Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 29. Sonntag im Lesejahr B 2003 (Markus)

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19. Oktober 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Andere Götter

  • Es sieht so aus als sei das erste Gebot für uns nicht aktuell: "Ich bin Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben." (Ex 20,2f). Weder dem Baal, noch Jupiter oder Thor werden hierzulande Tempel gebaut. Ich gehe davon aus, dass keiner von uns auf die Idee käme, einen dieser Götter zu verehren.
  • Eine Beobachtung am Text des heutigen Evangeliums sollte uns jedoch stutzig machen. Da heißt es: "Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen." Unterdrücken und Missbrauchen. Die beiden Wörter, die Markus verwendet, bedeuten wörtlich "über-herrschen" (katakyreúein) und "über-gewalten" (katexusiázein). Das letztere Wort kommt im Neuen Testament nur an dieser Stelle vor. Mit Bedacht wurden zwei Wörter gewählt, die gebildet sind aus einem Wortstamm, der auf Gott verweist. Gott ist der Herr, und sein ist die exusía, die gewaltige Macht.
  • Das erste Gebot sagt eben auch: Du sollst keinen anderen König neben mir haben (vgl. Est 4,17l, Jes 44,6). Die als Herrscher gelten, die Mächtigen dieser Welt gebärden sich als Über-Herren und Über-Gewalthaber. "Ihr wisst es", sagt Jesus, so als wäre das die größte Selbstverständlichkeit. Kurz nachdem er seinen Jüngern die Aussage zugemutet hat, eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr denn ein Reicher in den Himmel, redet er mit größter Selbstverständlichkeit davon, dass die Macht irdischer Machthaber immer Missbrauch sei, gotteswidriger Missbrauch.

2. Zwei preschen vor

  • Markus schildert den Anlass für diese Jüngerbelehrung. Jakobus und Johannes sind zwei der zwölf Apostel. Mit Jesus unterwegs nach Jerusalem haben sie gemerkt, dass es bald ernst wird. Jesus spricht von der nahen Vollendung seiner Sendung. Sie erwarten, dass Jesus sich als Herr offenbaren werde. Er werde die göttliche Herrschaft antreten. Da wollen sie sich die besten Plätze sicher: zur Rechten und zur Linken.
  • Die anderen zehn sind ärgerlich. Dass Jesus den beiden eine Absage erteilt hat, mag beruhigen. Aber das Thema, wer unter ihnen der Größte sei, hat die Apostel schon zuvor beschäftigt (Mk 9,33f). Sie haben zwar Jesus immer wieder ankündigen gehört, dass in Jerusalem nicht der erhoffte Triumph auf ihn warte, sondern Leid und Tod. Aber sie haben nicht verstanden. Es ist für sie Theorie. Da Jesus immer auch von der Auferstehung redet, gehen sie nicht näher darauf ein, sondern bleiben bei ihren Themen: Rangordnung, Hierarchie, Einfluss.
  • Das Evangelium ist ein Kirchenthema. Bedauerlicherweise geht Jesus nicht weiter darauf ein, wie es nun mit den weltlichen Herrschern ist. Er spricht zu seinen Aposteln. Es geht um ihre Stellung in der Kirche und um das Zusammenleben in der Gemeinde der Kirche. Den Aposteln und Bischöfen, den Leitern in der Kirche macht Jesus unmissverständlich deutlich, dass die von ihm gesetzte Ordnung in seiner Kirche eine andere ist. Hierarchie, heilige Ordnung, ist für ihn nur als Engagement im Dienen denkbar.

3. Taufe und Kelch

  • Das hier ist keine Theorie. Jesus offenbart sein Schicksal. Und er macht seinen Jüngern deutlich, dass Jünger sein bedeutet, in dieses Schicksal hinein verwoben zu sein. Zu Jakobus und Johannes sagt er: "Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke?" Könnt ihr von diesem bitteren Trank, der auf mich wartet, dem Schierlingsbecher, der mir gereicht werden wird, kosten? "Und könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?" Könnt ihr untertauchen in das Meer der Vernichtung, das seine Fluten über mich ergießen wird? Wenn die Jünger teilhaben wollen an der Herrschaft Jesu, dann geht dies nur durch Teilhabe am Weg Jesu. Und dieser Weg ist nicht der Weg der Mächtigen, die ihre Gewalt missbrauchen.
  • Die beiden Bilder, die Jesus verwendet, verweisen nicht zufällig auf die Sakramente. Als Christen sind wir alle auf den Namen Jesu getauft. In der Kommunion werden wir auch heute wieder den Kelch reichen und dazu sagen: Das Blut Christi, denn dies ist der Neue Bund in seinem Blut. Es ist also etwas von der Frage Jesu an Jakobus und Johannes, das uns allen gilt. Wisst ihr, worauf ihr euch da einlasst? Es ist nicht zu erwarten, dass wir hier in größerer Zahl demnächst ans Kreuz geschlagen werden. Aber wenn es passieren würde, könnten wir nicht sagen, wir hätten es nicht gewusst. Wir haben uns auf einen Herrn eingelassen, dessen Maßstab nicht das Herrschen ist, sondern das Dienen, nicht die Macht sondern die Ohmacht.
  • Das hier ist keine Theorie. Das Schicksal Jesu ist das Schicksal Gottes unter uns. Das aber bedeutet, dass Dienen für Christen kein duckmäuserisches und serviles Kuschen ist, sondern souveränes selbstbewusstes Handeln, Gott ähnlich.
    Es gibt Herrschaft, die nur dem Machterhalt gilt, auch in der Kirche, auch in ganz normalen Beziehungen unter ganz normalen Christen. Viel leichter werden dann urchristliche Grundsätze fahren gelassen, als Machtpositionen geräumt. Das Dienen hingegen, das Jesus fordert, hält fest an der Wahrheit des Evangeliums. Aber gerade in der Wahrheit des Evangeliums werden wir befähigt, selbstbewusst den Dienst am Nächsten zu tun. Ja, wir werden darin gottähnlich, denn Gott ist Mensch geworden, nicht "um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen". Er setzt sein Leben ein, damit wir alle das Leben haben. Wie es im Einsetzungsbericht des Abendmahles heißen wird: "Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für euch all ihr Vielen vergossen wird." (Mk 14,24) Amen.