Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 27. Sonntag im Lesejahr C 1989 (Lukas)

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8. Oktober 1989 - Gemeinde Oberhöchstadt - Einführung neue Messdiener

Liebe Schwestern und Brüder,
Nach diesem Evangelium könnte einem spontan eine andere Anrede einfallen: Liebe unnütze Mägde und Knechte. Aber - bei aller Ehrfurcht vor dem Evangelium - käme Ihnen diese Anrede zu recht merkwürdig vor. Vielleicht ist es noch nachvollziehbar, dass wir Knecht sein sollen: für andere da sein. Damit ist sicher ein Herzstück christlichen Lebens beschreibbar. Aber, dass wir dabei unnütz sind ist eher eine Zumutung. Und doch steht es da im Evangelium. "Ihr sollt sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan."

Liebe künftigen Messdiener und Messdienerinnen,
dieses Evangelium ist nicht etwa extra für Euch heute ausgesucht worden. Es wird in allen katholischen Kirchen heute gelesen. Dennoch passt das, was von Jesus heute berichtet wird, erstaunlich gut zu Eurer Einführung: Knechte oder Sklaven zu sein ist ein anderes Wort für das, was Ihr nun werdet: Diener, Messdiener. Aber auch Ihr dürftet Euch für Eure Einführung etwas anderes erwartet haben als die Mitteilung: Ihr seid unnütze Messdiener.

Also: Was ist denn damit gemeint?
Jesus bringt ein Beispiel aus seiner Zeit: Ein Sklave, der am Tag auf dem Feld gearbeitet hat und am Abend im Haus arbeitet, hat das was getan, was seine Aufgabe war. Mehr nicht.

Wenn wir uns das auf heutige Verhältnisse übersetzen, heißt das zum Beispiel: Wenn Ihr in den Ferien den Tag über am Strand ward und am Abend in ein Restaurant geht: Sagt Ihr dann zu dem schon müden Kellner: Setzen sie sich erst einmal hin. Guter Mann, essen sie was, wir bedienen solange. Nein: ganz natürlich erwarten wir, dass er uns bedient. Das ist sein Beruf, dafür wird er bezahlt. Und auch einen besonderen Dank dürfte der Kellner nicht erwarten. Er hat halt seine Schuldigkeit getan.

Wenn wir genau hinschaun, ist das auch der Alltag von uns allen. Wir tun unsere Schuldigkeit, mehr oder weniger. Jesus sagt: So soll es auch bei euch sein. Nichts Großes, nichts Herrschaftliches, sondern das, was getan werden muss.

Aber oft ist es genau das was uns Schwierigkeiten macht: Unserer ach so normalen Arbeit nachgehen. Ob das die Schule ist, oder der Beruf in der Firma oder im Haushalt. Auch für den Ministrantendienst kann die erste Begeisterung verfliegen. Dann fällt es schwer, hat man Sonntags was anderes vor, ist es eh immer wieder das Gleiche.

Dem Bischof Timotheus ist es wohl ähnlich gegangen.
Deswegen schreibt ihm der Heilige Paulus den Brief, dessen Anfang wir heute gehört haben. Paulus kennt die Situation seines Freundes Timotheus gut: Probleme über Probleme und die Begeisterung und der Schwung der ersten Zeit sind dahin. Paulus spricht sogar von den "Leiden", die sie auszustehen haben.

Was ist seine Antwort auf diese Situation? Paulus vertröstet nicht auf eine bessere Zukunft sondern er holt Kraft aus der Erinnerung. Er schreibt dem Timotheus: "Ich rufe dir ins Gedächtnis: Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit." Das ist seine Antwort: Wir sollen uns an das erinnern, was uns gegeben wurde, was wir haben.

Für einen Messdiener heißt das: Bei aller Routine denkt immer daran: ihr habt einen großen Dienst übertragen bekommen: für die ganze Gemeinde, für alle Leute hier in der Kirche steht ihr stellvertretend, bringt Brot und Wein zum Altar, tragt Kerzen und schwengt das Weihrauchfass; helft ihr mit, zu zeigen, dass wir im Gottesdienst feiern. Euer Dienst, der Messdienst gründet in dem Vertrauen all derer, die an dem Gottesdienst teilnehmen. Und dieser Dienst gründet in der Einladung Gottes, der uns zu jeder Heiligen Messe einlädt, mit ihm zu feiern und uns von ihm beschenken zu lassen.

Daran sollt ihr euch immer erinnern, wenn ihr euren Dienst tut.

Aber, liebe Gemeinde,
ich glaube, diese Aufforderung des Heiligen Paulus zur Erinnerung ist an uns alle gerichtet: "Ich rufe euch ins Gedächtnis: Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit."

Auch wir können uns an das erinnern, was uns gegeben wurde, was wir haben. Am Beginn des Evangeliums war davon die Rede: Es ist der Glaube. Klein und unscheinbar, vielleicht kleiner noch als ein Senfkorn. Aber dieser Glaube heißt doch: Wissen um den Geist, den Gott uns gegeben hat. Vertrauen auf die Liebe, die Gott uns zugesagt hat. Leben aus der Gewissheit, dass unser Leben von Gott getragen ist und deswegen gar nicht so normal, alltäglich, ätzend und frustrierend sein kann, dass es nicht von der Liebe Gottes umfangen wäre. Ohne diese Erinnerung an de Zusage Gottes können wir uns schnell totlaufen.

Deswegen feiern wir zusammen Gottesdienst: Nicht weil die Predigt so gut ist oder die Lieder so anregend sind. Das soll sein. Sicher. Aber das Entscheidende ist: Gott ist unter uns und kann uns nicht genommen werden. Er gibt will uns Kraft geben, zur Liebe einladen, seinen Geist geben. Paulus sagt dem Timotheus: "Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt." In diesem Geist wohnt Gott in uns allen. Und im Empfang der Eucharistie will er sogar ganz greifbar werden. Daraus kommt keine Verzagtheit, sondern Kraft und Liebe.

Mit dieser Erinnerung, die wir uns gegenseitig geben, können wir auch wieder in den Alltag zurückgehen. Mit unserem kleinen, oft unscheinbaren Glauben können wir es wagen: Das zu tun, was unsere Aufgabe ist. Unsere Schuldigkeit zu tun. Und auch das Wort vom unnützen Knecht bekommt da für mich einen neuen Klang: Unsere Bedeutung kommt nicht daher, dass wir bedeutende Persönlichkeiten, Politiker, Wirtschaftsführer (oder bedeutende Prediger) sind. Das was wir sind, sind wir. Und was wir tun, können wir mit erhobenen Haupt tun, weil Gott uns seinen Geist gegeben hat. Im Dienst der Messdiener in der Kirche genauso wie im Dienst an den Mitmenschen und in der Arbeit jeden Tag. Amen.