Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 2007 zum 2. Sonntag im Lesejahr C

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14.01.2007 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius Frankfurt

1. Namenlose

  • Ich verrate Ihnen etwa, das uns der Evangelist Johannes verheimlicht. Bei einem Krimi ist es unanständig zu verraten, wer der Mörder ist. Man nimmt den anderen die Spannung. Hier aber fühle ich mich befugt, das Geheimnis zu lüften, weil die allermeisten von Ihnen es ohnehin schon wissen. Ja, vielleicht haben Sie gar nicht gemerkt, dass der Name im Evangelium ausgespart ist: Die Mutter Jesu heißt Maria.
  • Der Name fällt im Johannesevangelium nie. Man könnte meinen, das läge daran, dass es letztlich auch gar nicht viel zu sagen gäbe über diese Frau. Nur zwei mal taucht sie bei Johannes auf. Diese zwei Auftritte aber sind präzise platziert. Den ersten haben wir im heutigen Abschnitt kennen gelernt, bei der Hochzeit im galiläischen Ort Kana. Betont und ausdrücklich ist dies der Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu. Bis dahin hat er fast unerkannt nur die ersten Jünger um sich gesammelt. Der zweite Auftritt Marias im Johannesevangelium wird ganz am Ende sein. Erst als Jesus vom Kreuz herab seine Mutter dem Lieblingsjünger und den Lieblingsjünger der Mutter anvertraut hat, heißt es, alles sei vollbracht. Die Mutter Jesu rahmt und umfasst das öffentliche Erscheinen des Wortes Gottes im Fleisch der Welt, wie es das Johannesevangelium schildert.
  • Dass der Name der Mutter nicht genannt wird ist mithin auch kein Zufall. Sie steht damit neben dem Jünger, dessen Name auch nie genannt wird, sondern von dem es immer nur heißt, es sei der "den Jesus liebte". Wenn man sieht, dass das Johannsevangelium versucht, uns, den Hörern und Lesern, das Drama Gottes in unserem Fleisch zu erzählen, dann sind die Mutter und der namenlose Jünger für uns die zentralen Gestalten, in die wir unseren eigenen Glauben und unseren eigenen Weg hineinlesen können. Sie bleiben ohne Namen, damit Platz ist für unser aller Namen.

2. Herrlichkeit

  • Der Abschnitt des Evangeliums benennt eine Zeit: und einen Anfang "am dritten Tag (...) tat Jesus den Anfang seiner Zeichen" und das an einem konkret benennbaren Ort, "in Kana in Galiläa" und damit "offenbarte er seine Herrlichkeit". Der Dritte Tag ist einerseits der Tag der Auferstehung, andererseits zusammen mit den vier Tagen, die das Evangelium zuvor berichtet, der siebte Tag, Tag der Vollendung der Schöpfung. Hatte das Evangelium schon begonnen mit den selben Worten wie die gesamte Bibel im Schöpfungsbericht ("Im Anfang..."), so macht es jetzt deutlich, dass mit dem öffentlichen Auftreten Jesu die Fülle, die Vollendung und sogar der Beginn der Auferstehung schon gegenwärtig ist.
  • "Im Anfang war das Wort", beginnt das Johannesevangelium, und im Prolog heißt es: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen". Hier, in der Fülle besten Weins bei einem Fest, das den durchschnittlich guten Wein bereits verbraucht hat, wirkt Jesus "den Anfang seiner Zeichen" (so wörtlich für "das erste Zeichen") und seine Jünger sehen darin die Herrlichkeit Gottes.
  • Noch in den 50er Jahren wird in einem Kommentar (Martin Dibelius, Formgeschichte des Evangeliums) gemäkelt, dass dieses Zeichen "vielleicht sogar bedenklich ist, jedenfalls mit evangelischem Ethos nichts zu tun hat." Schlimm für das puritanische Ethos. Denn Gott ist nicht Mensch geworden, um uns ethische Kataloge vorzulegen, sondern um uns seine Herrlichkeit schauen zu lassen. Jesus selbst ist der Weinstock, von dem Wein in solcher Fülle fließt, dass bei diesem Hochzeitsfest in Kana für die gläubigen Jünger die Herrlichkeit sichtbar wird, zu der wir beim himmlischen Hochzeit alle eingeladen sind. Das Fest beginnt - glaubt an das Evangelium!

3. Kirche

  • "Meine Stunde ist noch nicht gekommen." Damit bescheidet Jesus seine Mutter, als diese ihn auf den Mangel an Wein aufmerksam macht. Der Satz schränkt ein und eröffnet. Er schränkt ein, denn alle Wunder, die Jesus tut, sind nur Zeichen, die auf die Erfüllung hinweisen. Es sind Zeichen, die nur verstanden werden können von dem, der sie im Glauben liest. Wunder erzwingen keinen Glauben und sind noch nicht die Herrlichkeit Gottes selbst, so faszinierend sie sein mögen. Zugleich aber öffnet Jesus für uns mit dieser Einschränkung auch den Raum, das Zeichen zu sehen und zu verstehen: die Fülle des Weins. In der Situation, in der nur noch Wasser zu haben ist, ereignet sich die volle Freude des Glaubens.
  • Ebenso hat auch der andere Satz Jesu an seine Mutter zwei Perspektiven. "Was willst du von mir, Frau?" heißt wörtlich "Was mir mit dir?", also "Was haben wir gemeinsam?". Die Frage weist den Anspruch der jüdischen Mutter zurück. Zugleich aber wird mit der Anrede als "Frau" an den ersten Anfang erinnert. Bei dem "im Anfang" der Schöpfung ist die Frau das Werk Gottes, das erst Gemeinschaft der Menschen bedeutet (Gen 2,22 im Unterschied zu Gen 1,27, wo ein anderes Wort verwendet wird). Im Anfang der Zeichen Jesu steht im Johannesevangelium wieder "die Frau", denn die Zeichen sind es, durch die die Kirche hingewiesen wird auf die Fülle der Herrlichkeit.
  • Die Fülle der Herrlichkeit ist das Kreuz. "Die Stunde" Jesu, das wird der Augenblick sein, in dem Gott seine Liebe bis zum Letzten offenbart: hier wird Gott ganz er selbst, indem er sich ganz schenkt; hier offenbart sich Gott als Liebe. Seine jüdische Mutter spricht im Evangelium das Verlangen Israels aus, diese Fülle zu schauen. Zugleich spricht Maria aber auch als die Frau, in der sich die Sehnsucht des Menschen nach Gemeinschaft an Gott wendet. Der Ruf "Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder" hat sich in Kana bereits erfüllt und wird von Christen durch die Jahrhunderte gesprochen, als Grundstruktur des Glaubens, dass wir nicht alleine vor Gott stehen und Gott uns nicht alleine erlösen will, sondern als die Menschen, die Gott selbst geschaffen hat. Amen.