Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 18. Sonntag im Lesejahr B 2012 (Johannes)

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5. August 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Vergänglich in der Zeit

  • Dass wir gestern erst gegessen haben, ändert nichts daran, dass wir heute schon wieder essen wollen. Dass wir letztes Jahr schon im Urlaub waren, ist kein Argument, nicht dieses Jahr wieder Urlaub zu nehmen. Dies alles, wenn wir es uns denn leisten können.
  • Wir haben Hunger. Und wenn wir zu den Glücklichen dieser Erde gehören, können wir etwas essen bis wir satt sind. Nach einiger Zeit werden wir wieder hungrig. Wir sind durch den Alltag erschöpft. Wenn es uns möglich ist, suchen wir Zeiten der Erholung und Abwechslung.
    Das ist der ganz normale Rhythmus bei Essen und Trinken, bei Beschäftigung und Vergnügungen, auch beim Gläschen Wein oder dem guten Buch. Das ist ganz normal und in Ordnung. Wir leben in der Zeit und im Werden.
  • Irgendwie versuchen wir dabei das Endliche in der Zeit durch Wiederholung auszugleichen. Wir Menschen leben in der Vergänglichkeit der Zeit und machen, was wir jetzt brauchen, auch wenn es wieder vergeht.

2. Himmel und Erde

  • Doch das immer Wiederkehrende macht noch kein sinnvolles Leben aus. Ich muss mich als leiblich verfasster Mensch der Spannung von Zeitlichkeit und Sinn stellen. Die Grundspannung gehört zu meinem Menschsein. Sie trägt viele Namen. Es ist die Spannung von vergänglich und bleibend, von Himmel und Erde, von Werk und Geschenk, von Leib und Geist. Im heutigen Evangelium heißt es: "Die Speise, die verdirbt" und "die Speise, die für das ewige Leben bleibt".
  • Das Entscheidende aber ist: Diese beiden Formen der Speise, die vergängliche und die bleibende, sind nicht einfach von einander getrennt, sondern stehen in Beziehung zu einander.
    Es ist die unvergängliche Speise, von der es heißt, sie "gibt der Welt das Leben". Das Bleibende finden wir nicht an unserer zeitlichen Existenz vorbei, sondern nur durch sie hindurch. Deswegen hat auch Jesus mit dem Zeichen des Brotes begonnen, mit dem die Fünftausend gespeist wurden. Viele sind daraufhin einfach nach Hause gegangen. Einige aber haben sich auf die Spuren Jesu gemacht, weil sie mehr suchen. Auch wenn sie noch nicht wissen oder sagen können, was genau sie suchen, so fragen sie doch Jesus: "Herr, gib uns immer dieses Brot!"
  • Dahinter steht das Gespür dafür, dass das Leben sich nicht in der immer gleichen Wiederholung erschöpft. Dahinter steht die Ahnung, dass aus dem Essen irdischer Speise, aus dem Trinken eines irdischen Weins ein Weg werden kann, dem Himmel zu begegnen.

3. Der Menschensohn, das Brot vom Himmel

  • Leute fragen Jesus: "Was müssen wir tun?". Er aber zeigt ihnen, dass Gott zuerst sein "Werk Gottes" geschenkt hat. Alles, was sie 'tun' müssen, ist trauendes Glauben - glaubendes Vertrauen in dieses "Werk Gottes".
    Ja, selbst dieser Glaube ist nicht etwas, das wir machen und werkeln, sondern das uns geschenkt wird. Vertrauen ist nie eine Leistung, obwohl es zugleich unser ganzes Menschsein dazu braucht. Vertrauen in Gott realisiert sich darin, dass ich mich auf das 'irdische Brot' einlasse und darin Gottes Gegenwart erfahre.
  • Das Bleibende ist immer die Begegnung mit einem Anderen oder einer Anderen. Freundschaft und Liebe, das Bleiben in einer Beziehung gibt dem vergehenden des Alltags erst Sinn. Dieses Bleibende aber kann ich nur bedingt machen oder herstellen. Ich kann es mir im Letzten nur schenken lassen.
    Aktive, vor allem stark strukturierende Menschen werden merken, dass dies ein mitunter langer Weg ist. Es wird immer neue Anläufe brauchen, mich auf Begegnungen und Erfahrungen einzulassen. Gott kann mir in freudigen und in schweren Erfahrungen, in Zuneigung, die ich zu jemand verspüre, und sogar im Zorn begegnen. Gott kann mir in dem täglichen Brot, das ich esse und in der scheinbar zufälligen Begegnung entgegen treten. Alles kann Nahrung sein nicht nur für das irdische Leben, sondern auch für das himmlische oder ewige Leben, in dem mir das "wahre Brot vom Himmel" geschenkt wird.
  • Im Evangelium lädt Gott uns ein, "dass wir an den glauben, den er gesandt hat". In Christus begegnet uns Gott selbst. Damals wie heute ist das Naheliegende zu sagen, Jesus sei doch auch nur ein irdischer Mensch. Wie kann im Irdischen Gott gegenwärtig sein?
    Deswegen ist es geradezu skandalös, wenn Christus von sich sagt: "Ich bin das Brot des Lebens". Damit ist hier, an dieser Stelle im Johannesevangelium, nicht einfach schon das eucharistische Brot, der Leib Christi der Heiligen Messe gemeint. Vielmehr ist hier viel grundlegender eine 'eucharistische Glaubenshaltung' beschrieben. In Christus ist alles geschaffen (vgl. Kol 1,16). Alles Geschaffene kann zur Begegnung mit ihm führen. Nicht nur die feste Freundschaft und Partnerschaft, sondern auch eine flüchtige Begegnung, kann zum Zeichen werden, das auf die bleibende Verbindung mit Christus verweist. Die Feier der Eucharistie, in der er uns seinen Leib in der Kommunion schenkt, macht dies ausdrücklich und im Sakrament erfahrbar. In einfachem Brot, im täglichen Erleben empfange ich Gottes Gegenwart. Amen.