Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 16. Sonntag im Lesejahr C 1995 (Genesis/Lukas)

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23. Juli 1995 - Kolleg St. Georgen Frankfurt/Main

1.

  • Die erste Lesung aus dem Buch Genesis und das Evangelium stellen uns vier Personen in zwei zugleich ähnlichen und unähnlichen Situationen vor. Da ist beides Mal die Gegenwart Gottes, aber erst im Rätselhaften der drei Männer, die Abraham besuchen, dann im Konkreten der Person Jesu, der mit göttlicher Vollmacht auftritt. Da sind der Nomadenfürst Abraham, der Gäste empfängt und umsorgt und bedient und seine Frau Sahra die zuhört und lacht. Da ist Martha, die Gastfreundschaft praktiziert, und ihre Schwester Maria, die hört.
  • Jedesmal geht es um die Begegnung, um die Aufnahme Gottes. Es geht um vier verschiedene Weisen zu glauben und um die Möglichkeit und Grenzen zu glauben.
    • Abraham ist der geradeaus Glaubende: gering ist der Bedarf für theologische Reflexionen. Abraham glaubt und der Glaube vollzieht sich und verwirklicht sich in seinem Leben. Er ist der Glaubende der Gegenwart, aus der Zukunft wird.
    • Sahra ist die hinter der Tür den Glauben Beobachtende, Belauschende. Sie steht hinter der Tür und weiß um das, was zwischen ihr und dem einfachen Glauben des Abraham steht. Sie lacht bei der Vorstellung, dieser alte Mann, diese alte Frau, dieses vergänglich Fleisch könnte noch einmal Leben zeugen. Sie lacht, weil sie Abraham so primitiv und gegen den Augenschein glauben sieht.
    • Martha ist die Glaubende, die ein offenes und bereites Haus für den Herrn hat. Für sie ist der Glaube selbstverständliche Aufforderung zum Tun. Damit erfüllt sie einen wichtigen Dienst. Sie scheitert aber daran, diesen Dienst im Geist des Dienens zu tun. Sie will aus ihrer Weise zu glauben eine allgemeine Regel, eine Ideologie machen. Sie schaut auf die anderen Glaubenden herab, macht diese vor Gott schlecht.
  • Deswegen hat Maria - wie es der Herr sagt - den besseren Teil erwählt. Weil Maria vom Notwendigen her ihren Glauben beginnt. Das Notwendige ist weder in mir zu finden, noch in einer allgemeinen Regel, noch in einem noch so ethischen, sozialen, biophilen Engagement. Das Notwendige findet sich in der Gestalt der Maria und ihrer Weise, dem Herrn nahe zu sein. Erst von da her trägt das Sinnvolle, Gute und Wichtige.

2.

  • Auf den ersten Blick sind Martha und Abraham, Sahra und Maria erstaunlich parallel in ihrer Haltung. Abraham wie Martha mühen sich im Dienst, bewirten den Fremden, üben Gastfreundschaft.
  • Sahara wie Maria (von der wir nichts hören, als dass sie hörte!) hören zu, lauschen. Dennoch ist der Unterschied groß.
    • Sarah wird von Gott gerichtet (in der Zurückweisung ihrer Lüge: "Ich habe nicht gelacht" - "Doch, Du hast gelacht"). Ihr Hören war ein distanziertes, unernstes, nicht ihr eigenes Leben ergreifendes Hören. Biblisch gesprochen ist es das Fleisch, das Verfallene, das zwischen ihr und dem Hören auf Gott steht.
    • Maria hingegen hört zu und wird von Jesus gerechtfertigt. Sie braucht das Wort Gottes und sie darf es hören und aufnehmen und beginnen daraus zu leben.
    • Zwischen Sahra und Maria steht eine andere Frau, bei der auch Gott zugegen ist, die auch hört. Diese Frau zwischen den beiden ist die jungfräuliche. Sie ist nicht wie Sahra eine alte, erfahrungsgesättigte Frau. Sie ist jung und neugierig und offen, voll Staunen (Wie soll das geschehen?), nicht voll Skepsis. Zwischen Sahra und Maria steht die konkrete Gegenwart Gottes in unserem Fleisch.
  • Daher auch der Unterschied zwischen Abraham und Martha. Abraham gehört dem Alten Bund zu, in dem Gott Altäre gebaut werden. Martha reicht in den Neuen Bund hinein. In ihm wird Gott im Geist und in der Wahrheit angebetet. Abraham verhandelt mit Gott, dass das Strafgericht ausbleibt; in Jesus ist das Gericht angebrochen, deckt die Schuld auf und schenkt eine neue Schöpfung.

3.

  • Die Tradition hat die Maria immer wieder mit der Sünderin aus Joh 8 identifiziert. Ich glaube nicht, dass das daran liegt, dass die Theologen sich die Frau nur als Jungfrau oder Prostituierte vorstellen kann.
  • Ich glaube, in dieser Tradition drückt sich die Wahrheit am tiefsten aus, dass nur der Mensch, der seine Gebrochenheit nicht verdrängt, sich Gott liebend nähern kann. Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.
  • Die Gegenwart Gottes im Angesicht unserer Schuld ist nicht Knechtung des christlichen Volkes durch die Priesterkaste, sondern ein tiefer Zusammenhang. Gott kann sich der Mensch nur mit leeren Händen nähern. Alles, was wir in Händen tragen - und nicht Gott selbst ist - stellt sich potentiell zwischen uns. Daher betont die Liturgie in den Gebeten vor der Begegnung mit dem Herrn in der Eucharistie so sehr das "Herr ich bin nicht würdig". Denn diese Einsicht allein kann offen machen für die Würde, die Gott uns geschenkt hat, wenn er uns erschafft und die er erneuern und erhalten will - in der Taufe und hier, wo wir das Brot miteinander brechen. Denn hier ist Gott zu Gast. Amen.