Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 15. Sonntag im Lesejahr B 2015 (Markus - Enzyklika "Laudato Si")

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12. Juli 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Viele Mittel für magere Ziele

  • Jesus reduziert den von ihm zu den Menschen Gesandten die Hilfsmittel. Die Ausrüstung wird auf ein Minimum beschränkt. Das ist für ihn keine Schikane, sondern notwendige Voraussetzung dafür, dass die Apostel wirklich Gesandte seines Evangeliums sein können: "Er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen."
  • In seiner Enzyklika, dem Rundschreiben "Laudato Si", mit dem Untertitel "Über die Sorge für das gemeinsame Haus" hat sich Papst Franziskus vor gut zwei Wochen an die ganze Kirche und die Menschheit insgesamt gewandt. Ausdrücklich in Kontinuität zur Lehre der Päpste vor ihm, zur Lehre der Ostkirche und vieler regionaler Kirchen, wagt er eine Gesamtschau der globalen Ungerechtigkeit unter Menschen und in Beziehung zur Natur. Denn Ökologie und ein Neubeginn in der Beziehung zur ganzen Schöpfung sind untrennbar mit der Gerechtigkeit unter den Menschen verbunden.
  • Die Lösung der großen Menschheitsfragen kann nicht in irgendwelchen Maßnahmen allein gefunden werden, sondern ist zutiefst auch eine Frage der geistigen Grundhaltung, der Spiritualität der Menschen. Darin berührt sich der Grundton der Enzyklika mit dem heutigen Evangelium.
    Denn Jesus mutet den Aposteln, die die Aufgabe haben, ihn selbst zu vertreten und zu verkünden, zu, ohne Hilfsmittel auszukommen, damit der Blick nicht verstellt sei auf das Ziel: Dass Gott selbst zu den Menschen komme. Und Papst Franziskus schreibt als Ursache für die ökologische und Gerechtigkeitskrise der Menschheit heute: "Wir haben allzu viele Mittel für nur einige dürftige und magere Ziele" ("We have too many means and only a few insubstantial ends" - "Nous possédons trop de moyens pour des fins limitées et rachitiques" - Enzyklika Laudato Si Nr. 203)

2. Glück erfordert ansprechbar zu bleiben

  • Die Mittellosigkeit, in der Jesus die Apostel aussendet, macht diese bedürftig. Sie brauchen Menschen und gastfreundliche Häuser, die sie aufnehmen. Gerade darin sind sie Boten Jesu. Er verleiht ihnen göttliche Vollmacht, Böses zu überwinden und Gutes zu tun. Aber all das basiert darauf, dass wir den Menschen das Herz öffnen und den Bedürftigen das Haus. Die Seligpreisungen der Bergpredigt, "Selig die hungern und dürsten" haben hier ihren Sitz im Leben.
  • Die Würde des Menschen kommt nicht im immer mehr an Haben zur Erfüllung, noch schafft Konsum allein das Glück, nach dem wir streben. Franziskus schreibt: "Das Glück erfordert, dass wir verstehen, einige Bedürfnisse, die uns betäuben, einzuschränken, und so ansprechbar bleiben für die vielen Möglichkeiten, die das Leben bietet" (Enzyklika Laudato Si Nr. 223).
  • In der Bedürftigkeit der Apostel will Jesus den Menschen nahe sein. Gott offenbart sich als einer, der bedürftig ist: So lädt er die Menschen ein, sich nicht vor einander abzukapseln und nur für sich selbst zu leben, sondern sich einander in der Bedürftigkeit des Menschseins zu zeigen - denn es gehört zum Glück, nicht zum Fluch des Menschen, dass wir auf einander angewiesen sind - auf die Liebe, die wir anderen erweisen und auf die Liebe, die wir von anderen empfangen.

3. Schöpfung als ein Geschenk begreifen

  • Die ökologische Krise und die weltweite Ungerechtigkeit haben viel damit zu tun, dass wir Menschen uns von einem instrumentellen Verhältnis zur Welt bestimmen lassen: Alles, die Beziehung zu Mitmenschen wie zur Natur, werden als Besitz aufgefasst, den sich das Individuum zu Nutze macht, um den eigenen Konsum und die eigene Position zu maximieren. Aber mit dieser Haltung verfehlen wir den Sinn des Lebens - für die Schöpfung und uns selbst.
  • Franziskus schreibt: "Die Natur wird gewöhnlich als ein System verstanden, das man analysiert, versteht und handhabt, doch die Schöpfung kann nur als ein Geschenk begriffen werden, das aus der offenen Hand des Vaters aller Dinge hervorgeht, als eine Wirklichkeit, die durch die Liebe erleuchtet wird, die uns zu einer allumfassenden Gemeinschaft zusammenruft" (Enzyklika Laudato Si Nr. 76)
  • Gerade indem die Apostel, als Gesandte Jesu nichts haben außer dem Nötigsten, werden sie frei, sich beschenken zu lassen. Sicher hängt die Krise auch der Kirche in vielen Ländern damit zusammen, dass bei den Nachfolgern der Apostel, den Bischöfen, und ihren Mitarbeitern so wenig davon zu spüren ist. Auf jeden Fall aber ist dieses bewusste Senden in Bedürftigkeit keine Abwertung der Gaben der Schöpfung, sondern eine grandiose Aufwertung: Denn die Haltung der Bedürftigkeit (Franziskus spricht von "Genügsamkeit und Demut" - Nr. 224) ermöglicht es, sich die Gaben der Schöpfung schenken zu lassen - und dabei zu entdecken, dass jeder Teil dieser so wunderbaren Schöpfung auf die Liebe verweist, in der sie erschaffen ist und, und auf die Fülle und Erfüllung, die der je größere Gott uns schenken will, wenn wir ihn nur gastfreundlich bei uns aufnehmen. Amen.