Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2007 (Johannes)
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15. April 2007 - Pfarrgemeinde St. Ignatius Frankfurt
1. Klerikale Lesart
- Die einfachste Interpretation ist die klerikale. Sie hat den
Vorteil, dass
sie immer katholisch klingt, so als wäre katholisch und klerikal
direkt
proportional: je klerikaler, desto katholischer. Das ist zwar
Quatsch, aber
bequem für Laien wie für Kleriker, vor allem auch für Klerikalisten
und Antiklerikalisten gleichermaßen.
- "Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr
die
Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert." Die klerikale
Interpretation
bezieht das auf die Amtsträger in der Kirche und auf die Beichte. Es
klingt ja auch schon so ähnlich. Dann ist der schwarze Peter beim
Priester,
der in der Beichte die Vergebung gewährt oder verweigert. Und wenn
er
verweigert beweise er katholische Borniertheit. So einfach ist das.
Der Satz
hat dann nämlich für den Alltag der Getauften keine große
Bedeutung mehr.
- So einfach ist es aber nicht. Denn Jesus sagt zu allen Jüngern: "Wie
mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." und "Empfangt
den
Heiligen Geist!". Alle Jünger sind also angesprochen, alle
Christen,
alle Getauften, das ganze priesterliche Volk Gottes. (Wobei es im
Matthäusevangelium
16,18 durchaus eine Stelle gibt, in der Jesus dem Petrus eine
besondere -
innerkirchliche Binde- und Lösegewalt anvertraut. Dies aber hier nur
am Rande)
2. Der Gekreuzigte und Auferstandene
- Den Heiligen Geist empfangen, bedeutet Gemeinschaft haben mit
Gott. Gott
in uns und Gott durch uns. Das Evangelium zeigt uns den
Auferstandenen, wie
er Frieden zuspricht und von seinem Atem gibt ("er hauchte sie
an").
Das bedeutet, Jesus schafft einen geschützten Raum, in dem wir die
Gemeinschaft
mit Gott und Gottes lebensspendenden Atem erfahren können. Kurz im
heutigen
Evangelium gründet Jesus die Kirche, wie sie konkret in dieser
Gemeinde
gegenwärtig ist.
- Das mag für manche nach leeren Sätzen klingen. Diese Sätze
aber erhalten Realität, wo die Erfahrung des Gegenteils von Frieden
und
Gottes Geist real ist: in Streit, Hass, Unrecht, Unruhe,
zerfressendem Zweifel
und Einsamkeit. Vor allem dort, wo ich erfahre, dass ich selbst
meinen Beitrag
am Unfrieden habe, wo ich andere verletzt und für meine Zwecke
missbraucht
habe, dort kann das Verstehen beginnen. Denn der Auferstandene kommt
aus der
Brutalität des Kreuzes und dem Dunkel des Todes auf die zu, die ihn
ans
Kreuz geschlagen haben, ihn verleugnet haben oder weggerannt sind.
Wenn ich
das Gespür für meine eigene Verlorenheit nicht (mehr) habe, wird
die Rede vom Frieden in Gott natürlich zur Floskel. Gott würde mir
nicht mehr Raum geben können in sich, weil ich Gott keinen Raum mehr
gebe in mir.
- Daher frage ich: Wo lassen wir die Wahrnehmung des Unrechts zu -
das wir
tun und das Menschen erleiden? Wo sehen wir die Kinder, die von
ihren Eltern
mit frommen Leistungsdenken vollgepumpt werden, bis sie daran
zerbrechen?
Wo die Beziehungen, Freundschaften und Ehen, die zerbrechen, weil
ich nur
um mich selber kreise und nicht aufruhe auf der Beziehung zum
Urgrund Gottes
in mir? Wo der Verlogenheit, mit der ich mir und anderen etwas
vormache? Im
Kreuz hat die christliche Tradition immer zusammenschauen können,
was
an Leid und Unrecht in der Welt ist, wie es verletzt und wie ich
darin verwoben
bin, als Opfer und als Täter. Dies alles ist die Realität zerstörten
Friedens und von Verhältnissen, die uns die Luft abschneiden zum
Atmen.
3. Katholische Lesart
- Wenn wir wieder beginnen, ernsthaft darüber zu reden, kann die
Osterbotschaft
aufhören leere Rede zu sein. Erst dann werden wir beginnen zu
verstehen,
was passiert, wenn Gott am eigenen Leib die Zerrissenheit der Welt
erträgt,
durch den Tod geht um neues Leben zu bringen. Erst dann können wir
ermessen,
was die biblische Urrede von Gottes Barmherzigkeit bedeutet. Aus dem
Dunkel
kommt uns der Auferstandene mit seinen Wundmalen entgegen und bringt
uns Gottes
Barmherzigkeit.
- Der Auferstandene sagt: "Wie mich der Vater gesandt hat, so
sende ich
euch." Das ist der Kern dessen, was christlicher Glaube heißt.
Teilhaben an der Sendung Jesu. Er war wie Gott, hielt aber seine
Gottheit
nicht fest, sondern gab sie dahin, weil diese Welt nicht durch die
professionellen
Macher verändert werden kann, sondern nur durch Menschen, die
erfahren
haben, dass göttlich nur die Hingabe ist. Die Macher wollen
letztlich
Macht. Gott am Kreuz jedoch ist ohnmächtig. Er gibt sein Fleisch und
Blut, seine Menschheit und Gottheit hin.
- Jesu Sendung vom Vater ist die Vergebung der Sünden. Er zwingt
nicht,
sondern lädt ein. Angesichts dessen, was Menschen einander antun und
sich dadurch meilenweit entfernen von Gott, lädt er ein zur
Erneuerung
der Gemeinschaft für alle, die dies wollen. Diese Versöhnung
weiterzugeben,
ist die priesterliche Berufung der Kirche. Wir sollen ein Volk sein,
dass
nimmt, was brüchige Welt ist, um es Gott hinzuhalten, dass sein
Geist
es wandelt. Konkret geschieht dies zu aller erst im Gebet (vgl.
Hebr 5,6f.
Erst aus dem Gebet heraus kann dann auch praktische Hilfe werden.
Ohne Gebet
ist es immer in Gefahr abzugleiten in selbstisches Machen. Mit Gebet
wird
es zur heiligen Opfergabe an Gott, etwas das wir hintragen zu Gott,
weil wie
von Gott Barmherzigkeit erfahren und Barmherzigkeit erhoffen. Dem
Priester
am Altar ist das Sakrament des gebrochenen Brotes anvertraut. Aber
dem ganzen
priesterlichen Volk Gottes ist das Sakrament der Versöhnung
anvertraut,
dass Menschen zu Gott gebracht werden in unserem Gebet, in der
Erfahrung des
Friedens einer echten Gemeinschaft von Gottes Volk und in einer
Welt, in der
Menschen mitwirken gegen Leid und Unrecht, weil sie zuversichtlich
sind, dass
Gott an ihrer Seite wirkt. Amen.