Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 18. Sonntag im Lesejahr B 2021 (Exodus)

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1. August 2021 - St. Peter, Sinzig/Rhein

 1. Wasndas

  • "Was der Bauer nicht kennt", sagt das Sprichwort, "isst er nicht".  Das gilt nicht nur für Landwirte. Viele, vielleicht die meisten Menschen würden ein Essen skeptisch beäugen, das vor ihnen auf dem Teller liegt, wenn sie noch nie dergleichen gesehen, gerochen und geschmeckt haben. Ob das wohl schmeckt und bekömmlich ist?
  • Es ist diese Skepsis, von der die Bibel berichtet, wenn im 16. Kapitel des Buches Exodus Gott dem Volk Israel, das in der Wüste hungert und murrt, Manna zum Frühstück reicht. Etwas weißes, knuspriges, wie Brot liegt auf dem Wüstenboden.
  • Sie fragen sich "Was ist das?". – Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde von dieser Frage der Name abgeleitet: "Manna". Im hebräischen Original des Alten Testamentes in der Bibel heißt die Frage "Man hu", übersetzt: "Was ist das?", und daher könnte man "Manna" übersetzen mit "Wasndas".  Was Gott uns zu leben gibt ist "Wasndas?" – etwas, das irgendwie lecker sein könnte, aber unbekannt ist und sich einer einfachen Erklärung entzieht.

2.  Wüste

  • Das Manna – das "Wasisndas?" – wird von Gott gegeben. Das ist das! Es ist kein Fertigprodukt im Regal bei Aldi. Dort kann jeder eine Packung nehmen und sollte an der Kasse bezahlen. Das Manna aber wird von Gott geschenkt: An sein Volk, die Menschen die in der Wüste auf der Flucht sind, an die Israeliten, die zweifeln und murren. Das Brot in der Wüste, das Manna, ist unbegreiflich und doch da, echte Nahrung und doch nicht einfach nur das. Die Wüste, also die Lebenssituation in der das Manna geschenkt wird, gehört zum Manna dazu.
  • Die Israeliten waren Flüchtlinge aus der Unfreiheit. In Ägypten waren sie Sklaven. Sie waren politisch unfrei, religiös unfrei, bis in die persönlichsten Bereiche waren sie Sklaven. Deswegen konnte Mose sie zu dem Wagnis der Flucht überreden. Gott hat ihnen zugesagt: Wenn ihr nach den Geboten Gottes lebt, dann könnt ihr in eurem eigenen Land, in Freiheit und Gerechtigkeit leben.
    Doch die Israeliten waren weder durch Hunger noch durch eine Flut, einen Krieg oder eine Dürre vertrieben worden. Diesen Unterschied sollten wir nicht vergessen, wenn wir die Lesung hören und an Menschen heute denken.
  • Doch den Zweifel, vielleicht auch das Murren kennen auch wir. Wie selbstverständlich gehen wir davon aus, dass Gott es ist, der uns all die Jahre und Jahrzehnte geführt hat. Und wo stehen wir jetzt? Wo ist Gott jetzt? Hat Gott das Hochwasser gewollt, es zugelassen? Und: Hat er uns Christen nur hierher geführt um zu erleben, dass die Kirchen immer leerer werden und der Glaube auch mir wie Sand zwischen den Fingern zerrinnt?

3. Begegnung

  • Mein Problem als Priester und Katholik ist: Ich meine viel zu oft zu wissen, was das ist – gerade hier in der Messe. Nicht: "Wasisndas?", sondern: "Das ist der Leib Christi! Das ist das Heilige Brot der Eucharistie!", oder auch "So und so ist Gott!", "Das und das steht in der Bibel!".
  • Es braucht erst wieder einen Menschen, der "Wasndas?" fragt, damit ich merke, wie wenige klar meine Wörter und Formeln sind – und wie weit weg oft von meinem echten Leben. Was hat das Manna, das "wahre Brot vom Himmel", von dem Jesus spricht, mit uns zu tun, mit dem Hochwasser, mit Covid-19, mit dem Kollaps der kirchlichen Strukturen und Leitung? Was hat das Manna, das Brot das wir in der Hl. Messe empfangen, die Gebete, der Segen – was hat das mit meinem Leben zu tun?
  • Die Antwort finde ich, wenn ich den kurzen Text aus Exodus 16 in der Bibel nachlese. Da steht nämlich: Das Manna ist das tägliche Brot, das Gott uns gibt. Ausdrücklich heißt es: Jeder und jede bekam täglich das, was nötig war. Nur am sechsten Tag konnte jeder genug sammeln, um am siebten Tag von der Arbeit zu ruhen und Gott zu loben. –
    Erst hier verstehen wir das Manna, wo wir es nicht beliebig, gedankenlos nehmen, sondern als Teil unserer ganz persönlichen und gemeinsamen Dankbarkeit, in der wir Gott loben und ihn ehren. Jedes Gebet und jedes Manna ist nur so lebendig, wie wir in Beziehung zu Gott leben. Das bedeutet vor allem, wieder die Frage zu stellen: Was ist das? Was ist das, Gott, das du mir schenkst? Was ist das, womit du mich im Leben trägst? Hilf mir es neu zu entdecken und neu zu verstehen. Lass unsere Gemeinschaft hier, in der Kirche, eine Gemeinschaft sein, die uns hilft zu fragen und neu zu entdecken, dass du, Gott, mit uns bist. Das ist das Geschenk, tägliches Brot vom Himmel. Mehr brauchen wir nicht. Amen.