Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 3. Adventssonntag Lesejahr C 2003 (Lukas)

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14. Dezember 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Täuferpredigt

  • Der Täufer Johannes war kein Softy. Dabei ist das Stück, das wir heute als Evangelium hören nur der milde Abschluss der Predigt des Johannes, wie sie das Lukasevangelium wiedergibt. Einige Zeilen zuvor hat er die Leute, die zu ihm an den Jordan gekommen waren, angefahren: "Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt?" ("You brood of vipers! Who warned you to flee from the coming wrath?") Wahrlich, Johannes der Täufer ist ein scharfer Gerichtsprediger.
  • Den Älteren gellt manche Predigt aus Jugendtagen in den Ohren. Es gibt eine Tradition, mit Hölle und Verdammnis zu drohen, dass nicht nur skrupulösen Naturen die Freude darüber verloren geht. Bei den Älteren ist das kirchenkritisch verstandene Motto "Frohbotschaft statt Drohbotschaft" mit biographischer Erfahrung getränkt. Wenn nun aber heute noch die österreichische Plattform "Wir sind Kirche" einen "Herdenbrief" (!) mit dieser Überschrift vorbereitet oder die Aktiven des "KirchenVolksBegehrens" als Forderung "Frohbotschaft statt Drohbotschaft" auf das Panier erheben, dann geht das an der kirchlichen und kulturellen Wirklichkeit in Deutschland im Jahre 2003 zu 95% vorbei.
  • Für die meisten von uns ist die gängige Verkündigung des Evangeliums adventskompatibel. "Gute Nachricht" ist doch die Übersetzung von "Evangelium" und unter einer guten Nachricht stellt man sich etwas Angenehmes vor und erwartet wohltuende Stärkung.

2. Ist das Evangelium?

  • Der Predigtton des Johannes passt da nicht in den Advent. Zumindest nicht in den Advent, wie wir ihn feiern. Ich nehme mich dabei nicht aus. Wenn der Täufer von Jesus verheißt, "die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen", dann geht auch mir das nicht glatt runter. Es gibt so ganz andere Charakterzüge, die mir einfallen, wenn ich an das Evangelium Christi denke.
  • Und doch ist schon die Botschaft des Johannes Evangelium. Die deutsche Einheitsübersetzung, aus der wir in den Gottesdiensten lesen, hat hier den Text ungenau wiedergegeben. Die Zusammenfassung der Täuferworte wird hier übersetzt: "Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk in seiner Predigt."
    Auch wer kein Griechisch kann, mag Übersetzungen vergleichen: in der Lutherbibel steht nämlich "Mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und verkündigte ihm das Heil." (rev. 1984); die katholische New American Bible schreibt korrekt übersetzend: "Exhorting them in many other ways, he preached Good News to the people."
    Ermahnend spricht Johannes die Botschaft, eine Predigt, an das Volk. Aber was Luther allgemein mit "das Heil" übersetzt, heißt im griechischen Original tatsächlich, wie es die englische Übersetzung wiedergibt: Gute Nachricht, Evangelium. Die Ermahnung des Johannes ist als Ermunterung gedacht, der Sinn seiner Botschaft ist gut. Es ist gute Nachricht, Evangelium.
  • Übersetzung ist eine schwierige Arbeit. Oft kann man ein Wort im Griechischen nicht immer mit dem selben Ausdruck im Deutschen übersetzen. Man muss auf den Zusammenhang schauen. Wörtlich bedeutet "euangelitzomai" "die Frohe Botschaft predigen", "frohbotschaften". Die Einheitsübersetzung ist der Ansicht, dass vom Zusammenhang her klar sei, dass es an dieser Stelle nur allgemein "predigen" bedeute(1). Dahinter steht die historisch verständliche Sorge, das Evangelium könnte durch Höllenbilder übermalt werden. Aber in Zeiten wohlgefälliger Mischreligiosität, die alles zusammenmischt, was nicht weh tut, ist es Zeit, über Johannes den Täufer das Evangelium neu zu entdecken.

3. Für uns Menschen

  • Was Gute Nachricht ist, bestimmt sich von der Wirkung. Evangelium ist, wenn Gott uns hilft, das Leben neu zu entdecken. "Für uns Menschen und zu unserem Heil", heißt es im Großen Glaubensbekenntnis, ist das Wort vom Himmel gekommen. Wie ein Freund spricht Gott zu uns, nicht um uns zu vernichten, sondern um uns aufzurichten. Johannes ist gesandt, die Menschen einzutauchen in die Taufe der Umkehr. Das Feuer seiner Predigt, soll nicht vernichten, sondern reinigen und befreien.
  • Der Täufer fühlt sich nicht würdig, Jesus auch nur die Riemen seiner Schuhe zu lösen. Darin drückt sich, so scheint mir, auch das Verhältnis von Drohpredigt und Heilspredigt aus. Ohne einen Deut aufzugeben von der Forderung nach Umkehr, ohne daran zu zweifeln, dass die Hinwendung zu Recht und Gerechtigkeit bitter Not tut, kann Johannes sagen: Verglichen mit dem, was in Jesus beginnt, ist es noch nichts.
  • Denn Jesus tauft uns durch das Feuer hindurch mit Heiligem Geist. Der Geist, in dem wir geschaffen wurde, der vermag uns auch jetzt aus der Isolation zu befreien und zusammenzuführen zu einer Gemeinschaft mit Gott und mit einander. Es ist eindeutig Evangelium, frohe Botschaft, dass Gott uns einen Täufer Johannes schickt, der uns ein Bewusstsein davon gibt, wie groß die Berufung ist, die uns geschenkt worden ist. Dafür lohnt es sich vorzubereiten. Dafür lohnt ein Advent. Wir sehen den Stern der Weihnacht bereits am Horizont und dürfen uns vorbereiten auf die Gegenwart Gottes in unserer Mitte. Amen.

 


 

Anmerkung: 1. Josef Schmid, Mitübersetzer der Einheitsübersetzung, ist sich ganz sicher: das Wort bedeute"hier, wie der Zusammenhang beweist(...), einfach ´predigen´ und [Lukas] will nicht seine Gerichtspredigt schon als Bestandteil des ´Evangeliums´, der Heilsbotschaft vom nahen Kommen der Gottesherrschaft, bezeichnen." (Das Evangelium nach Lukas. Übersetzt und erklärt von Josef Schmid. Regensburger Neues Testament; 3. Dritte, von neuem umgearbeitete Auflage. Regensburg (Friedrich Pustet) 1955, S. 100)