Predigt zum 20. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Lukas)
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18. August 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Frieden und Harmonie
- "Von nun an wird es so sein..." Die Ankündigung Jesu, durch ihn werde es Zerwürfnisse zwischen
Menschen geben spalten, ist befremdlich. Dass er davon ausgeht, dass durch ihn sogar Familien
gespaltet werden, klingt zumindest nicht typisch christlich. Auf den ersten Blick ist weder
erkenntlich, warum das nach seiner Meinung so sein werde, noch warum Jesus sich dessen so
sicher ist.
- Es klingt danach, als müsse man um den christlichen Glauben einen großen Bogen machen, wenn
Eintracht in der Familie den höchste Wert darstellt. Von Jesus haben wir eben den irritierenden
Satz gehört, er sei gekommen, "um Feuer auf die Erde zu werfen". Das mag in einer bestimmten
Situation gesprochen sein. Aber es ist nicht zu übersehen, dass Jesus es zugleich sehr ernst und
grundsätzlich meint.
- In der ganzen Bibel finden sich wenig Anhaltspunkte dafür, dass Frieden und Harmonie die
höchsten Werte darstellen. Im Gegenteil ist das Thema Gewalt sehr präsent. Wer die Bibel nur
oberflächlich liest und nur aus dem Zusammenhang gerissene Sätze kennt, kann leicht übersehen,
dass dies einen präzisen Grund hat: Die Bibel kann sich mit Ungerechtigkeit nicht abfinden.
2. Feuer auf die Erde
- Wer macht dabei Ärger? Gemeinhin ist es der, der behauptet es gäbe Unrecht. Der stört den lieben
Frieden. Der ist der Nestbeschmutzer. Der muss sich rechtfertigen. Wer mit Ausgegrenzten
spricht, sie berührt und sich von ihnen berühren lässt, der macht Ärger. Denn durch sein Verhalten
setzt er die in's Unrecht, die ausgegrenzt haben.
- Jesus sagt dies und macht letztlich deswegen Ärger, weil er nicht nur selbst Unrecht aufdeckt,
sondern darüber hinaus andere nicht nur ermutigt, sondern geradezu mit göttlicher Vollmacht
ermächtigt. Er leugnet, dass "der liebe Friede" das höchste Gut ist, und beruft sich dabei auf seinen
"Vater im Himmel", der allein der Herr ist. Wenn in der Ausdeutung der Taufe mit dem heiligen
Chrisam zum Propheten in Christus gesalbt wird, dann ist damit diese Vollmacht und der Auftrag
gemeint, im Namen Gottes Unrecht zu benennen und für die einzustehen, denen die Stimme
genommen wurde.
- Diese Grundhaltung müssen Christen zu allen Zeiten und in allen Kulturen Mal um Mal neu
einüben. Sie ist nie ein für alle Mal gewonnen. Immer wieder wird der prophetische Geist in der
Kirche schwach werden. Immer wieder aber, das zeigt die Erfahrung der ganzen Geschichte der
Kirche, beruft Gott Menschen, sich durch Situationen herausfordern zu lassen, den Scheinfrieden
aufzukündigen und die Stimme zu erheben, "um Feuer auf die Erde zu werfen".
3. Heiligung der Welt
- Um es mit einem überraschenden Ausdruck zu sagen: Dieses Feuer ist ein Teil der Heiligung der
Welt, zu der jeder Christ berufen ist. Heiligung bedeutet nämlich auch, alles zu relativieren.
Relativieren im Wortsinn bedeutet nicht Gleichgültigkeit und nicht Dinge herabzuwürdigen,
sondern sie in Beziehung - Relation - zu setzen. Die Welt, alle Menschen und ich selbst, wir
können nur geheiligt werden, wenn wir uns in diesem Sinn relativieren, in Beziehung zu Gott
setzen lassen.
In Beziehung zu Gott gesetzt, muss weder die Familie noch die Kirche noch irgend etwas irdisches
selbst Gott sein. Und nichts von dem muss ich als Gott verehren. In Beziehung zu Gott gesetzt, ist
aber zugleich, dafür offen zu sein in allem Gottes Gegenwart zu suchen, also nichts vorschnell
oder auch ein für alle Mal zu verteufeln.
- So ist das auch mit den Konflikten, die Jesus ankündigt. Wer das Schweigen über Unrecht bricht,
wer Gottlosigkeit und Unrecht benennt, der gilt den Hütern des Status Quo als derjenige, der die
Gemeinschaft stört und sich außerhalb der Gemeinschaft der Kirche oder der Familie setzt. In
Wirklichkeit aber ist es so, dass derjenige, der aus Liebe zu seiner Familie, zu seiner Kirche, zu
seiner Firma oder seiner Nation prophetisch spricht, der gehört mehr dazu als der andere, der all
diese menschlichen Institutionen nur dazu benutzt, sich groß zu machen und andere klein zu
machen oder zu verletzen.
- In diesem Sinne feiern wir die Sakramente der Kirche als
Sakramente der Heiligung, die Gott in
unserem Leben vollziehen will. Die Ankündigung Jesu, dass er Spaltung
bringe, müssen wir nicht
fürchten. Sie kann sie als eine für mich uns heilsame Spaltung sehen,
wenn sie mir hilft, mich in
meinem Herzen von dem zu trennen, mit dem ich anderen schade, und wenn
sie eine Unterscheidung bewirkt, die zu mehr Klarheit, zu mehr Glauben
und damit letztlich zu mehr Liebe führt.
Amen.