Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 27. Sonntag im Lesejahr C 2001 (Lukas)

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6. Oktober 2001 - Int. englischspr. Gemeinde St. Leonhard, Frankfurt

1. Wofür ist das gut?

  • "Wofür ist das gut?" Die Frage ist selbstverständlich. Wenn wir sie nicht stellen, gehen wir unter in der Flut der Angebot. Wer nicht unkritisch alles machen und mitnehmen will, stellt diese Frage.
  • Die Frage ist uns so selbstverständlich, dass wir gar nicht auf die Idee kämen, sie könnte unangebracht sein. Das Ziel des Lebens scheint doch Selbstverwirklichung und Erreichung unserer Ziele zu sein. Wie anders kann das gehen, als dass wir die Frage nach dem Wozu der Dinge und Tätigkeiten stellen.
  • Man kann aber die Frage leicht variieren, um zu merken, dass sie auch ihre Gefahr birgt. Frage ich etwa "Wofür nützt das?" oder "Wofür nützt mir das?", dann fällt vielleicht auf, dass es doch nicht so harmlos ist, nach dem Nutzen zu fragen. Hinter der harmlosen Frage "Wofür ist das gut?" verbirgt sich dann ein Denken, das alles nach dem Nutzen bewertet. Nach dem Nutzen für mich.

2. Stärke unseren Glauben

  • Im Evangelium sind heute zwei Abschnitte hintereinander gestellt, die nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Sie heben sich von den Jesus-Worten, die Lukas zuvor berichtet, nur dadurch ab, dass Jesus hier nicht zu den Leuten oder zu den Jüngern allgemein spricht, sondern zu dem engen Kreis der Apostel.
  • Es beginnt mit der Bitte der Apostel: "Herr, stärke unseren Glauben!" Vielleicht hat die Apostel das Wort Jesu veranlasst, das er zuvor zu allen Jüngern gesprochen hatte: Wir sollen einander vergeben! Die Apostel spüren, dass sie, die Gesandten des Herrn, besonders angesprochen sind und den Glauben besonders brauchen, um einander vergeben zu können.
    Jesus stärkt ihren Glauben, indem er sagt, wozu ein auch nur senfkorngroßer Glaube im Stande ist: Ganze Bäume kann versetzen, wer glaubt. Bei Matthäus und Markus steht die Variante dieses Jesuswortes, die sprichwörtlich geworden ist: Wer glaubt, kann Berge versetzen.
  • Dann aber folgt das Gleichnis vom unnützen Knecht. Die Apostel sollen sich selbst ansehen wie unnütze Knechte. Wie ein Hausknecht, der - damals selbstverständlich - vom Feld zurück kommt und dann erst einmal dem Herrn das Essen zubereitet, wie ein Knecht, der einfach nur tut, was sein Job ist, wie ein Knecht, wo niemand erwartet, dass für die selbstverständliche Erledigung seiner Aufgaben niemand in Dankesreden ausbricht, so sollen sich auch die Apostel sehen: als unnütze Knechte.

3. Selbstverständlichkeiten

  • Wozu also ist der Glaube gut? Man kann damit Berge versetzen. Das ist natürlich bildlich gemeint. Wer glaubt, der hat Orientierung. Wer glaubt, ist befähigt, das Leben zu meistern. Wer glaubt kann große Aufgaben bewältigen. Das lässt sich dann auf die Glaubenspraxis übertragen: Wozu ist es gut, am Sonntag in die Messe zu gehen? Oder: Wozu soll ich beten? Oder: Wozu soll ich in der Bibel lesen?
    Auf all diese Fragen lassen sich kluge Antworten finden. Auf all diese Fragen kann aus der Erfahrung gläubiger Menschen geantwortet werden. Und all diese Antworten sind richtig. Nur, die Frage wird dem Glauben nicht gerecht.
    Ich kann noch sinnvoll fragen: Wozu soll ich atmen? Wenn die Frage nicht medizinisch gemeint ist, kann die Antwort nur ebenso banal wie umwerfend lauten: Um zu leben!
    Da Glauben aber nicht das Für-wahr-halten irgendwelcher Sätze ist, sondern das Atmen der Seele aus ihrem Ursprung in Gott, ist jede Frage nach dem Nutzen des Glaubens schon zu klein gedacht. Deswegen kann Glaube Berge versetzen, weil es das Selbstverständlichste der Welt ist, dass das Geschöpf aus dem Schöpfer lebt.
  • Diese Selbstverständlichkeit finde ich wieder in dem Gleichnis vom unnützen Knecht. Wenn die Apostel, die Kirchenfürsten, ihren Glauben als etwas besonders Lobenswertes betrachten würden, dann hätten sie keinen Glauben an Gott, sondern nur den Glauben an ihre eigene Leistung. Wenn der Mensch, der von Gott gesandt ist, das Wort zu verkünden und dem Nächsten zu dienen, das für etwas besonders hält, dann hat er nicht verstanden, dass unser ganzes Leben von Gott, unserem Schöpfer kommt. Daher ist die Sendung Gottes innerster Teil dessen, was wir sind.
  • Die Bitte der Apostel ist sinnvoll und wir sollten sie regelmäßig in unser Gebet aufnehmen "Herr, stärke unseren Glauben!". Der Glaube, den allein Gott schenken kann, vermag zwar Großartiges, besteht aber nicht in seinem Nutzen. Er ist nicht zu etwas nütze. Glauben bedeutet, ganz selbstverständlich das leben, was wir von Gott her sind. Amen.