Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 3. Adventssonntag Lesejahr C 2006 (Philipper)

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17. Dezember 2006 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius Frankfurt

1. Güte

  • Kennen Sie einen Menschen der Güte ausstrahlt? Dann sagt Ihnen das mehr, als jeder Versuch zu definieren, was Güte ist. Das deutsche Wort verweist ja einfach auf das Gut-Sein eines Menschen. Wenn der Apostel Paulus an die von ihm gegründete Gemeinde in Philippi das Wort "Güte" schreibt, dann klingt noch mehr mit
  • Güte könnte missverstanden werden als "harmlos". Aber wenn ich an Menschen denke, von denen ich den Eindruck habe, dass sie Güte ausstrahlen, dann sind das nicht harmlose Menschen. Und das finde ich durch den biblischen Gebrauch des Wortes Güte (epieikäs) bestätigt. Güte ist eine Eigenschaft, die es im Letzten bei Königen hätte geben können, Menschen also, die sich nichts erkaufen müssen, sondern aus voller Souveränität heraus gütig sind. Sie müssen sich nicht einschleimen. Sie können gütig sein. Deswegen kann das Wort auch in der Bibel für Gott verwandt werden. Er hat es nicht nötig und ist es dennoch - oder gerade deswegen: gütig.
  • "Eure Güte werde allen Menschen bekannt", schreibt Paulus an die Gemeinde, die ihm am meisten ans Herz gewachsen ist. Philippi war die erste Stadt in Europa, in der er eine Gemeinde gründete; nach Rom die älteste christliche Gemeinde auf unserem Kontinent. In dem sehr persönlich geschriebenen Brief lädt Paulus die Christen ein, dass ihre Güte bekannt werde. Nicht um damit zu prahlen, als PR-Gag soll die Güte bekannt werden, sondern weil darin Gottes Güte erfahren und bekannt werden kann. Es ist die Berufung von uns allen, als Kirche, dass "die Güte bekannt werde". Wo Gott einem Menschen nahe ist, da muss er nicht ängstlich Macht und Würde verteidigen, sondern kann gütig sein.

2. Freude und Sorge

  • "Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!" Mit diesem Aufruf beginnt der Briefschluss, aus dem die heutige Lesung genommen ist. Paulus wiederholt es sogar noch einmal. Freude ist für ihn die zentrale christliche Erfahrung. Es ist nicht der Spaß, den ich habe, wenn etwas Tolles passiert. Freude braucht nicht Event auf Event. Vielmehr ist hier eine tiefer liegende, das Leben erfüllende Erfahrung gemeint. Diese Freude strahlt Ruhe, Souveränität und Kraft aus, weil sie aus der Erfahrung der Nähe Gottes kommt. Menschen, die tief ins Gebet versunken sind, werden nach außen nicht lustig erscheinen. Sie können aber diese Freude erfahren, dass Gott uns nahe ist.
  • Deswegen ist es Freude "im Herrn". Tatsächlich ist das die einzige Freude, die es gibt. Nicht weil Christen nur in Gebet, Meditation und Gottesdienst Freude erfahren. Vielmehr, weil ihre Beziehung zu Christus, dem Herrn alles, wirklich alles durchdringen und erfüllen kann. Paulus selbst sitzt in dem Augenblick, in dem er diese Zeilen schreibt, im Gefängnis. Er heißt damit nicht die Ungerechtigkeit seiner Verhaftung gut, so wenig er andere Formen von Ungerechtigkeit und Armut gutheißt. Er erfährt aber ganz persönlich, dass nichts in dieser Welt ihm die Freude nehmen kann, die er erfahren hat in der Güte Gottes.
  • Das betrifft jede Sorge. So ist auch der Satz gemeint: "Sorgt euch um nichts!" Nicht dass wir gedankenlos sein sollen, bedeutet dies. Er selbst ist ein reflektierender und gebildeter Charakter, der sehr genau seine Zeit und Lebensumstände analysiert. Aber ich stelle mir Paulus als einen Menschen vor, der gut schläft - allein, weil er erfahren hat, dass er jede Sorge Gott anvertrauen kann.

3. Gemeinschaft

  • Das Bekenntnis zu Christus, dem Herrn, ist höchst relevant. Es ist keine fromme Floskel, sondern eine Lebenseinstellung. "Bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!" In "jeder Lage", in den privaten Beziehungen, den Problemen in Studium und Arbeit, in Unsicherheit und Erfolg, ja sogar im Gefängnis, formuliert der Beter vor Gott, was ihn bedrängt - mit Dank, dass all dies uns nicht trennen kann, nicht vom Herrn und nicht voneinander, wenn wir in dem gemeinsamen Beten und Feiern Gott danken: Eucharistie feiern, hier, am Sonntag in der Kirche, und mit den Menschen, mit denen wir zusammen leben.
  • Sonntag feiern, bedeutet in der Gemeinschaft der Kirche das Leben vor Gott bringen: "in jeder Lage, betend und flehend" und vor allem "mit Dank"! Denn es gilt, was wir im Advent feiern: Gott ist nahe! Konzentrieren Sie sich hier beim Gottesdienst nicht so sehr auf das Drumherum, auch nicht auf die Predigt - sondern darauf, dass Gott Ihnen hier nahe ist, wo sogar mehr als zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind und wo er selbst uns das Brot bricht.
  • "Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren." Menschen, die Güte ausstrahlen, wissen, dass es einen Frieden gibt, der alles Machen und Verstehen übersteigt. Andere mögen dann sagen: Das ist mir zu hoch, da steig ich aus. Gütige Menschen werden sagen: Dieser Friede wird mir geschenkt. Da will ich mit meinen Kräften weitergeben, was mich selber trägt. Amen.