelreich geht, wir aber mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Realität stehen müssen, wenn wir unseren Glauben verwirklichen. Deswegen verwendet Jesus Beispiele aus dem ganz profanen Alltagsleben. Wenn Ignatius in ähnlicher Weise in seinen Exerzitien Alltagsbeispiele für die Mediation vorschlägt, dann ist das sicher von den Evangelien inspiriert. Der Glaube findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern in unserem Alltag.

2. Ziele und Mittel

  • Inhaltlich geht es in den beiden Gleichnissen Jesu darum, sich zu überlegen, was ich will, um dann zu schauen, ob die Mittel dazu ausreichen.
  • Im einen Fall hat sich der Bauer schon beim Bau des Fundamentes für seinen Turm finanziell verausgabt. Für das, was er eigentlich wollte, reicht sein Geld nicht mehr.
  • Im anderen Fall wollte ein König vielleicht sich durch einen Kriegszug von der Oberherrschaft eines anderen Königs befreien, merkt aber dann, dass ihm dieser doch deutlich überlegen ist. Er wird sein Ziel nicht erreichen, wenn er seine Zehntausend gegen die Zwanzigtausend des anderen in's Feld führt. Statt blind in sein Unheil zu rennen (und das Leben seiner Leute zu riskieren!) soll er sich lieber rechtzeitig dem anderen unterwerfen.
  • Wenn wir uns in diese Situationen hineindenken, merken wir schnell, dass es hier um Ziel und Mittel geht: Was will ich eigentlich? Und habe ich die Mittel und Möglichkeiten dazu? Die Frage nach den Mitteln ist eine ganz nüchterne Überlegung. Die Frage nach dem Ziel, führt mich schnell dahin, dass ich merke, dass ich mir darüber oft gar nicht so im Klaren bin. Manches, was ich als Ziel vor Augen habe, ist vielleicht nur ein Mittel: Etwa kann ich Geld, das ich spare, als Mittel sehen, um mir ein neues Auto leisten zu können; dann sehe ich aber, dass das Auto eigentlich auch nur Mittel ist, sei es für ganz praktische Notwendigkeiten, sei es aber, um bei anderen Eindruck zu schinden.
  • Mittel und Ziel, von denen Jesus im Evangelium spricht, heißen schlicht: Wenn jemand von Euch "mein Jünger sein" will, dann soll er sich überlegen, ob er die Mittel dazu hat.
  • Jünger sein bedeutet, sich in seinem Leben auf Jesus Christus und die Gegenwart Gottes in ihm auszurichten. Oder in anderen Worten: Jünger Jesu sein bedeutet, in allem was ich tue und bin, aus der Beziehung zu Gott zu leben, in die Christus mich hineinnimmt. Ignatius fasst dieses Ziel so zusammen: Dass mein ganzes Leben zum Lobpreis Gottes wird, und ich gerade darin, dass ich mich in Gott verliere, selbst finde und retten lasse.
  • Das Mittel dazu aber ist überraschend angesichts der beiden Beispiele, die Jesus gewählt hat. Ging es beim König um 'Truppen haben', beim Bauern schlicht um Geld, so ist das Mittel, um Jesu Jünger zu sein: die Bindung an nichts, nicht an Familie, nicht an Besitz, nicht einmal an das eigene Leben.

3. Freiheit und Liebe

  • Anders gesagt: Freiheit ist das Mittel, Gebunden-Sein in der Liebe das Ziel. Darum auch geht es im geistlichen Leben, in Gebet und Meditation und im Alltag. Das große Anliegen der Spiritualität des Hl. Ignatius ist, mich von Innen her zu befreien zu lassen von allem, was mich noch hindert, von ganzem Herzen zu lieben.
  • Jesus macht diese Freiheit zur Bedingung für jeden, den er in die Nachfolge beruft, weil sie Voraussetzung zur Liebe ist. Zugleich aber führt er jeden, der sich auf seinen Weg einlässt, zu dieser Freiheit. Er lädt uns ein, Anteil zu haben an seinem Vertrauen in Gott, den er seinen Vater nennt. Jesus ist deutlich, wenn er davon spricht, dass die Liebe und die Gemeinschaft mit Gott nicht umsonst zu haben ist; er fordert radikale Freiheit. Zugleich aber zeigt er uns damit ein Ziel, das es lohnt.
  • Jetzt wäre es an einem jeden von uns, Gleichnisse zu suchen, die uns aus unserer Erfahrung deutlich machen: Wo setze ich mir Ziele und merke, dass es Anstrengung braucht und sie lohnt, um sie zu erreichen? Wo finde ich bei mir die Kraft und den Willen und die Sehnsucht, diese Ziele zu erreichen? Und könnte nicht Gott ebenso ein Ziel für mich sein, ja, wäre nicht Gott das Ziel, das allem anderen erst Sinn und Richtung gibt? Amen.