Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 21. Sonntag im Lesejahr A 2002 (Matthäus)

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25. August 2002 - Universitätsgottesdienst Frankfurt/Main

1. Wieder einer der Propheten

  • Es ist alles andere als beleidigend gemeint, wenn die Leute von Jesus sagen, er sei Johannes, Elija, Jeremia oder sonst einer der Propheten. Die Propheten sind die Hoffnungszeichen für das Volk. Die Menschen erfahren sich in einer Zeit, in der das Zusammenleben im Volk Gottes so schmerzlich fern ist von dem, was sein kann und sein soll. Von ihren Politikern fühlen sie sich betrogen: Um gewählt zu werden versprechen die Vieles, das sie nicht halten können.
  • Nach den Lebensregeln Gottes, die er seinem Volk am Sinai verkündet hatte, könnte das Volk in Gerechtigkeit leben. Korruption, Armut, Ungerechtigkeit, Entfremdung, das soll nicht sein und das könnte anders sein. Die Propheten sind die Gesandten Gottes, die in der Geschichte seines Volkes drastisch vor Augen gestellt haben, in welches Unheil die Gottlosigkeit führt und welch wunderbares Heil Gott seinem Volk doch eigentlich zugesagt hatte: Für alle Völker soll sichtbar werden, dass das Leben aus Gott Fülle, Freude und Heil bedeutet. Wenn dieses Volk doch nur annehmen wollte, was Gott verheißt.
  • Wenn Jesus über seine Jünger eine aktuelle Meinungsumfrage durchführt, wofür ihn das Volk hält, dann könnte er mit dem Ergebnis ganz zufrieden sein. Das Volk sieht ihn hoffnungsfroh als einen der Propheten. Einen Propheten in der langen Reihe derer, die das kommende Heil verheißen.

2. Erfüllt die Zeit, gegenwärtig das Heil

  • Jesus aber wechselt von der Meinungsumfrage (Was sagen die Leute?) zur Einladung zum Bekenntnis ("Ihr aber, für wen haltet ihr mich?"). Damit bekommt die Frage eine Unmittelbarkeit und Unausweichlichkeit, die jeder spüren dürfte, der dieses Evangelium hört oder liest und der sich selbst immer als jemand verstanden hat, der als Christ zu den Jüngern Jesu gehört. Ihr aber, für wen haltet ihr mich?
  • Es steht ein "aber" in dem Satz: "Ihr aber..." Es genügt nicht, dass wir uns auf die allgemeine Meinung zurückziehen. Das, was so im Allgemeinen konsensfähig ist, reicht nicht aus, um der Frage Jesu standzuhalten. Im "man" stehenzubleiben, in dem, was "man" so sagt, ist kein Ausweg, den uns das Evangelium lässt. Die Taufe hat uns in eine Nähe zu Christus gebracht, die ein Ausweichen der Frage nur noch um den Preis zulässt, dass wir uns schon gleich vorsichtig von unserer Taufe und dem Glaubensbekenntnis distanzieren: Ich habe es ja nicht so ernst gemeint... und einmal in ferner Zukunft, vielleicht...
  • Sehr ernst ist es vielmehr gemeint, denn Jesus bietet uns eine Gemeinschaft und eine Herrschaft an, die durch keine Macht der Unterwelt in Bedrängnis zu bringen an. Es ist ernst, denn hier öffnet sich das Herz einer Freude, die alles übersteigt: Gott selbst lädt mich ein, mit ihm zu sein. Gott will bei mir, ja: in mir sein, und mir - hier und jetzt - die Fülle des Lebens schenken. Für die Jünger, die mit Jesus ziehen, ist die Gemeinschaft mit Jesus ebenso Erfahrung geworden, wie die Gemeinschaft mit denen, die Jesus im Glauben bei sich aufnehmen, für sie Grundlage ihres Lebens geworden ist. Diese Jünger fragt Jesus: "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?"

3. In der Gegenwart leben

  • Einer ist es, der antwortet. Es muss immer einer sein, der antwortet. Nicht in dem Sinne, dass einer spricht und die anderen schweigen, sondern in dem Sinne, dass die Antwort auf Jesu Frage den einzelnen Menschen zur Antwort nötigt, ob er sich dem stellt, was es bedeutet, dass Jesus der Messias ist: Der Menschensohn, in dem Gott sein Volk sammeln und erneuern will. Jeder muss für sich antworten: Ja ich glaube, dass ich in dieser Gemeinschaft, im Volk der Getauften Gottes Reich erlebe und durch mein Mitleben mit den Schwestern und Brüdern dies konkret wird.
  • Das Evangelium handelt nicht vom Jurisdiktionsprimat des Papstes, auch wenn umgekehrt natürlich die Rolle des Petrusamtes in der Kirche nach diesem Evangelium gestaltet werden muss. Hier aber, im Evangelium, im Zusammenhang mit dem Bekenntnis des Petrus geht es um viel mehr. Weil Jesus nicht irgendeiner der Propheten ist, der sich dem Untergang entgegenstemmt und das Kommende verheißt, sondern weil Jesus der Messias ist, durch den das Himmelreich real angebrochen ist, darum ist das Wort Jesu an Petrus möglich: "Was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein." Denn mit Tod und Auferstehung Jesu ist "Himmel" nicht einfach nur jenseitig und zukünftig ("nach dem biologischen Tod"), sondern gegenwärtig im Leben der Kirche. Das alles meint Jesus nicht abstrakt, als blutarme Theologie. Er baut es auf konkrete Menschen. So wird Simon zum Petrus, dem Felsen.
  • Was hier geschieht ist Anteil am Reich Gottes, dem Himmelreich. "Dein Reich komme" ist die Bitte im Vater Unser, die wir beten sollen aus der Erfahrung, dass Gottes Reich schon begonnen hat. In der Taufe sind wir Teil der Gemeinde geworden, in der Gott Menschen sammeln will aus allen Familien, Stämmen, Sprachen und Völkern. Das Kind, das getauft wird, wird der biologischen Familie entrissen und soll in uns, der von Gott gesammelten Familie der Kirche, erfahren, dass Gott handelt. Hier, in unser Gemeinschaft, geschieht es. Amen.