Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 19. Sonntag im Lesejahr A 2014 (1 Könige)

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10. August 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Sich Gott stellen

  • Versuchen Sie mal etwas, das für Ihr Leben prägend und entscheidend ist anderen zu erzählen. Sie werden merken, dass das gar nicht so einfach ist.
    Es ist schon kein Geringes, das eigene Leben und die Beziehungen, die einem wichtig sind, für sich selbst klar zu sehen, ohne die Brüche und Schattenseiten auszublenden. Aber das dann noch in knapper, anschaulicher Weise zu erzählen, das ist hohe Kunst.
    In den Lesungen aus der Bibel, die heute weltweit in katholischen Kirchen zu hören sind, finden sich gleich zwei solche Schlüsselbilder. Petrus, der Apostel Jesu der aus dem Boot steigt, und Elias, der Prophet 800 Jahre früher, der aus der Höhle herausgerufen wird, um sich vor das Angesicht Gottes zu stellen.
  • Was das bedeutet, kann man in einem kleinen Experiment ausprobieren. Man muss nur einmal aufstehen und sich im Geiste vor jemanden stellen, mit dem man eine intensive aber nicht ganz einfache Beziehungsgeschichte hat, eine Geschichte die von Sehnsucht, Vertrauen und Liebe, aber auch von Zweifel, Verunsicherung, vielleicht auch Zorn und Bitterkeit geprägt ist, vor allem auch dann, wenn ich um das eigene Versagen weiß.
    Sich vor solch einen Anderen hinzustellen, einfach nur wehrlos hinzustellen, ohne zu wissen, was kommt, das fällt nicht leicht.
  • Komm heraus und stell dich vor die Höhle. Sag endlich, was du willst. Versteckte dich nicht länger hinter Vorwürfen und den Wunden, die Du Dir leckst. Steh zu dem wer du bist und was du getan hast. Versuch nicht länger die Fassade aufrecht zu halten, hinter der du dich versteckst. Steh zu der Angst, die in deinen Knochen sitzt. Steh zu der Sehnsucht, die du dir sonst nie eingestehst...
    Solche Zumutungen schwingen mit, wenn Elias von Gott gefragt wird: "Was willst du?" und ihm gesagt wird: "Komm heraus, stell dich auf den Berg vor den Herrn!"

2. Die Stürme aushalten

  • Zur Erinnerung: Hier wird verdichtete Glaubenserfahrung weiter gegeben. In der Szene am Horeb geht es nicht um oberflächliche Ereignisse, sondern um die Tiefenstruktur des Glaubens, wie ihn der Prophet Elias erlebt. Er spricht darüber, indem er schildert: Als er sich, von Gott gerufen, aus der Höhle wagt und aufrecht hinstellt, kommen Sturm, Erdbeben und Feuer. Und jedesmal heißt es, ein wenig enttäuscht: "Doch Gott, der Herr, war nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer".
  • Schwer zu sagen, ob Elias gehofft oder befürchtet, dass Gott sich in solcher Gewaltexplosion manifestiert. Wünscht oder befürchtet er bestraft zu werden? Wünscht oder fürchtet er, dass Gottes Macht gegen andere dreinschlägt? Oder wünscht oder fürchtet er, dass Gott sich endlich so mächtig und kraftvoll gegenwärtig erweist wie Sturm, Erdbeben und Feuer?
  • Es heißt, die drei gingen der Begegnung mit Gott voraus. Das würde bedeuten: Ich kann mich Gott nicht stellen, wenn ich mich den Stürmen und Erschütterungen des Lebens nicht stelle - und zugleich die scheinbare Abwesenheit Gottes ertrage. Sturm, Erdbeben und Feuer stehen für die Realität, die Menschen bedrängt, und oft wünschen wir uns den starken, lauten, unübersehbaren Gott, der dem entgegen tritt. "Doch Gott, der Herr, war nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer"

3. In die Stille finden

  • Die Kirche, gerade die katholische ist nicht nur der Ort, der dem Glauben an den Gott Jesu Christi einen Ort gibt (biblisch: das Boot der Jünger, die Höhle des Elija). Die Kirche ist mindestens so sehr der Ort, die Gemeinschaft und die Institution, die mich durch ihre Enge und ihr Versagen in den Zweifel führt, und den scheinbar sicheren Boden unter den Fußen schwankend macht. Auch das ist die Kirche, die Jesus gewollt hat, wie sich an der Erwählung des Petrus (ausgerechnet der!) deutlich zeigt.
  • Durch die Taufe wird daher niemand vor den Stürmen bewahrt. Im Gegenteil. Wenn ich den Schritt hinaus wage, wenn ich mich von Gott herausrufen lasse, dann riskiere ich, diese Stürme des Lebens viel existentieller und markerschütternder zu erfahren, als wenn ich in der Höhle bleibe und mich mit der kuscheligen Enge begnüge. Glaube aber bedeutet Vertrauen, und das bedeutet auch: Heraustreten und Aushalten.
  • Dann aber kommt "ein sanftes, leises Säuseln"; Martin Buber übersetzt aus dem Hebräischen: "eine Stimme verschwebenden Schweigens". Was jetzt folgt, ist der Raum, den jeder von uns für sich selbst entdecken muss. Es sind in der Liturgie, den Gottesdiensten die wir feiern, die kleinen Zwischenräume, in denen Gott in das Schweigen hineintritt und in denen nur das Schweigen wahrnehmen kann. Es sind die im Terminkalender und im Tagesablauf hart zu erkämpfenden Minuten, die nur mir gehören und Gott. Das Vorausgehende, der Schritt vor die Tür, das Erleiden des Sturmes, sind dabei nicht entbehrlich und sie verschwinden auch nicht. Aber sie können in das Schweigen und die Stille eingehen und dort zur Berufung verwandelt werden. Amen.