Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 18. Sonntag im Lesejahr A 2005 (Römerbrief)

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31. Juli 2005 - Universitätsgottesdienst Frankfurt/Main

1. Magie

  • Ein aus Österreich stammendes zuckriges Getränk wirbt damit, es verleihe Flüüügel. Der außerordentliche Erfolg dieser Marke verdankt sich einer geschickten Werbekampagne, zu der eine brodelnde Gerüchteküche über die wahre Zusammensetzung des Doseninhaltes gehört. In den entsprechenden Internetforen wurde ganz ernsthaft an der These festgehalten, in Red Bull seien Stierhoden verarbeitet (was sonst verberge sich hinter der Substanz Taurin?). Dies tat dem Absatz keinen Schaden. Mann weiß ja nie, ob es wirkt. Dieser Tage wurde der Öffentlichkeit ein 40.000 Jahre altes Artefakt dargestellt, das dem Körperteil eines aufrechten Mannes nachgebildet wurde und von dem man vermutet, dass damit etwa Jagdwaffen zur Kraftsteigerung bearbeitet wurden. Mann weiß ja nie, ob es wirkt.
  • Die alte Magie feiert unverdrossen fröhlich Urständ. Dass die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung völlig im Dunkeln liegen, hält Mann und Frau nicht davon ab, es doch nicht ganz auszuschließen. Schließlich konnte noch niemand beweisen, dass dieses Amulett oder jener Talisman nicht doch dieses Unglück abwehren oder jenes Glück erzwingen kann.
  • Die Magie teilt mit der Naturwissenschaft den Glauben an Ursache und Wirkung. Da beide von den meisten Menschen nicht wirklich durchschaut werden, wundert es wenig, dass man sich nicht selten der Wirkung heilender Steine gegenüber ähnlich verhält, wie gegenüber den Verheißungen der neuesten medizinischen Methoden. Man glaubt daran, da man ja doch nicht weiß, ob es wirkt.

2. Die Schöpfung gefügig machen

  • Will Paulus uns Christus als unheilwehrendes Amulett oder kraftverheißenden Talisman andrehen? Christus, so scheint die Lesung aus dem Römerbrief doch zu verheißen, hilft gegen Bedrängnis, Not, Verfolgung, Hunger, Kälte, Gefahr und Schwert. Ich möchte nicht ausschließen, dass manche, die ein Kreuz an ihrem Kettchen tragen bewusst oder unbewusst damit die Hoffnung auf Schutz und Segen verbinden. Und keiner, der darum bittet, ein Kreuz oder eine Bibel, eine Wohnung oder eine Liebe zu segnen, wird gleichzeitig behaupten, dass dies so ganz ohne Wirkung sei. Vielleicht wirkt es ja doch.
  • Dennoch gibt es einen klaren Unterschied zwischen Glaube und Magie. Magie ist eine Weltanschauung wie das naturwissenschaftliche Weltbild, nur älter und deutlich schlechter beweis- und nutzbar. Die Magie rechnet mit anderen Kräften als die Physik, aber beide rechnen mit Kräften, die man beeinflussen und steuern kann. Zumindest wird es versucht. Magie ist ein Welttechnik, die es geschafft hat, trotz aller Fraglichkeit ihrer Erfolge dem Ansturm der naturwissenschaftlichen Argumente standzuhalten.
  • Zu allen Zeiten gab es die magische Versuchung. Ob durch Riten, Symbole oder Worte, wie schön wäre es, wenn man Gott nicht bitten muss, sondern zwingen kann. Wie schön wäre es, wenn Gott (zumindest) so zuverlässig wäre wie ein Getränkeautomat. Wir würden zwar weiter unsere Bedrängnis-, Not- und Gefahrenversicherung bei der Allianz abschließen (wer weiß, vielleicht hilft es doch), ansonsten aber gerne alle Mittel zur Hand nehmen, die uns göttlichen Beistand verheißen.

3. Von Gott her

  • Gott ist kein Teil dieser Welt. Und seit unserer Taufe sind wir es auch nicht mehr ohne Einschränkung. Gottes Wirklichkeit reicht in die Geschichte dieser Welt hinein, aber sie geht weit darüber hinaus. Davon handelt der Römerbrief. Zugleich macht sich der christliche Glaube keine Illusion über die Realität der Welt. Christen wissen, dass die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen (Mt 20,25). Sie wissen dass uns Unheil treffen kann. Gottes Gegenwart hebt das nicht auf. Auch Jesu Wunder sind nur Zeichen. Sie sind Zeichen jener anderen Wirklichkeit, die Grundlage unserer Hoffnung ist.
  • Der Glaube beseitigt nicht das Leid. Sonst hätte Jesus am Karfreitag nur eifriger glauben müssen, und das Kreuz wäre ihm erspart geblieben. "Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur..." All diese Dimensionen sind und bleiben Realität. Aber sie sind "nur" Kreatur, nur Geschöpfe, nicht Schöpfer und nicht Gott. Wenn wir daher in ihnen unseren letzten Maßstab hätten, blieben wir in ihnen gefangen und müssten ihnen gehorchen. Wir würden versuchen durch Wissenschaft oder Magie sie uns gefügig zu machen, ohne ein Ziel zu haben, das darüber hinaus führt. Ein Kreuzchen um den Hals, der Segen oder unser christlicher Ritus ist daher keine Magie, um uns die Welt gefügig zu machen, sondern Bitte an Gott und Zeichen unseres Glaubens.
  • Auch der Glaubende erleidet die Stürme des Lebens, ja den Tod. Er kennt jedoch ein anderes Ziel und weiß, keine von diesen geschöpflichen Dingen "können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn." Nur insofern wir uns hineinnehmen lassen in die Wirklichkeit und Herrschaft des Gekreuzigten haben wir Anteil an jener Liebesgemeinschaft, die nicht Not und Bedrängnis, nichts Geschaffenes jemals besiegen könnte. Der Gerechte muss leiden, ebenso der Ungerechte. Der Gerechte aber weiß, an wessen Seite er dies erträgt und um welches Zieles Willen: der "Liebe Gottes, die in Christus Jesus" uns erschienen ist und zuteil wird. Amen